TE OGH 1987/9/9 3Ob80/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei "E***, Export-Import, Kosova", Außenhandelsgesellschaft aus Pristina, Filiale Kraljevo, Kraljevo, Hajduk Veljkova 56, Jugoslawien, vertreten durch Dr. Matthäus Grilc, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die verpflichtete Partei A***-A***, Export-Import, Inhaber Johann B***, Klagenfurt, Bahnstraße 49, vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen DM 581.075,99 sA, infolge Revision der verpflichteten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26. Jänner 1987, GZ 5 R 198/86-15, womit infolge Berufung der verpflichteten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 20. August 1986, GZ 26 Nc 36/86-10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 24.848,09 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.258,92 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben in ihrem Vertrag vom 26. August 1983 folgende Schiedsklausel vereinbart:

"Sämtliche Streitigkeiten, die aus diesem Vertrag eventuell entstehen können, werden im Wege gegenseitiger Einigung beigelegt werden. Sollte es nicht gelingen, den Streitfall gütlich bzw. im Sinne des Abs 1 dieses Artikels zu bereinigen, wird er durch das Schiedsgericht der Bundeswirtschaftskammer Jugoslawiens entschieden werden.

Die nächste Instanz für die Lösung von Streitigkeiten ist das zuständige völkerrechtliche Gericht."

Mit Urteil (Schiedsspruch) der Außenhandelsarbitrage bei der Wirtschaftskammer Jugoslawiens Belgrad (von dem nicht strittig ist, daß es das in der Schiedsklausel benannte Schiedsgericht ist) vom 8. Oktober 1985, Zl. T-162/84-29, wurde die verpflichtete Partei zur Zahlung von DM 581.075,99 sA an die betreibende Partei verpflichtet. Auf Grund dieses ausländischen Schiedsspruches wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23. April 1986, 26 Nc 36/86, zur Hereinbringung von DM 581.075,99 sA wider die verpflichtete Partei zugunsten der betreibenden Partei die Fahrnisexekution bewilligt. Der Exekutionsbewilligungsbeschluß wurde der verpflichteten Partei am 23. Mai 1986 zugestellt.

In dem am 2. Juni 1986 überreichten Widerspruch machte die verpflichtete Partei geltend, die Schiedsklausel sei nach österreichischem wie auch jugoslawischem Recht ungültig und unwirksam, weil sie die widersprüchliche Formulierung über eine zwar vereinbarte, aber nicht vorhandene zweite Instanz enthalte. Wegen dieser Klausel fehle es auch an der Rechtskraft des Schiedsspruches. (Auf den ursprünglich geltend gemachten Versagungsgrund nach Art. 2 lit a des Abkommens vom 18. März 1960, BGBl. 1961/115, kommt die verpflichtete Partei in dritter Instanz nicht mehr zurück.)

Die betreibende Partei beantragte die Abweisung des Widerspruchsbegehrens und wendete ein, daß kein Widerspruchsgrund vorliege. Die allfällige Ungültigkeit der Schiedsklausel könne nur im Wege des § 595 ZPO geltend gemacht werden. Im übrigen sei aber die Frage bindend durch das jugoslawische Schiedsgericht entschieden worden.

Das Erstgericht wies das Urteilsbegehren der klagenden Partei ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Beide Vorinstanzen vertreten zur Gültigkeit der Schiedsklausel die Auffassung, diese sei, soweit sie ein Schiedsgericht festlege, hinreichend bestimmt und gültig; nur die Regelung über eine zweite Instanz sei zu unbestimmt und daher unbeachtlich.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der verpflichteten Partei ist nicht berechtigt. Auf die bekämpte Exekutionsbewilligung sind einerseits das Abkommen vom 18. März 1960 zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen und Schiedsvergleichen in Handelssachen, BGBl. 1961/115, und andererseits das Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl. 1961/200, (New Yorker Übereinkommen) anzuwenden. Das Problem der Konkurrenz zwischen dem bilateralen Vertrag und dem multilateralen Übereinkommen (vgl. dazu Hoyer-Loewe in Heller-Berger-Stix 784) taucht im vorliegenden Fall nicht auf, weil keine einander widersprechenden Bestimmungen zu beurteilen sind.

Voraussetzung für die Vollstreckung ist nach Art. 1 Abs 1 lit a des Vollstreckungsabkommens, daß der Schiedsspruch auf Grund einer schriftlichen Schiedsabrede oder Schiedsklausel ergangen ist, welche nach der Rechtsordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht werden, gültig sind.

