TE OGH 1987/9/24 7Ob42/87

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Veröffentlicht am 24.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Petrag und Dr.Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Werner K***, Installateur, Graz, Neufeldweg 146, vertreten durch Dr.Werner Thurrer und Dr.Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei E*** A*** V*** AG,

Wien 1.,Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 700.000,-- S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26.März 1987, GZ. 5 R 145/86-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Juni 1986, GZ. 15 Cg 18/85-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 16.369,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.488,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 21.6.1984 verschuldete der Kläger im Rahmen seines Betriebes einen Schaden, für den er haftbar ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung, der die entsprechenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen zugrunde lagen. Strittig ist, ob es sich hiebei um die AHVB 1963 und EHVB 1963 oder die AHVB 1978 und EHVB 1978 gehandelt hat. Wäre letzteres der Fall, wäre die Beklagte für den eingetretenen Schaden deckungspflichtig. Im erstgenannten Fall ist dies strittig. Demgemäß wendet die Beklagte ein, dem Vertragsverhältnis seien die AHVB 1963 und EHVB 1963 zugrundegelegen, was der Kläger bestreitet. Die Vorinstanzen haben dem auf Deckung aus dem Versicherungsverhältnis gerichteten Klagebegehren stattgegeben, wobei das Berufungsgericht ausgesprochen hat, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Nach Beweisergänzung ist das Berufungsgericht von folgendem wesentlichen Sachverhalt ausgegangen:

Zwischen den Streitteilen bestand seit 5.6.1973 ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag für das Installateurunternehmen des Klägers, dem die damals in Geltung gestandenen Allgemeinen und Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963 und EHVB 1963) zugrunde lagen. Auf Betreiben der Beklagten kam es am 19.3.1981 zur Modifizierung dieses Versicherungsvertrages, die in der Neufassung der Polizze durch Änderung der gestaffelten Versicherungssummen und Erhöhung auf 5 Mio. pauschal sowie in einer Erhöhung der Prämie ihren Ausdruck fand. Nach dem Wortlaut der Polizze gab die Neufassung den ab dem Änderungszeitpunkt gültigen Vertragsstand wieder. Einem der neugefaßten Polizze angeschlossenen Merkblatt "für die Allgemeine Haftpflichtversicherung" konnte der Versicherungsnehmer entnehmen, daß dem Vertrag die in der Polizze angeführten Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963 und EHVB 1963 oder AHVB 1978 und EHVB 1978, letztere genehmigt von der Aufsichtsbehörde am 12.12.1978 und 18.4.1980) zugrundelagen.

