TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/14 2002/08/0071

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Veröffentlicht am 14.09.2005
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §8 Abs1 Z3 litg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 10. Dezember 2001, Zl. 124.229/2-7/01, betreffend Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG (mitbeteiligte Partei: Mag. F in S, vertreten durch Mag. Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Rablstraße 32), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Mitbeteiligte war neben seiner Tätigkeit als selbständiger Apotheker vom 1. April 1992 bis 15. Juni 1998 Leiter der Landesgeschäftsstelle Niederösterreich der Österreichischen Apothekerkammer (mit Sitz in Wien) und vom 1. September 1986 bis 15. Juni 1998 Leiter der Landesgruppe Niederösterreich des Österreichischen Apothekerverbandes (mit Sitz in Wien). Er erlitt am 1. Oktober 1997 auf dem Weg zu einem Gesprächstermin bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse einen Verkehrsunfall. Seinen Antrag auf Entschädigung aus Anlass dieses Unfalles lehnte die beschwerdeführende Unfallversicherungsanstalt (in der Folge: Beschwerdeführerin) mit Bescheid vom 20. Jänner 1998 mit der Begründung ab, dass mangels Versicherungsschutzes kein Arbeitsunfall im Sinne des § 175 ASVG vorliege. Das folgende Leistungsstreitverfahren wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 31. August 1999, 10 Ob S 178/99w, zur Klärung der Versicherungspflicht des Mitbeteiligten unterbrochen.

2. Mit Bescheid vom 3. Dezember 1999 sprach die Beschwerdeführerin aus, der Mitbeteiligte sei weder in seiner Funktion als Leiter der Landesgeschäftsstelle Niederösterreich der Österreichischen Apothekerkammer noch als Leiter der Landesgruppe Niederösterreich des Österreichischen Apothekerverbandes der Teilversicherung in der Unfallversicherungsanstalt unterlegen. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Wortfolge "gesetzliche berufliche Vertretung" sei nur im Zusammenhang mit den Begriffen "der Dienstnehmer und Dienstgeber" zu sehen. Funktionäre der gesetzlichen beruflichen Vertretung seien nur dann bei Ausübung ihrer Funktion versichert, wenn es sich um eine gesetzliche berufliche Vertretung der Dienstnehmer und der Dienstgeber handle. Nach den Intentionen des ASVG seien so genannte "Standesvertretungen" keine Dienstgebervertretungen. Dies könne insofern aus dem Gesetzestext abgeleitet werden, als neben den "Funktionären der Dienstgeber und Dienstnehmer" expressis verbis die Funktionäre der Landwirtschaftskammern und (infolge Verweis auf § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. b oder c ASVG) die Funktionäre der Tierärztekammern sowie der Österreichischen Dentistenkammern in die Teilversicherung in der Unfallversicherung einbezogen worden seien. Weiters liege dieser Regelung die Systematik zu Grunde, dass die Einbeziehung der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und Dienstgeber der Einbeziehung der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer und Dienstgeber folge. Die Funktionäre der freiwilligen Interessenvertretungen könnten daher erst dann in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen werden, wenn auch die Funktionäre der gesetzlichen beruflichen Vertretungen einbezogen würden. Eine Einbeziehung der Funktionäre der Österreichischen Apothekerkammer sei aber nicht möglich; daher sei auch eine Einbeziehung der freiwilligen Interessenvertretung (Apothekerverband) nicht möglich.

Ferner entspreche es der Systematik des ASVG, dass in die Teilversicherung nur Funktionäre jener Vertretungen einbezogen seien, deren Mitglieder in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert seien. Mit der Frage der gesetzlichen Unfallversicherung für Funktionäre der Apothekerkammer bzw. des Apothekerverbandes habe sich die Beschwerdeführerin bereits im Jahre 1987 befasst. Sie sei zum Ergebnis gekommen, dass die Funktionäre der Österreichischen Apothekerkammer und des Österreichischen Apothekerverbandes nicht der Teilversicherung in der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unterlägen. Diese Feststellungen sei beiden Interessenvertretungen mit Schreiben vom 21. September 1987 mitgeteilt worden. In der Folge sei es weder zu einer Einbeziehung der Mitglieder in die gesetzliche Unfallversicherung noch zu einer Feststellung der Versicherungspflicht für Funktionäre dieser Interessenvertretungen gekommen.

3. In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch führte der Mitbeteiligte aus, er sei zum Zeitpunkt seines Unfalles sowohl Einzelorgan der gesetzlichen beruflichen Vertretung nach dem Apothekerkammergesetz als auch Organ der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung des Österreichischen Apothekerverbandes gewesen. Damit habe er alle Voraussetzungen für die Teilversicherung in der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG erfüllt. Seinen Unfall am 1. Oktober 1997 habe der Mitbeteiligte auf dem Weg zu einem Gesprächstermin bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erlitten, welchen er in seiner Funktion als Leiter der Landesgeschäftsstelle Niederösterreich der Österreichischen Apothekerkammer und in seiner Funktion als gewählter Obmann der Berufsvereinigung für den Apothekerverband für Niederösterreich wahrnehmen sollte.

