TE OGH 1987/9/24 7Ob646/87

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Veröffentlicht am 24.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Egermann, Dr. Petrag und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred B***, Hotelier, Gmünd, Bahnhofstraße 67, vertreten durch Dr. Erhard C.J.Weber, Rechtsanwalt in Wien, Nebenintervenient auf Seiten des Klägers Dr. Franz W***, Rechtsanwalt, Zwettl, Landstraße 20, wider die beklagten Parteien 1.) Hilda Maria G***, Hausfrau, Wien 13., Hietzinger Hauptstraße 4, 2.) Reinhard S***, Kaufmann, Wien 23., Schwarzehaidestraße 65, beide vertreten durch Dipl.Kfm.Dr. Heinrich J***, Rechtsanwalt in Wien, Nebenintervenient aus Seiten der beklagten Parteien I*** F*** Ges.m.b.H., Wien 15., Rechte Wienzeile 234, vertreten durch Dr. Erich und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufhebung eines Kaufvertrages (Streitwert S 3,100.000,--), infolge Revision der klagenden Partei und ihres Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.März 1987, GZ 14 R 24/87-56, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 1986, GZ 10 Cg 294/83-49, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß der zwischen der klagenden Partei als Käuferin und den beklagten Parteien als Verkäufern am 20./25.Jänner 1982 über die Liegenschaft EZ 96 und 116 KG Harmannschlag abgeschlossene Kaufvertrag infolge Rücktritts der klagenden Partei aufgehoben ist.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 277.239,04 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 20.115,-- Barauslagen und S 23.374,91 Umsatzsteuer) und dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die mit S 54.076,79 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 4.925,16 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 20./25.Jänner 1982 (Beilage C) verkauften die Beklagten die ihnen je zur Häfte gehörenden Liegenschaften EZ 96 und 116 der KG Harmannschlag um S 3,100.000,--. Nach Punkt IV. des Kaufvertrages haften die Verkäufer für vollständige Lastenfreiheit der Liegenschaften. Auf den Liegenschaften wurden jedoch zwei vertragliche und ein exekutives Pfandrecht einverleibt. Mit Schreiben vom 26.Mai 1983 forderte der Kläger die Beklagten zur Lastenfreistellung auf und setzte ihnen bei sonstigem Rücktritt vom Vertrag eine Nachfrist von 6 Wochen. Eine Lastenfreistellung erfolgte nicht. Der Kläger begehrt daher die Feststellung, daß der Kaufvertrag aufgehoben ist bzw. für aufgehoben erklärt wird. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen kam es bereits im Jahre 1977 zu Verkaufsverhandlungen zwischen den Parteien, deren Ergebnis in der als Vorvertrag bezeichneten und von den Beteiligten unterschriebenen Urkunde vom 28. Oktober 1977 (Beilage A) zusammengefaßt wurde. Danach kauft der Kläger von den Beklagten die obgenannten Liegenschaften um S 3,1 Millionen. Ein Kaufpreisteilbetrag von S 100.000,-- sollte bis 1. November 1977, der Kaufpreisrest, für den eine besondere Zinsenvereinbarung getroffen wurde, in jährlichen Mindestraten von S 600.000,-- bis spätestens 31.Dezember 1982 bezahlt werden. Nach Punkt 4. des Vorvertrages stellt der Käufer den Verkäufern zur Sicherung der Kaufpreisrestforderung auf den Kaufliegenschaften eine Höchstbetragshypothek im ersten Rang über S 3,000.000,-- zur Verfügung. Nach dem Inhalt einer weiteren von den Streitteilen unterfertigten und als "weitere Stellungnahme" bezeichneten Urkunde war unter anderem Bedingung, daß die "Gesamtliegenschaft" unbelastet ist.

Die Übergabe der Kaufobjekte in den tatsächlichen Besitz des Klägers erfolgte am 1.November 1977. Der Kläger bezahlte S 100.000,-- termingerecht. Zur Bezahlung des Kaufpreisrestes standen ihm aber damals weder Barmittel noch ein Kredit zur Verfügung. Der Kläger beabsichtigte die erste Rate mit einem Bankkredit, die folgenden Raten durch den Verkauf von nicht für den Betrieb seiner Pension benötigten Grundstücken der gekauften Liegenschaften zu finanzieren.

