TE OGH 1987/9/16 9ObS15/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Pipin Henzl und Dr. Dietmar Strimitzer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz B***, Landwirt, Loibach/Bleiburg, Schulweg 11, vertreten durch Dr. Janko Tischler jr., Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei S*** DER

B***, Wien 3., Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 1987, GZ 7 Rs 19/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Kärnten in Klagenfurt vom 2.April 1986, GZ 1 C 8/86-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 25.4.1983 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 v.H. der Vollrente zu gewähren. Die beklagte Partei ist weiter schuldig, dem Kläger die mit 1.887,60 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 171,60 S Umsatzsteuer) sowie die mit 2.829,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte, gestützt auf die Behauptung eines Arbeitsunfalles, die Gewährung einer Versehrtenrente; infolge des Unfalles sei sein rechtes Auge fast erblindet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß sich der Unfall bei einer Tätigkeit ereignet habe, die nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfaßt gewesen sei.

Außer Streit gestellt wurde, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die unfallbedingten Verletzungen 30 v.H. beträgt.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt, wobei es allerdings den Urteilsspruch insofern unbestimmt faßte, als es die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger "die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung im gesetzlichen Ausmaß" zu gewähren; eine nähere Konkretisierung dieser Leistungen unterblieb. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung im wesentlichen nachstehenden Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes im Ausmaß von 5,94 ha; der Einheitswert beträgt 16.000,-- S. Es handelt sich um eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit einem Viehstand von 3 Stück Rindern. Der Kläger bestreitet seinen Lebensunterhalt vorwiegend aus seinem Einkommen als Landarbeiter bei Lukas B***, wo er monatlich 7.000,-- S verdient. Am 25.4.1983 transportierte der Kläger Wind- und Schnittbruchholz aus seinem Wald zu seinem Anwesen. Nach dem Aussortieren verkaufte er die besseren Hölzer. Die restlichen Holzmengen hackte er auf seiner Liegenschaft auf, um diese im Haushalt als Brennholz zu verwenden. Der Unfall ereignete sich beim Entasten eines Kieferbaumes, als ein Teil eines Astes aussplitterte und den Kläger verletzte. Der Haushalt dient dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht wesentlich; das Brennholz diente nur insoweit betrieblichen Zwecken, als das Wärmen des Wassers für die Tiere erfolgte.

Hiezu führte das Erstgericht aus, daß Arbeiten, die dem Zerkleinern von Brennholz dienen, dem Unternehmer als Eigentümer des Waldes, aus dem das Holz stamme, auch dann zuzurechnen seien, wenn das Holz in der Folge im Haushalt verbrannt werden solle. Überdies habe das vorbereitete Holz auch insofern landwirtschaftlichen Zwecken dienen sollen, als damit das Wasser für die Tiere des Klägers gewärmt werden sollte, sodaß auch aus diesem Grund der Versicherungsschutz bestehe.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge und änderte das Urteil in klageabweisendem Sinn ab. Unter Zugrundelegung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen führte es aus, daß in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gemäß § 175 Abs 3 Z 1 ASVG auch solche Unfälle als Arbeitsunfälle gelten, die sich bei der Arbeit im Haushalt des Betriebsinhabers oder der Dienstnehmer ereignen, wenn der Haushalt dem Betrieb wesentlich diene. Diese Bestimmung ziehe die konkrete Grenze zwischen betrieblicher und eigenwirtschaftlicher Tätigkeit. Tätigkeiten im Haushalt einer Landwirtschaft dienten regelmäßig "zwiespältigen" Interessen. Dies treffe umsomehr in Kleinstlandwirtschaften zu, bei denen die Haupterwerbsquelle in Tätigkeiten außerhalb dieses Betriebes liege. Dabei sei aber zwischen betrieblicher Tätigkeit (Produktion im weitesten Sinn) einerseits - im Fall des Klägers Durchforstungsarbeiten im Sinn einer ordnungsgemäßen Forstwirtschaft sowie Bereitstellung von Holz zum Verkauf - und dessen Zerkleinerung zwecks Verwendung im Haushalt zum Heizen andererseits zu unterscheiden. Wesentlich sei, daß Arbeit im Haushalt überhaupt nur dann eine betriebliche Tätigkeit sei, wenn der Haushalt selbst zum landwirtschaftlichen Betrieb zähle, weil er diesem wesentlich diene. Die Zerkleinerung des Holzes sei eine Tätigkeit gewesen, die dem Haushalt zuzurechnen sei, der seinerseits dem Betrieb nicht wesentlich diene, so daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung des § 175 Abs 3 Z 1 ASVG nicht gegeben seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die beklagte Partei schuldig erkannt werde, dem Kläger eine Versehrtenrente im Ausmaß vom 30 v.H. der Vollrente für die Folgen des Unfalls vom 25.4.1983 zu gewähren. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Zur Definition eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft verweist § 27 ASVG auf § 5 LAG. Nach dieser Bestimmung zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion ua die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte. Im Rahmen der Forstwirtschaft ist daher sowohl die Schlägerung wie auch die Aufarbeitung und Bringung des Holzes dem Betrieb zuzurechnen. Gemäß § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. In einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sind alle Arbeiten, die dem Betrieb und daher der Urproduktion zuzuzählen sind, in den Kreis der unfallgeschützten Tätigkeiten einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob die Gewinnung der Produkte für die Vermarktung oder für den eigenen Bedarf erfolgt. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die Gewinnung der Erzeugnisse, soweit sie dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzuzählen ist, abgeschlossen und das Produkt in eine handelsübliche Form gebracht worden ist. Holzschlägerungsarbeiten sind keineswegs auf die Fällung von Bäumen beschränkt, sondern umfassen auch das weitere Aufarbeiten des Holzes bis zu einem Zustand, in dem es im Handel üblicherweise angeboten wird.

Im vorliegenden Fall ereignete sich der Unfall nach den Feststellungen des Erstgerichtes, die vom Berufungsgericht zwar nur kurz gefaßt wiedergegeben, jedoch - wie sich aus den Ausführungen des angefochtenen Urteils ergibt - zur Gänze übernommen wurden, beim Entasten eines gefällten Baumes. Diese Tätigkeit ist dem Aufarbeiten des Holzes im Rahmen der Urproduktion und damit dem forstwirtschaftlichen Betrieb zuzuzählen. Der Unfall unterlag daher gemäß § 175 Abs 1 Z 1 ASVG dem Versicherungsschutz, womit sich ein Eingehen auf die im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 175 Abs 3 Z 1 ASVG erörterten Fragen erübrigt.

Außer Streit gestellt wurde die Höhe der durch den Unfall bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit. Es lagen daher die Voraussetzungen für die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn des Spruches der Entscheidung vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG; der Kostenentscheidung ist gemäß § 77 Abs 2 ASGG ein Streitwert von 30.000,-- S zugrundezulegen, sodaß der Einheitssatz gemäß § 23 RAT in einem Ausmaß von 50 v.H. gebührt.

Anmerkung

E11897

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBS00015.87.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19870916_OGH0002_009OBS00015_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten