TE OGH 1987/9/24 7Ob38/87

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Veröffentlicht am 24.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Petrag und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 24. November 1985 verstorbenen Franz S***, zuletzt wohnhaft Pyhra Nr.92, vertreten durch Berta S***, Pensionistin, Pyhra Nr.92, diese vertreten durch Dr.Herbert Hofbauer u.a., Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei W*** S***

W*** V***, Wien 1.,Schottenring 30,

vertreten durch Dr.Walter Schuppich ua., Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,157.383,-- S, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. März 1987, GZ. 14 R 22/87-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 24. Oktober 1986, GZ. 4 Cg 266/86-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Franz S*** hat am 6.8.1985 an die Beklagte einen Antrag auf Abschluß einer Lebensversicherung mit Sofortschutz und Gewinnbeteiligung mit Versicherungsbeginn 1.8.1985 gestellt, wobei eine Versicherungssumme von 1,177.000 S genannt war. Es war eine Versicherungsdauer von fünf Jahren und eine jährliche Beitragsrate von 23.140 S beantragt. Im Vordruck wurde auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (der Kapitalversicherung auf den Todesfall) verwiesen. Die ersten beiden Absätze des § 2 dieser Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise:

"1. Der Versicherer gewährt vorläufigen Sofortschutz in der Höhe der für den Ablebensfall beantragten Versicherungssumme, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 400.000 S, sofern die versicherte Person zum Zeitpunkt der Antragstellung voll arbeitsfähig war.... Der Sofortschutz beginnt mit dem Einlangen des Antrages in einer Verwaltungsstelle des Versicherers, jedoch nicht vor dem beantragten Versicherungsbeginn. Er endet mit der Annahme des Antrages (Zustellung des Versicherungsscheines) oder einer anderen schriftlichen Erklärung des Versicherers, insbesondere einer Zurückstellung oder Ablehnung des Antrages, jedenfalls jedoch nach Ablauf von sechs Wochen ab Antragstellung...

2. Der Versicherungsnehmer hat unverzüglich, nachdem ihm die Annahme seines Antrages angezeigt worden ist, gegen Aushändigung des Versicherungsscheines den Einlösungsbetrag nebst Ausfertigungsgebühr und die etwaigen öffentlichen Abgaben zu bezahlen. Mit Eingang dieser Zahlung, jedoch nicht vor dem im Versicherungsschein angegebenen Zeitpunkt des Beginnes der Versicherung, beginnt die über den Sofortschutz hinausreichende Leistungspflicht des Versicherers ..."

Am 8.11.1985 langte beim Erblasser ein Schreiben der Beklagten ein, demzufolge auf Grund des von ihm gestellten Antrages der gewünschte Versicherungsschutz übernommen und die Polizze übersandt wird. Tatsächlich befand sich bei dem Schreiben auch die Polizze über die Ablebensversicherung mit einer Versicherungsdauer vom 1.10.1985 bis 1.10.1990. Auf die vom Antrag abweichende Versicherungsdauer wurde in der Polizze ausdrücklich verwiesen. Franz S*** verstarb am 24.11.1985. Die Erstprämie wurde am 25.11.1985 eingezahlt, jedoch von der Beklagten rücküberwiesen. Die Verlassenschaft nach Franz Schmied begehrt mit der vorliegenden Klage die Versicherungssumme von 1,157.383 S s.A. Als zweite Klägerin trat die protokollierte Firma Franz S*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG auf, doch ruht bezüglich dieser Klägerin das Verfahren.

Die Beklagte wendete Leistungsfreiheit infolge Verzuges mit der Zahlung der Erstprämie ein.