Da der Kläger die erste Jahresrate nicht bezahlte, klagten die Beklagten diesen Betrag beim Kreisgericht Krems (zu 2 Cg 15/79) ein und dehnten nach Fälligkeit der zweiten Jahresrate das Klagebegehren auf S 1,3 Millionen aus. "Die Beklagten machten auch von dem ihnen nach Punkt 4. des Vorvertrages eingeräumten Recht einer Höchstbetragshypothek in der Form Gebrauch, daß zunächst auf Grund der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 4.Februar 1981 am 23. Juli 1981 eine Höchstbetragshypothek von S 500.000,-- und auf Grund der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 24.November 1981 am 20. Jänner 1982 eine Höchstbetragshypothek von S 2,5 Millionen auf der Liegenschaft EZ 116 KG Harmannschlag zugunsten der I*** F*** Gesellschaft m.b.H. einverleibt wurde." Im Verfahren vor dem Kreisgericht Krems wendete der Kläger nur Mängel der auf den Liegenschaften befindlichen Gebäude ein. Nachdem ein Sachverständigengutachten das Vorliegen dieser Mängel im wesentlichen verneinte, schlossen die Parteien am 29.Juli 1981 folgenden Vergleich: Der Kläger verpflichtete sich, den beklagten Parteien S 3,000.000,-- s.A. sowie S 170.000,-- an Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu bezahlen. Die Beklagten verzichteten bis 30. September 1981 bei Nichtzahlung auf exekutive Schritte, wenn ihr rechtsfreundlicher Vertreter bis 15.August 1981 eine Anmerkung der Rangordnung der Verpfändung der dem Kläger gehörenden Liegenschaft EZ 618 KG Gmünd erhält. Den Beklagten ging es bei Vergleichsabschluß vor allem darum, einen raschen Zahlungstermin zu fixieren, um durch Erhalt von S 3,000.000,-- die "Eigentümerhypothek" der I*** F*** Gesellschaft m.b.H. tilgen zu können. Der Kläger hatte im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht das Geld, um den Kaufpreis bezahlen zu können. Er bezahlte den Kaufpreis auch bis 30. September 1981 nicht. Sowohl er, als auch sein rechtsfreundlicher Vertreter Dr. Franz W*** bemühten sich um eine Finanzierung. Der Kläger stellte jedoch dem Beklagtenvertreter die vereinbarte Rangordnung rechtzeitig zur Verfügung. Die Beklagten erwirkten in der Folge ein exekutives Pfandrecht über S 3,000.000,-- auf der obgenannten Liegenschaft des Klägers in Gmünd.

Am 20. bzw. 25.Jänner 1982 wurde der von Dr. Franz W*** entworfene Kaufvertrag (Beilage C) von den Streitteilen unterfertigt. Darin wird hinsichtlich des Kaufpreises von S 3,1 Millionen auf den gerichtlichen Vergleich verwiesen. Nach Punkt IV. dieses Kaufvertrages haften die Beklagten mit Ausnahme der zugunsten der N*** einverleibten Dienstbarkeit für vollständige Lastenfreiheit der Liegenschaften. Nach Punkt IX. bedarf der Kaufvertrag zu seiner Rechtswirksamkeit der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde. Am 9.Februar 1982 wurde der Kaufvertrag dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern angezeigt und der Grundverkehrs-Bezirkskommission vorgelegt. Letztere versagte dem Kaufvertrag die Zustimmung. Gegen diese Entscheidung wurde von den Beklagten Berufung erhoben. Der Kläger stellte beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern das Ersuchen, die Vergebührung des Kaufvertrages bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Grundverkehrsbehörde auszusetzen. Der Berufung der Beklagten wurde Folge gegeben und die grundverkehrsbehördliche Zustimmung erteilt.