Da das bestehende Versicherungsverhältnis einen für die Beklagte ungünstigen Schadensverlauf genommen hatte, wurde der Versicherungsangestellte Franz H*** mit dem Auftrag zum Kläger gesandt, diese nicht mehr tragbare Versicherung zu sanieren. H*** wußte damals, daß es für den Versicherungszweig verschiedene Versicherungsbedingungen gab, kannte aber die Unterschiede nicht im Detail. Ohne den Kläger näher über die Hintergründe der von der Beklagten gewünschten Vertragsänderung aufzuklären, die im wesentlichen auf eine Prämienerhöhung zur Abdeckung des hohen Schadensrisikos hinauslaufen sollte, erreichte er durch das Anbot auf Erhöhung der Pauschalierung der Deckungssumme und mit dem Hinweis auf eine Erweiterung des Versicherungsschutzes, daß der Kläger der angestrebten Vertragsänderung zustimmte und das Antragsformblatt unterfertigte, das H*** sodann ausfüllte. Obwohl H*** weder auf die seinerzeitigen noch auf die neuen Versicherungsbedingungen hinwies, war es für den Kläger klar, daß er mit der Pauschalierung der Deckungssumme und einer Erhöhung der Versicherungsprämie auch eine Erweiterung des Versicherungsschutzes erreiche. Über die Versicherungsbedingungen wurde zwischen den beiden nicht gesprochen. Bei dem vom Kläger unterfertigten Formular handelte es sich um einen Antrag auf Haftpflichtversicherung für die Dauer vom 19.3.1981 bis 15.6.1991, wobei er im Antragsformular auf die derzeit geltenden behördlich genehmigten allgemeinen und allfälligen besonderen Versicherungsbedingungen verwies. Zu diesem Zeitpunkt waren Vertragsabschlüsse zu Pauschalsummen nur nach den seit 18.4.1980 genehmigten AHVB 1978 und EHVB 1978 möglich. Daneben bestand für die Zeit bis Mitte 1981 die Möglichkeit, Konvertierungen bestehender Versicherungsverträge unter Beibehaltung der alten Versicherungsbedingungen und unter Beibehaltung des alten Tarifes auf die Pauschalsumme vorzunehmen, wobei lediglich ein Prämienzuschlag von 15 % auf die alte Prämie zu bezahlen war. Rechtlich beurteilten die Vorinstanzen diesen Sachverhalt dahin, daß es dem Kläger nicht um eine Erhöhung der Pauschalversicherungssummen, sondern um die Erweiterung des Versicherungsschutzes gegangen sei. Im Hinblick auf das Gespräch zwischen ihm und dem Vertreter der Beklagten konnte die Unterfertigung des Formulars nur als Antrag auf Abschluß einer neuen Versicherung zu den nunmehr in Geltung stehenden Versicherungsbedingungen verstanden werden.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs.1 Z 2 und 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Mängelrüge ist schon deshalb verfehlt, weil das Berufungsgericht zulässigerweise aufgrund einer Beweiswiederholung eigene Feststellungen getroffen hat. Die Bekämpfung dieser Feststellungen muß daran scheitern, daß der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahmen getroffene Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht überprüfen kann. Eine Feststellung dahin, daß über bestimmte Versicherungsbedingungen gesprochen wurde, hat das Berufungsgericht ebensowenig getroffen wie das Erstgericht. Vielmehr ist auch seinen Feststellungen zu entnehmen, daß bestimmte Versicherungsbedingungen bei den Verhandlungen nicht erwähnt worden sind.

Das Berufungsgericht greift auch nicht einen vom Kläger nicht geltend gemachten Umstand auf, weil der Kläger stets den Standpunkt vertreten hat, er habe im Jahre 1981 einen neuen Versicherungsvertrag abgeschlossen, weshalb die damals in Geltung gestandenen Versicherungsbedingungen anzuwenden seien. Wenn daher das Berufungsgericht das Motiv für diese Absicht des Klägers feststellte, ist es über das klägerische Vorbringen nicht hinausgegangen.

In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß der zwischen den Streitteilen nunmehr bestehende Vertrag keineswegs nur bezüglich der Prämie eine Änderung gegenüber dem früheren Vertrag erfahren hat, sondern daß auch die Dauer des Versicherungsverhältnisses geändert wurde. Schon der Umstand, daß die Dauer ab dem neuen Antrag berechnet wurde, spricht dafür, daß der nunmehrige Vertrag den alten ersetzen sollte. Nach den getroffenen Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, sind darüber hinaus weitere Risken übernommen worden. Für den Abschluß eines neuen Vertrages spricht vor allem der Umstand, daß die Gültigkeit des nunmehrigen Vertragsverhältnisses eine neuerliche Willensübereinstimmung der Streitteile voraussetzte. Schon die Art, wie es zu dieser Willensübereinstimmung gekommen ist, entspricht genau der in den §§ 861 f ABGB für Vertragsabschlüsse vorgesehenen. Das vom Kläger unterfertigte Formular (Beilage 6) ist seinem Inhalt nach eindeutig ein Antrag auf Abschluß eines neuen Vertrages. In diesem Formular wird ausdrücklich der Abschluß zu den zu diesem Zeitpunkt geltenden Versicherungsbedingungen (AHVB 1978 und EHVB 1978) beantragt. Diesen Antrag hat die Beklagte angenommen, ohne in irgendeinem Punkt darauf zu verweisen, daß sie ihn nur in einer abgeänderten Form annehmen wolle. Die Unterfertigung des Antrages erfolgte auf einem Formular, das von der Beklagten stammte und ging auf eine Initiative der Beklagten zurück. Weder den Äußerungen des Vertreters der Beklagten noch dem Formular konnte der Kläger entnehmen, daß er mit seinem Antrag lediglich eine Modifizierung des bisherigen Versicherungsvertrages unter Beibehaltung der bisher geltenden Versicherungsbedingungen erreichen werde. Vielmehr deutete die ganze Vorgangsweise darauf hin, daß ein neuer Vertrag unter Zugrundelegung der nunmehr geltenden Versicherungsbedingungen abgeschlossen werden sollte. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Bedeutung eines Ausdruckes ist dieser so zu verstehen, wie ihn der Empfänger der Erklärung verstehen mußte (MietSlg.30.125, 29.108 u.a.). Wie bereits dargelegt, stammten sämtliche Erklärungen im vorliegenden Fall von der Beklagten bzw. ihrem Vertreter. Im Zusammenhang mit den Umständen des Falles konnte der Kläger die Erklärungen nur im Sinne des Bestrebens der Beklagten auf Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages verstehen.