Nach Art. 1 Abs 1 lit b des Vollstreckungsabkommens muß der Schiedsspruch von dem Schiedsgericht gefällt worden sein, das in der Schiedsabrede oder in der Schiedsklausel vorgesehen ist; wenn diese keine hinreichende Vereinbarung über die Bildung des Schiedsgerichtes enthalten, müssen die Rechtsvorschriften des Staates, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ergänzend angewendet werden.

Nach Art. 1 Abs 1 lit c dieses Abkommens muß der Schiedsspruch nach der Rechtsordnung des Staates, in dem er ergangen ist, rechtskräftig und vollstreckbar sein.

Gemäß Art. V Abs 1 des New Yorker Übereinkommens darf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, unter anderem nur versagt werden, wenn diese den Beweis erbringt, daß die Schiedsvereinbarung, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig ist (lit a) oder daß die Bildung des Schiedsgerichtes oder das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder mangels einer solchen Vereinbarung dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat (lit d) oder daß der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist (lit e).

Nach diesen Staatsverträgen könnte eine Versagung der Exekutionsbewilligung nach den im vorliegende Widerspruch geltend gemachten Gründen nur in Betracht kommen 1.) wenn der strittige Schiedsvertrag wegen teilweiser Unbestimmtheit in seiner Gesamtheit ungültig wäre (Art. 1 Abs 1 lit a des Vollstreckungsabkommens in Verbindung mit Art. V Abs 1 lit a des New Yorker Übereinkommens),

2.) wenn der Schiedsvertrag umgekehrt so ausgelegt werden müßte, daß er trotz der erwähnten Unbestimmtheit in seiner Gesamtheit gültig in dem Sinne wäre, daß der Schiedsspruch erst rechtskräftig und für die Parteien verbindlich werde, wenn eine bestimmte, im Schiedsvertrag vorgesehene zweite Instanz entschieden hätte (Art. 1 Abs 1 lit c des Vollstreckungsabkommens und Art. V Abs 1 lit e des New Yorker Übereinkommens), oder allenfalls 3.) wenn wegen der zu

2. angeführten Auslegung gesagt werden müßte, daß der Schiedsspruch nicht von dem im Schiedsvertrag vorgesehenen Schiedsgericht (nämlich einem Schiedsgericht erster Instanz und einem Schiedsgericht zweiter Instanz) gefällt worden sei (Art. 1 Abs 1 lit b des Vollstreckungsabkommens) oder nicht das der Vereinbarung der Parteien entsprechende schiedsrichterliche Verfahren stattgefunden habe (Art. V Abs 1 lit d des New Yorker Übereinkommens). Keiner dieser Versagungsgründe liegt jedoch vor.

Bei einer Schiedsgerichtsvereinbarung muß zwischen dem eigentlichen Schiedsvertrag und einer zusätzlich möglichen Vereinbarung über das schiedsrichterliche Verfahren unterschieden werden (Fasching, Komm. IV 728; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit I Rz 246). Die strittige Schiedsklausel enthält zunächst einen eigentlichen Schiedsvertrag, nämlich die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit für alle Streitigkeiten, die aus dem von den Streitteilen geschlossenen Vertrag eventuell entstehen können. Es liegt aber auch eine Vereinbarung über das schiedsrichterliche Verfahren vor, nämlich jedenfalls die Vereinbarung, daß das bei der Bundeswirtschaftskammer Jugoslawiens eingerichtete Schiedsgericht entscheiden solle.

Die weitere Bestimmung, nächste Instanz für die Lösung von Streitigkeiten sei das zuständige völkerrechtliche Gericht, ist unklar. Nach dem Aufbau der Schiedsklausel könnte damit eine bloße Reihenfolge für die Erledigung von Streitigkeiten festgelegt worden sein: In erster Linie solle eine gütliche Einigung versucht werden, in zweiter Linie solle ein bestimmtes Schiedsgerichtsverfahren stattfinden, in dritter Linie, nämlich wenn keiner der beiden anderen Wege zum Ziele führe (zB. das Schiedsgerichtsverfahren deshalb nicht, weil etwa ein Streitfall auftritt, für den die Schiedsgerichtsbarkeit nicht wirksam vereinbart werden kann oder für den das vereinbarte Schiedsgerichtsverfahren etwa wegen Auflösung der vorgesehenen Schiedsgerichtseinrichtung nicht mehr stattfinden kann und ähnliche denkbare Fälle), sollte vielleicht auch noch der an sich nicht besonders erwähnungsbedürftige dritte Weg zum jeweils zuständigen völkerrechtlichen Gericht, gemeint zum "international zuständigen" Gericht, offenstehen.