Bereits am 22.Februar 1982 war dem rechtsfreundlichen Vertreter des Klägers Dr. Franz W*** von der S*** I***-H*** auf ein Anderkonto ein Betrag von rund S 3,3 Millionen überwiesen worden. Dr. Franz W*** hatte von der S*** I***-H*** den Treuhandauftrag, Beträge aus dem Anderkonto nach Lastenfreistellung der Liegenschaft EZ 116 auszuzahlen. Inzwischen war jedoch ob der dem Zweitbeklagten gehörenden Liegenschaftshälfte der EZ 116 ein Zwangspfandrecht im Betrag von S 1,078.475,-- einverleibt worden. Die I*** F*** Ges.m.b.H., der die Kaufpreisrestforderung von S 3,000.000,-- abgetreten worden war, wäre gegen Bezahlung der Kaufpreisrestforderung unverzüglich bereit gewesen, die zur ihren Gunsten einverleibten Höchstbetragspfandrechte löschen zu lassen. Mit Schreiben vom 26.Mai 1983 teilte Dr. Franz W*** dem Beklagtenvertreter mit, daß er die ihm von diesem übermittelten Bestandsaufnahmen (betreffend die Bewertung der Fahrnisse für die Grunderwerbssteuerbemessung) dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern übermittelt habe und hoffe, daß nunmehr sobald als möglich die Grunderwerbssteuer vorgeschrieben werden könne. Gleichzeitig forderte er die Beklagten auf, die Liegenschaften innerhalb von 6 Wochen bei sonstigem Rücktritt vom Kaufvertrag lastenfrei zu stellen.

Als nicht erwiesen nahm das Erstgericht die Behauptung des Klägers an, daß anläßlich des Abschlusses des gerichtlichen Vergleiches am 29.Juli 1981 und des Abschlusses des Kaufvertrages die Lastenfreistellung Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises vereinbart bzw. einvernehmlich von einer Zug um Zug-Zahlung gegen Lastenfreistellung ausgegangen worden sei. Nach dem Willen der Parteien sollte zwar das Kaufobjekt lastenfrei gestellt nicht aber die Kaufpreiszahlung Zug um Zug erfolgen.

Auf Grund des Versäumungsurteiles des Kreisgerichtes Krems vom 3. November 1982 wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Weitra vom 9. Dezember 1982 der I*** F*** Gesellschaft m.b.H. als betreibender Partei wider die Beklagten als verpflichtete Parteien die Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 116 KG Harmannschlag zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von S 3,000.000,-- s.A. bewilligt. Die Liegenschaft wurde am 26. April 1984 versteigert und um S 2,078.367,50 zugeschlagen. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei der Kläger mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug geraten. Es stehe ihm daher kein Rücktrittsrecht mehr zu.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen einer Aktenwidrigkeit und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung. Die vom Kläger nur "hilfsweise" erhobene Rechtsrüge erachtete das Berufungsgericht als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobenen Revisionen des Klägers und seines Nebenintervenienten sind berechtigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist zwar die erstmalige Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung in der Revision unzulässig (SZ 51/8; SZ 50/152; EvBl. 1954/345; 6 Ob 560/87 ua). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, daß ihm eine sachrechtliche Überprüfung verwehrt ist, wenn das Berufungsgericht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung als nicht gesetzmäßig ausgeführt erachtete und deshalb eine sachliche Behandlung der Rechtsrüge in der Berufung unterließ und der Revisionswerber dies in der Revision nicht als Mangelhaftigkeit bekämpfte (6 Ob 695/85; 5 Ob 628/83; 8 Ob 310/81; 5 Ob 706/81 uva). Diese Grundsätze stehen jedoch im vorliegenden Fall, unbeschadet des Umstandes, daß eine Mängelrüge von den Revisionswerbern nicht erhoben wurde, einer sachrechtlichen Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht entgegen. Der Kläger hat nämlich in seiner Berufung ua auch Feststellungsmängel geltend gemacht, die das Berufungsgericht richtig dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuordnete und sachlich insofern behandelte, als es die gerügten fehlenden Feststellungen, wenn auch ohne nähere Begründung, als (rechts-)unerheblich erachtete (AS 285, ON 56). Im übrigen hat das Berufungsgericht die Rechtsrüge des Klägers nur insoweit als nicht gesetzmäßig ausgeführt angesehen, als der Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt sondern von den von ihm gewünschten Feststellungen ausgeht. Hat aber das Berufungsgericht geltend gemachte Feststellungsmängel richtig der rechtlichen Beurteilung zugeordnet und sachlich behandelt, kann die Rechtsrüge in der Revision vom Obersten Gerichtshof einer sachrechtlichen Prüfung auch dann unterzogen werden, wenn die Beurteilung des Berufungsgerichtes, die Rechtsrüge sei nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehe, vom Revisionswerber nicht als Verfahrensmangel gerügt wird.

