TE OGH 1987/9/15 4Ob568/87

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Veröffentlicht am 15.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Tanja R***, Hausfrau, Berlin 19, Heerstraße 69 (Bundesrepublik Deutschland), vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Dipl.Ing. Fridtjof S***, Architekt, Berlin 62, Bozener Straße 17 (Bundesrepublik Deutschland), vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen

239.250 DM samt Anhang (Streitwert 1,898.675 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 29. Mai 1987, GZ 2 R 157/87-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 16. März 1987, GZ 7 Cg 88/87-2a, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur Fortsetzung des Verfahrens und Entscheidung zurückverwiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 19.336,35 S (darin enthalten 1.757,85 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit ihrer zunächst beim Bezirksgericht Kitzbühel eingebrachten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 239.250 DM samt Anhang. Der Beklagte sei Eigentümer der 126/546-Anteile der Liegenschaft EZ 109 II KG Niederau, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung top. Nr. 3 a verbunden sei. Um der Klägerin daran das Eigentum zu verschaffen, hätten die Streitteile am 21. Juli 1980 einen Optionsvertrag, einen Treuhandvertrag und einen Vertrag über die Vereinbarung eines Vorkaufsrechtes geschlossen. Außerdem lägen ein Vermächtnis des Beklagten zugunsten der Klägerin sowie die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung vor. Die Klägerin habe den vereinbarten Kaufpreis von 210.000 DM an den Beklagten gezahlt, außerdem 42.000 DM in die Wohnung investiert und weitere 18.750 DM für die Betriebskosten aufgewendet. Da die Grundverkehrsbehörde die Übertragung der Liegenschaftsanteile an die Klägerin mit Bescheid vom 16. Jänner 1984 versagt habe und daher gemäß § 16 Abs 1 Tiroler Grundverkehrsgesetz der Rechtserwerb der Klägerin nichtig sei, habe ihr der Beklagte den Kaufpreis von 210.000 DM zurückzuzahlen sowie den Investitions- und Betriebskostenaufwand von zusammen 60.750 DM zu ersetzen; nach Abzug des fiktiven Mietzinses für 75 Monate in der Höhe von 31.500 DM ergebe sich der eingeklagte Betrag von 239.250 DM. Zur Begründung der Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Kitzbühel berief sich die Klägerin auf eine nur in Form einer Kopie vorgelegte Gerichtsstandsvereinbarung im Optionsvertrag vom 21. Juli 1980. Bei der ersten Tagsatzung wendete der Beklagte die sachliche und örtliche Unzuständigkeit ein; die Klägerin beantragte die Überweisung der Rechtssache an das nach § 99 JN nicht offenbar unzuständige Landesgericht Innsbruck.

Das Bezirksgericht Kitzbühel sprach hierauf seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Innsbruck.

Das Landesgericht Innsbruck wies die Klage im Rahmen der neuerlichen amtswegigen Zuständigkeitsprüfung wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Aus den Angaben in der Klage, die dafür allein maßgeblich seien, ergebe sich kein Anhaltspunkt für seine örtliche Zuständigkeit, zumal der Beklagte den allgemeinen Gerichtsstand nicht in seinem Sprengel habe. Weitere Zuständigkeitsangaben enthalte die Klage nicht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur Fortsetzung des Verfahrens und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auf Grund des Vorbringens zum Überweisungsantrag hätte das Erstgericht den Vermögensgerichtsstand zu prüfen gehabt. Aus der Klage ergebe sich die Behauptung, daß der Beklagte Vermögen in Form einer Eigentumswohnung im Sprengel des Erstgerichtes habe. Der Wert dieser Eigentumswohnung, die nach den weiteren Behauptungen in der Klage um 210.000 DM verkauft worden sei, sei nicht unverhältnismäßig geringer als der Wert des Streitgegenstandes. Die Ausführungen des Beklagten in seiner Rekursbeantwortung, die Liegenschaftsanteile stünden wegen der treuhändigen Übertragung an die Klägerin nicht mehr in seinem Vermögen, träfen nicht zu: Das Treugut scheide wirtschaftlich nicht aus dem Vermögen des Treugebers aus; vielmehr verbleibe die Sachherrschaft auch nach Abschluß des Treuhandvertrages so lange beim Beklagten als Treugeber, bis das Eigentumsrecht der Klägerin als Käuferin der Liegenschaftsanteile im Grundbuch einverleibt sei. Zufolge der aufschiebenden Wirkung der erforderlichen Genehmigung der Grundverkehrsbehörde seien die Wohnungseigentumsanteile trotz des "Verkaufes" mangels Verbücherung des Eigentumsrechtes der Klägerin als Vermögen des Beklagten anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Prozeßüberweisung gemäß § 261 Abs 6 ZPO ist für den Beklagten ebenso wie für das Gericht, an das die Sache überwiesen wurde, insoweit bindend, als sie zwar grundsätzlich weder eine neuerliche Unzuständigkeitseinrede des Beklagten noch eine neuerliche amtswegige Zuständigkeitsprüfung durch das Gericht ausschließt, diese beiden Möglichkeiten aber dahin beschränkt, daß ein abermaliger Ausspruch der Unzuständigkeit nicht auf Tatsachen gestützt werden darf, aus denen sich die Zuständigkeit des überweisenden Gerichtes ergeben würde (Fasching III, 218; SZ 47/101 = JBl 1975, 385). Daß das Erstgericht nach der Prozeßüberweisung im Rahmen seiner (neuerlichen) amtswegigen Vorprüfung der Prozeßvoraussetzungen nach § 41 JN entschieden hat, nimmt dem Beklagten, der schon vor der Überweisung am Verfahren beteiligt war, nicht die Rechtsmittelbefugnis; nur der bisher am Verfahren nicht beteiligte Beklagte hat kein Rekursrecht gegen die im Vorprüfungsverfahren ergangenen Zuständigkeitsentscheidungen (Jud. 61 neu = SZ 27/290; JBl 1986, 668). Die durch die Streitanhängigkeit bewirkte Beteiligung des Beklagten am Verfahren wird durch die Überweisung nicht aufgehoben (§ 261 Abs 6 Satz 6 ZPO).