Die Parteien könnten allerdings auch als eine eigene Rechtsmittelinstanz ein Oberschiedsgericht vereinbaren (Fasching, Handbuch Rz 2210). Solche Vereinbarungen sind aber ganz unüblich (Fellhauer/Strohbach, Handbuch der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit 111; Schlosser aaO Rz 656). Nur eine klare und unmißverständliche Formulierung könnte daher als Vereinbarung eines Oberschiedsgerichtes aufgefaßt werden (Fasching Komm. IV 792).

Die in der Klausel enthaltene Unbestimmtheit führt aber in keinem Fall dazu, daß deshalb die gesamte Schiedsgerichtsvereinbarung ungültig wäre. Im allgemeinen ist nämlich eine Schiedsklausel nicht deshalb unwirksam, weil eine einzelne Verfahrensabmachung unwirksam ist. Nur wenn die nichtigen Teile das Gesamtgepräge der vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit betreffen, würde dies auch die Nichtigkeit der gesamten Schiedsklausel nach sich ziehen (Schlosser aaO Rz 254). Dies ist hier aber nicht der Fall; denn im Ost-West-Handel entspricht die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes der vorliegenden Art auch nur in einer Instanz dem Regelfall. Selbst wenn daher die Streitteile an ein Oberschiedsgericht gedacht haben sollten, käme ein solches wegen der unbestimmten Regelung nicht zum Zuge.

Das Schiedsgericht hat daher mit Recht die Gültigkeit des Schiedsvertrages angenommen. Die verpflichtete

Partei hat keine Bestimmung des dabei gemäß Art. 1 Abs 1 lit a des Vollstreckungsabkommens und Art. V Abs 1 lit a des New Yorker Übereinkommens anzuwendenden jugoslawischen Rechtes geltend gemacht, welche zu einer anderen Auslegung der strittigen Schiedsgerichtsvereinbarung führen könnte.

Mit Recht hat das Schiedsgericht weiters erkannt, daß der von ihm gefällte Schiedsspruch endgültig sei und durch kein ordentliches Rechtsmittel bekämpft werden könne. Da sich die Parteien auf das Außenhandelsschiedsgericht bei der Wirtschaftskammer Jugoslawiens in Belgrad geeinigt haben, war auch die Geschäftsordnung dieses Schiedsgerichtes anzuwenden (abgedruckt etwa bei Schlosser aaO II 260 oder Fellhauer/Strohbach aaO 298). Nach Art. 44 dieser Geschäftsordnung idF Amtsblatt der SFRJ Nr. 70/1981 (früher Art. 41) ist ein Schiedsspruch endgültig, gibt es gegen ihn keine Berufung und hat er die Wirkung eines rechtskräftigen Urteiles eines ordentlichen Gerichtes gemäß Art. 483 der jugoslawischen Zivilprozeßordnung. Gemäß Art. 483 der jugoslawischen Zivilprozeßordnung, Amtsblatt der SFRJ Nr. 4/1977, (früher Art. 449) hat das Urteil eines Schiedsgerichtes den Parteien gegenüber die Wirkung eines rechtskräftigen Urteiles, falls in dem Schiedsvertrag nicht die Möglichkeit vorgesehen ist, das Urteil vor einem Schiedsgericht höherer Instanz anzufechten. Da in der vorliegenden Schiedsgerichtsvereinbarung, wie oben dargelegt wurde, eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen ist, wurde auch in diesem Zusammenhang das juogslawische Recht nicht verletzt.

Im Schrifttum wird auch die Frage behandelt, ob der Begriff der Verbindlichkeit in Art. V Abs 1 lit e des New Yorker Übereinkommens mit dem Begriff der Rechtskraft (Unanfechtbarkeit durch ein ordentliches Rechtsmittel) identisch sei, oder ob darunter auch zu verstehen sei, daß wegen Ablaufs der hiefür vorgesehenen Fristen kein der Aufhebungsklage nach § 595 ZPO entsprechendes außerordentliches Rechtsmittel mehr zulässig sei (zB Schlosser aaO Rz 667 a). Da der vorliegende Widerspruch aber nicht auf diesen Rechtsgrund gestützt wurde, muß auf dieses Problem nicht eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 78 und 83 Abs 2 EO iVm den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12300

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0030OB00080.87.0909.000

Dokumentnummer

JJT_19870909_OGH0002_0030OB00080_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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