Nach dem Wortlaut des vom Kläger vorformulierten Urteilsantrages könnte es zweifelhaft sein, ob nicht auch eine Rechtsgestaltungsklage vorliegt. Bei Prüfung dieser Frage ist jedoch nicht vom starren Wortlaut des Begehrens auszugehen. Maßgeblich ist, welchen Ausspruch des Gerichtes der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt (vgl. Fasching III, 54). Danach kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger lediglich die Feststellung des Nichtbestehens des bezeichneten Vertragsverhältnisses anstrebt. In diesem Sinn war daher dem Urteilsspruch eine dem Begehren entsprechende Fassung zu geben (vgl. SZ 37/28; SZ 27/12; SZ 18/74; Fasching a.a.O. 646). Da die Beklagten am Vertrag festhalten wollen, kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß dem Kläger ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung zukommt.

Nach § 928 letzter Satz ABGB müssen Schulden und Rückstände, welche auf der Sache haften - von demjenigen, der die Sache einem anderen entgeltlich überläßt - stets vertreten werden. Diese Bestimmung stellt ungeachtet ihrer Einordnung im Gewährleistungsrecht keine Gewährleistungsbestimmung dar, da die Haftung selbst dann eintritt, wenn der Erwerber von dem Mangel wußte. Das Gesetz stellt die widerlegbare Vermutung auf, daß der Erwerber sich zwar mit der Übernahme von Servituten und der fortlaufenden Lasten, nicht aber mit der Übernahme von Pfandrechten und rückständigen Leistungen einverstanden erklären will. Mangels anderer Vereinbarung ist daher davon auszugehen, daß der Veräußerer die Sache lastenfrei zu machen hat, depurierungspflichtig ist (SZ 53/107; Koziol-Welser7 I 237; Mayrhofer in Ehrenzweig3 II/1 432; Gschnitzer in Klang2 IV/1 524). Kommt der Verkäufer seiner Depurierungspflicht nicht nach, so ist der Käufer, wie der Oberste Gerichtshof mit Billigung der Lehre bereits mehrfach ausgesprochen hat, grundsätzlich berechtigt, die Zahlung des Kaufpreises zurückzuhalten (GlUNF 5488; GlU 14.645, 8352; Wahle in Klang2 IV/2 78). Der Käufer ist auch nicht verpflichtet die mit dem Mangel der Pfandbelastung behaftete Liegenschaft in sein Eigentum zu übernehmen (vgl. Mayrhofer a.a.O. 413; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 10 vor §§ 918 ff; Koziol-Welser a.a.O. 242; Bydlinski in Klang2 IV/2 151). Das Anbot einer pfandbelasteten Sache ist keine gehörige Erfüllung des Verkäufers und berechtigt den Käufer auch unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten (SZ 20/220).