Mit dem Hinweis auf die Entscheidung SZ 57/123 ist für die Beklagte nichts gewonnen. Diese Entscheidung stützt sich auf die auch in der Revision zitierte Stelle bei Bruck-Möller VVG8 I ,137 derzufolge es bei der Beurteilung der Frage, ob ein neuer Vertrag abgeschlossen oder lediglich ein alter modifiziert werden sollte, auf den Einzelfall ankommt. Der genannten Entscheidung lag ein Fall zugrunde, dessen Umstände zwingend nahelegten, daß der Versicherungsnehmer durch Unterfertigung eines Antrages an den Versicherer seinen bisherigen Versicherungsschutz nicht verlieren wollte. Er beabsichtigte lediglich, die Versicherung auf einige weitere Gegenstände auszudehnen. Das führte zu der Beurteilung, daß das bereits bestandene Versicherungsverhältnis für die schon versicherten Gegenstände aufrecht blieb, demnach bezüglich dieser Gegenstände ein Prämienrückstand nicht nach den Bestimmungen für Erstprämien, sondern nach den Bestimmungen für Folgeprämien zu beurteilen war. Dies läßt sich mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichen. Hier strebte der Versicherer wegen eines für ihn ungünstigen Schadenverlaufes einen neuen Vertrag mit für ihn günstigeren Prämien an. Um dem Kläger den Abschluß eines solchen neuen Vertrages schmackhaft zu machen, wurden ihm Verbesserungen in Aussicht gestellt. Dies veranlaßte ihn, dem Wunsch der Beklagten zu entsprechen. Er unterfertigte daher ein von der Beklagten stammendes Formular, das in seinem Wortlaut eindeutig einen Antrag auf Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages unter Zugrundelegung der nunmehr geltenden Versicherungsbedingungen enthielt. Die Umstände dieses Falles können daher nur dahin beurteilt werden, daß der Kläger einen neuen Versicherungsvertrag abgeschlossen hat, der nach den nunmehr geltenden Versicherungsbedingungen (AHVB 1978 und EHVB 1978) zu beurteilen ist.

Auch mit dem Argument der Prämienberechnung ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil ein Versicherungsnehmer ohne entsprechende Erläuterung kaum in der Lage sein wird, aus den ihm vorgeschriebenen Prämien Rückschlüsse auf die Versicherungsbedingungen, aus denen diese Prämien abgeleitet werden, zu ziehen. Vor allem enthalten die entsprechenden Versicherungsbedingungen nicht die Prämienhöhen selbst, so daß also sie allein auch nicht geeignet wären, einem Versicherungsnehmer entsprechende Rechenoperationen zu ermöglichen. Daß aber die Art der Prämienberechnung dem Kläger je erläutert worden wäre, hat die Beklagte nicht einmal behauptet. Zutreffend verweist im übrigen das Berufungsgericht darauf, daß nach Vertragsabschluß auf einer Seite auftauchende Zweifel am Inhalt des Vertrages nichts mehr ändern könnten. Dies dürfte inzwischen auch die Beklagte eingesehen haben, weil die Revision gegen die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes nichts mehr vorbringt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E12139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00042.87.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19870924_OGH0002_0070OB00042_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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