Die Vorinstanzen haben mit Zwischenurteil entschieden, daß der klägerische Anspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Hiebei vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, bei der fraglichen Prämie habe es sich um eine Erstprämie gehandelt, deren Nichtzahlung gemäß § 38 VersVG grundsätzlich zur Leistungsfreiheit des Versicherers führe. Diese Prämie wäre sofort nach Übersendung der Polizze fällig gewesen. Von einer sofortigen Zahlung könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, daß hier eine Rückwärtsversicherung vorliege. Ferner sei durch den Sofortschutz eine vorläufige Deckungszusage gegeben worden. Aus dem in § 39 VersVG enthaltenen Zweckgedanken ergebe sich, daß bei einem bereits bestehenden Versicherungsschutz dieser nicht ohne eindeutige Warnung verlorengehen soll. Dies führe dazu, daß die Nichtzahlung der Prämie nur dann zum Verlust des Versicherungsschutzes hätte führen können, wenn der Versicherer eindeutig auf diese Folgen hingewiesen hätte. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Demnach könne sich die Beklagte nicht auf Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Erstprämie berufen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Unhaltbar ist die Rechtsansicht des Erstgerichtes, derzufolge durch Verstreichen der sechswöchigen Frist des § 2 Abs1 der vorgenannten Versicherungsbedingungen das Anbot des Erblassers auf Abschluß eines Versicherungsvertrages hinfällig geworden sei und die "Annahme" durch den Versicherer in Wahrheit ein Anbot auf Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages unter gleichzeitiger vorläufiger Deckungszusage darstelle. Es kann hier unerörtert bleiben, ob der Erblasser tatsächlich nur sechs Wochen an seinen Antrag gebunden war oder nicht. Die im § 2 Abs1 der Versicherungsbedingungen genannten sechs Wochen beziehen sich ausschließlich auf den Sofortschutz, ohne daß dadurch zum Ausdruck gebracht wurde, daß nach Ablauf dieser Frist jegliche Bindung an einen allfälligen Antrag hinfällig sein sollte. Im übrigen hat die Klägerin in der Klage ausdrücklich den Standpunkt vertreten, der Versicherungsvertrag sei durch Annahme des Antrages des Erblassers durch die Beklagte zustandegekommen und der geltend gemachte Anspruch leite sich aus diesem zustandegekommenen Vertrag ab. Demnach entbehrt die Konstruktion des Erstgerichtes jeglicher Grundlage.

Richtig ist, daß die Gewährung des Sofortschutzes einer vorläufigen Deckungszusage gleichkommt und daß im Hinblick auf den mit 1.10.1985 angegebenen Beginn des Versicherungsschutzes eine Rückwärtsversicherung vorliegt. Auch in derartigen Fällen ist jedoch die erstmals zu bezahlende Prämie eine Erstprämie im Sinne des § 38 VersVG (SZ 57/123 ua.). Dies ergibt die sofortige Fälligkeit bei Übersendung der Polizze, worauf im übrigen in § 2 Abs2 der Versicherungsbedingungen (Beilage E) ausdrücklich hingewiesen wurde. Der Hinweis der Revisionsbeantwortung auf § 4 Abs1 dieser Bedingungen übersieht, daß diese Bestimmung nur von einem Folgebeitrag, also von Folgeprämien spricht.

Grundsätzlich tritt der Versicherungsschutz erst mit der Zahlung der ersten Prämie ein (7 Ob 4/86). War also zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles die erste Prämie noch nicht bezahlt, so besteht für diesen Versicherungsfall mangels anderweitiger Vereinbarung kein Versicherungsschutz. Im vorliegenden Fall leitet nun das Berufungsgericht seine Rechtsansicht daraus ab, daß sowohl eine Rückwärtsversicherung vereinbart als auch vorläufiger Deckungsschutz gewährt worden sei. Nach seiner Ansicht tritt in derartigen Fällen die Leistungsfreiheit nur ein, wenn der Versicherer auf diese Folge ausdrücklich verwiesen hat. Das Berufungsgericht verweist zur Stützung dieser Rechtsansicht auf die in ZVR 1976/376 veröffentlichte Entscheidung. Hiebei übersieht es jedoch, daß diese Entscheidung einen Fall der Kraftfahrzeughaftpflicht zum Gegenstand hatte. Nach dem zum damaligen Zeitpunkt geltenden Art.5 Abs5 AKHB setzte der Eintritt der Leistungsfreiheit schuldhaften Verzug voraus. Es handelt sich daher um eine Sonderregelung der AKHB. Für die Leistungsfreiheit im Sinne des § 38 VersVG genügt jedoch nach österreichischer Lehre objektiver Verzug des Versicherungsnehmers mit der Prämienzahlung. Verschulden ist nicht Voraussetzung (VersR 1972, 676, JBl. 1971, 140 ua.). Schon aus diesem Grunde ist der in der vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung aufgestellte Rechtssatz auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dazu kommt, daß die vorläufige Deckungszusage in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung allgemein nahtlos in die endgültige Versicherung übergehen soll und in der Regel auch übergeht. Eine zeitliche Begrenzung sehen die AKHB für die vorläufige Deckung nicht vor. Im vorliegenden Fall normieren jedoch die Versicherungsbedingungen ausdrücklich eine zeitliche Begrenzung der vorläufigen Deckung für die Dauer von sechs Wochen. Auch die vorläufige Deckungszusage läßt einen echten Versicherungsvertrag entstehen, der allerdings kraft seines provisorischen Charakters zunächst nicht langfristig ist. Es besteht kein materieller Unterschied zwischen einem Versicherungsvertrag und dem Rechtsverhältnis auf Grund einer Deckungszusage (SZ 57/33 ua.). Eine zeitlich befristete vorläufige Deckungszusage ist daher so zu behandeln, wie ein zeitlich befristetes Versicherungsverhältnis. Tritt bei einem zeitlich befristeten Versicherungsverhältnis der Versicherungsfall nach dem im Versicherungsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung der Versicherung ein, so ist der Versicherer für diesen Versicherungsfall nicht leistungspflichtig, ohne daß es hiezu eines ausdrücklichen vorherigen Hinweises des Versicherers bedarf. Dies muß auch für die vorläufige Deckung gelten. Wurde daher eine vorläufige Deckung nur für einen bestimmten Zeitraum gewährt, so erlischt sie mit Ablauf dieses Zeitraumes, ohne daß der Versicherer ausdrücklich darauf hinweisen müßte. Daß bei Versicherungen der vorliegenden Art ein nicht gedeckter Zeitraum zwischen der vorläufigen Deckung und der endgültigen Deckung durch den Versicherungsvertrag eintreten kann, ergibt sich eindeutig aus den Versicherungsbedingungen, die als Beendigung des Sofortschutzes einerseits die Annahme des Antrages, andererseits aber den Ablauf von sechs Wochen ab Antragstellung nennen. Die Versicherungsbedingungen ziehen also den Fall in Erwägung, daß der Antrag später als sechs Wochen nach Antragstellung angenommen wird. Für diesen Fall ergibt sich aus ihnen eindeutig, daß zwischen dem Ablauf von sechs Wochen und der Annahme des Antrages kein Versicherungsschutz bestehen soll.

Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Annahme des Versicherungsantrages die für den Sofortschutz vorgesehene sechswöchige Frist längst abgelaufen. Demnach bestand zum Zeitpunkt der Annahme des Antrages des Erblassers keine vorläufige Deckung mehr, weshalb die bezüglich des Verlustes einer solchen vorläufigen Deckung durch verspätete Prämienzahlung angestellten Erwägungen nicht zutreffen können.

Es verbleibt sohin lediglich die Rückwärtsversicherung. Bei einer Rückwärtsversicherung sind Versicherungsfälle, die bis zum Vertragsabschluß (Zustellung der Polizze) eintreten, unter der Voraussetzung jeder nachträglichen Zahlung der Erstprämie gedeckt (SZ 57/123, VersR 1986, 1134 ua.). Erfolgt der Versicherungsfall nach Vertragsabschluß, jedoch vor Zahlung der Erstprämie, so bleibt dafür der Versicherungsschutz aufrecht, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die erste Prämie ohne Verzug bezahlt wird. Bei einer solchen "erweiterten Einlösungsklausel" ist der Versicherungsnehmer dafür beweispflichtig, daß er die sofort fällige Prämie ohne Verzug bezahlt hat (SZ 57/123, EvBl.1964/7 ua.). Eine unverzügliche Einlösung erfordert die Bezahlung in einer nach der Verkehrssitte üblichen, auch für den Vertragspartner abschätzbaren Frist von höchstens wenigen Tagen nach Zustellung der Versicherungspolizze. Die Judikatur ist hier im allgemeinen von einer ungefähr dreitägigen Frist ausgegangen (SZ 57/123, 7 Ob 23/80 ua.). Im vorliegenden Fall lag zwischen der Übersendung der Versicherungspolizze (8.11.1985) und der Zahlung der Erstprämie (25.11.1985) ein Zeitraum von mehr als zwei Wochen. Bei einem solchen Zeitraum kann von einer unverzüglichen Zahlung keine Rede sein, sodaß der vor Zahlung der Erstprämie eingetretene Versicherungsfall keinen Versicherungsschutz genießt. Geht man also von dem von den Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrundegelegten Sachverhalt aus, so erweist sich das Klagebegehren als nicht gerechtfertigt.

Ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht haben die Vorinstanzen jedoch auf das weitere Vorbringen der Klägerin (S 20 des Aktes), demzufolge Franz S*** bei der Beklagten ein Prämienverrechnungskonto unterhalten habe, aus dem die jeweils fälligen Prämien abgebucht wurden, wobei auf dieses Konto regelmäßig monatliche Beträge überwiesen worden seien, nicht Bedacht genommen. Selbstverständlich muß man aus diesem Vorbringen auch die Behauptung herauslesen, dieses Konto habe zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Erstprämie ausreichende Deckung aufgewiesen. Wäre diese Behauptung richtig, so könnte von einem Prämienverzug keine Rede sein. Demnach bedarf es für die endgültige Entscheidung einer Prüfung der Richtigkeit dieser Behauptung, sodaß die Sache noch nicht spruchreif ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E12860

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00038.87.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19870924_OGH0002_0070OB00038_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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