Im vorliegenden Fall wurde keine von der Regel des § 928 ABGB abweichende Vereinbarung in Ansehung der Pfandrechte getroffen, sondern durch Punkt IV. des Kaufvertrages nur die sich bereits aus § 928 ABGB ergebende Haftung der Beklagten für die Lastenfreiheit der Liegenschaften klargestellt. Der Kläger war daher nicht verpflichtet, die belasteten Liegenschaften in sein Eigentum zu übernehmen. Beim Kauf von Liegenschaften, die der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfen, erfolgt die grundbücherliche Eigentumseintragung des Käufers regelmäßig unmittelbar nach Vorliegen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, mit der der aufschiebend bedingte Kaufvertrag rechtswirksam wird (SZ 52/1). Mangels anderer Vereinbarung hatten daher die Beklagten jedenfalls nach Vorliegen der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung im März 1983 die Lastenfreistellung vorzunehmen und der Kläger konnte auch darauf dringen. Entscheidende Bedeutung kommt hier aber der Frage zu, ob der Kläger mangels Lastenfreistellung auch vom Vertrag zurücktreten konnte, weil er selbst mit der Zahlung des Kaufpreises in Verzug geraten war. Bei einem durch die grundverkehrsbehördliche Genehmigung aufschiebend bedingten Kaufvertrag kann zwar der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises vor Eintritt der Bedingung auch bei Vereinbarung eines vor dem Bedingungseintritt gelegenen Zahlungstermines nicht geltend gemacht werden (SZ 52/1). Im vorliegenden Fall haben aber die Beklagten einen Teil des Kaufpreises vor Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung durch Klage geltend gemacht. Die Streitteile haben in jenem Verfahren einen Verlgeich über die gesamte Kaufpreissumme geschlossen. Nimmt man auf Grund dieser Umstände eine Vorausleistungspflicht und einen Verzug des Klägers an, muß ihm dennoch, entgegen der Meinung der Beklagten und des Erstgerichtes, ein Rücktrittsrecht zugestanden werden. Es ist zwar richtig, daß das Recht des Vertragsrücktrittes grundsätzlich nur dem vertragstreuen Teil zusteht (SZ 52/36; HS 4284, 3145 ua). Das Rücktrittsrecht des selbst in einer Leistungsstörung Verfangenen bleibt jedoch unberührt, wenn sein Interesse durch Nichterfüllung, Verletzung von Schutzpflichten oder deliktische Handlungen des anderen Vertragsteiles so erheblich beeinträchtigt ist, daß ihm die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann (Reischauer a.a.O. Rz 9 zu § 918 und Rz 7 vor §§ 918 ff). Eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen des Käufers einer Liegenschaft, die ihm die Aufrechterhaltung des Kaufvertrages nicht mehr zumutbar macht, liegt vor, wenn die Liegenschaft nach Abschluß des Kaufvertrages mit dem vereinbarten Kaufpreis erheblich übersteigenden Pfandrechten belastet wird, der Verkäufer eine Lastenfreistellung nicht vornimmt und allfällige Regreßansprüche des Käufers gefährdet erscheinen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Vorvertrag war, unbeschadet seiner Bezeichnung, ein - allerdings durch die grundverkehrsbehördliche Genehmigung aufschiebend bedingter - Hauptvertrag. Abzulehnen ist der Standpunkt des Erstgerichtes und der Beklagten, daß diese auf Grund des Punktes 4. des Vorvertrages zur Belastung der Liegenschaften berechtigt gewesen seien. Diese Vertragsbestimmung sah lediglich die Sicherstellung der Kaufpreisforderung auf den Kaufliegenschaften vor, berechtigte aber die Beklagten nicht, die Liegenschaften für Forderungen ihrer Gläubiger zu verpfänden. Auch bei Übergang des Anspruches auf Pfandbestellung an die I*** F***

Gesellschaft m.b.H. als Zessionarin hätte diese nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Pfandbestellung gegen den Kläger gehabt. Es ist zwar richtig, daß durch die Vertragspfandrechte von S 3,000.000,-- die Liegenschaften nicht mit einem die Kaufpreisrestforderung übersteigenden Betrag belastet wurden und der Kläger eine derartige Belastung, wenn auch in anderer Form, in Kauf genommen hatte. Diese Pfandrechte verhinderten, wie sich aus den Feststellungen ergibt, letztlich auch nicht den Leistungsaustausch. Durch die nachfolgende zwangsweise Pfandrechtsbegründung wurden die Liegenschaften aber nicht nur mit den Kaufpreis beträchtlich übersteigenden Pfandrechten belastet, der Kläger konnte infolge dieser Entwicklung zu Recht auch davon ausgehen, daß ein Leistungsaustausch zu den vereinbarten Bedingungen nicht mehr möglich ist und die Einbringlichkeit allfälliger Regreßansprüche gegen die Beklagten nach etwaiger Befriedigung der Pfandgläubiger gefährdet erscheint. Der Umstand, daß die Liegenschaften bereits faktisch in den Besitz des Klägers übergeben worden waren, stand der Ausübung des Rücktrittsrechtes nicht entgegen, weil Liegenschaften nach ständiger Rechtsprechung erst mit der grundbücherlichen Eintragung als übergeben gelten (SZ 52/36 mwN).

Demgemäß ist den Revisionen Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12122

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00646.87.0924.000

Dokumentnummer

JJT_19870924_OGH0002_0070OB00646_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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