Die inländische Gerichtsbarkeit ist vor der Zuständigkeit zu prüfen. Der Beklagte wirft dieses Frage unter Hinweis auf den Umstand auf, daß beide Streitteile nicht österreichische Staatsbürger sind; der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN sei aber seiner Auffassung nach nur Inländern gegenüber Ausländern zu gewähren. Diese Ansicht findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze: Die Staatsbürgerschaft des Klägers ist für die Beurteilung des Vermögensgerichtsstandes ohne Belang (SZ 2/146). Für vermögensrechtliche Streitigkeiten ist die (potentielle) inländische Gerichtsbarkeit durch völkerrechts- oder innerstaatliche Rechtsnormen nicht eingeschränkt (Fasching I, 506; JBl 1983, 541). Die Befugnis des Staates zur Ausübung seiner Gerichtsbarkeit im allgemeinen und im einzelnen Rechtsstreit (inländische Gerichtsbarkeit) wird von einem Teil der Lehre und Rechtsprechung schon bei Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes bejaht (SZ 57/143 mwH); nach der "Indikationentheorie", welche die inländische Gerichtsbarkeit zunächst "indiziert" ansieht, wenn ein gesetzlicher Tatbestand der örtlichen Zuständigkeit erfüllt ist, ist darüber hinaus noch zu prüfen, ob die durch diesen Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung auch insgesamt für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses ausreicht (SZ 56/162 mwH). Im vorliegenden Fall sind neben dem inländischen Gerichtsstand, auf dessen Vorliegen noch eingegangen wird, ausreichende Inlandsbeziehungen gegeben: Dem Rechtsstreit liegt die Frage der Gültigkeit eines zwischen den Streitteilen in Österreich geschlossenen Vertrages über eine österreichische Liegenschaft zugrunde; außerdem ist inländisches Vermögen des Beklagten als hinlänglicher österreichischer Anknüpfungspunkt anzusehen (JBl 1983, 541).

Mit seinen weiteren Rechtsmittelausführungen bekämpft der Beklagte die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, die Eigentumswohnung sei als sein Vermögen anzusehen. Nach den getroffenen Vereinbarungen habe er sich jeder Verfügungsmacht darüber begeben; die Klägerin benütze die Wohnung schon seit Jahren. Nach § 41 Abs 2 JN erfolgt die amtswegige Prüfung der Zuständigkeit auf Grund der Angaben des Klägers, sofern sie dem Gericht nicht bereits als unrichtig bekannt sind. In der vorliegenden Klage behauptet die Klägerin, daß der Beklagte Eigentümer von Anteilen einer im Sprengel des Erstgerichtes gelegenen Liegenschaft sei. Die Richtigkeit dieser Behauptung (im Zusammenhalt mit der weiteren Behauptung, daß das zwischen den Streitteilen geschlossene Verfügungsgeschäft nichtig sei) ist erst im Prozeß zu prüfen. Die Einwendungen des Beklagten, daß die Liegenschaft nicht mehr zu seinem Vermögen gehöre, die er erst im Rechtsmittelverfahren darlegen konnte, sind als Neuerungen unbeachtlich. Das Rekursgericht hat daher den Vermögensgerichtsstand für die vorliegende Klage mit Recht bejaht. Überdies hätte das Erstgericht als überwiesenes Gericht von Amts wegen eine prorogable Unzuständigkeit gar nicht mehr berücksichtigen dürfen. Dies folgt aus § 43 Abs 1 JN, der die amtswegige Wahrnehmung einer solchen Unzuständigkeit nach Anberaumung der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung (der ersten Tagsatzung) ausschließt, und aus § 261 Abs 6 ZPO, der ausdrücklich anordnet, daß die Streitanhängigkeit durch die Überweisung nicht aufgehoben wird, eine neuerliche erste Tagsatzung nicht stattfindet und die neue Verhandlung mit Benützung des über die erste Verhandlung aufgenommenen Verhandlungsprotokolles und aller sonstigen Prozeßakten durchzuführen ist (Fasching III 217; Simotta in JBl 1978, 606 f, 1 Ob 679/82; 4 Ob 562/77).

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E12061

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00568.87.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19870915_OGH0002_0040OB00568_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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