In seiner Stellungnahme zum Vorlagebericht der Beschwerdeführerin - in dem sie die Begründung ihres Bescheides aufrecht erhielt - vom 7. Februar 2000 führte der Mitbeteiligte aus, es könne aus der Systematik des ASVG nicht der Grundsatz abgeleitet werden, dass in die Teilversicherung nur Funktionäre jener Vertretungen einbezogen würden, deren Mitglieder in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert seien. So seien beispielsweise ohne Prüfung, ob eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe, auch Beisitzer der Schiedsgerichte und fachkundige Laienrichter in die "Teilunfallversicherung" einbezogen worden. Im Übrigen sei auch er zum Unfallszeitpunkt schon in die Unfallversicherung einbezogen gewesen. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe ihm schon 1997 den Beitrag zur ASVG-Unfallversicherung vorgeschrieben, den er auch bezahlt habe (den angeschlossenen Kontoauszug der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft kann eine Lastschrift über S 983,-- als Beitrag zur ASVG-Unfallversicherung für den Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997 entnommen werden).

4. Der Einspruch des Mitbeteiligten wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 22. Mai 2001 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, nach der Intention des Gesetzgebers seien lediglich die Funktionäre der gesetzlichen beruflichen Vertretungen und der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber sowie die Funktionäre bestimmter namentlich angeführter Kammern gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG in der Unfallversicherung teilversichert. Die Österreichische Apothekerkammer sei keine primär auf dem Gegensatz zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen aufgebaute Interessenvertretung, sondern vielmehr eine "Standeskammer". Diese sei nicht unter "Vertretung der Dienstgeber und Dienstnehmer" im Sinne des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG zu subsumieren. Hätte der Gesetzgeber auch Funktionäre der Österreichischen Apothekerkammer in die Unfallversicherung einbeziehen wollen, hätte er die Österreichische Apothekerkammer in § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG namentlich anführen müssen. Die Aufzählung der namentlich angeführten Interessenvertretungen in der genannten Gesetzesstelle sei taxativ.

5. Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid Folge und stellte abändernd fest, dass der Mitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als Funktionär des Apothekerverbandes gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG am 1. Oktober 1997 der Unfallversicherung unterlegen sei.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, bei einer Berufsvereinigung handle es sich um "eine organisatorische Einrichtung zur Wahrung der Interessen der durch eine gleichgerichtete und gleichgeartete Berufsausübung zusammengeschlossenen Personengruppen, sowie Vertretungen von Personen, die selbständig oder unselbständig eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben". Die Gruppe der Apotheker sei eine solche selbständig erwerbstätige Personengruppe mit gleichgerichteter Berufsausübung und vertrete u.a. die Interessen der selbständig tätigen Apotheker als Dienstgeber. Beim Österreichischen Apothekerverband handle es sich um eine kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Dienstgeber. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass nur die Funktionäre jener Vertretungen der Unfallversicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g unterlägen, deren Mitglieder in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert sind, stünde der Gesetzestext entgegen, dem eine solche Einschränkung nicht entnommen werden könne. Die Tätigkeit des Mitbeteiligten als Leiter der Landesgruppe Niederösterreich des Apothekerverbandes sei somit der Unfallversicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unterlegen.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

7. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG in der zum Zeitpunkt des Unfalles geltenden, hier maßgebenden Fassung, BGBl. Nr. 411/1996, lautete:

"§ 8. (1) Nur in den nachstehend angeführten Versicherungen sind überdies auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (teilversichert):

...

3. in der Unfallversicherung hinsichtlich der nachstehend bezeichneten Tätigkeiten (Beschäftigungsverhältnisse):

...

g) Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen sowie der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber, der Landwirtschaftskammern, der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sowie der im § 8 Abs. 1 Z 4 lit. b oder c genannten Personen, die auf Grund der diese Vertretung regelnden Vorschriften bzw. auf Grund des Statuts der Berufsvereinigung gewählt oder sonst bestellt sind, in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten, soweit nicht eine landesgesetzliche Regelung über Unfallfürsorge besteht;"

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, dass eine landesgesetzliche Regelung über Unfallfürsorge nicht besteht und der Mitbeteiligte den Unfall in Ausübung der ihm auf Grund seiner Funktion obliegenden Pflichten erlitten hatte. Strittig ist, ob der Mitbeteiligte als Leiter der Landesgruppe Niederösterreich des Österreichischen Apothekerverbandes als Organ einer kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung der Dienstgeber der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unterlag.

Die Beschwerdeführerin bringt diesbezüglich vor, die Voraussetzung für die Einbeziehung der Funktionäre in die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung sei, dass es sich sowohl bei der gesetzlichen beruflichen Vertretung als auch bei der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung um eine solche der Dienstnehmer bzw. der Dienstgeber handeln müsse und dass nur solche Funktionäre dieser Berufsvereinigungen in die Funktionärsversicherung einbezogen werden könnten, deren Mitglieder, die sie zu vertreten haben, auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit selbst in die Unfallversicherungspflicht einbezogen seien. Die Auffassung der belangten Behörde, die zuletzt genannte Einschränkung könne dem Gesetzestext nicht entnommen werden, lasse die Bestimmungen des Leistungsrechtes außer Acht: § 181a Abs. 1 ASVG bestimme, dass die Bemessungsgrundlage für Teilversicherte gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g leg. cit. unter Bedachtnahme auf § 178 ASVG nach den §§ 179 bis 181 ASVG zu ermitteln sei. Für Funktionäre werde somit keine eigene Bemessungsgrundlage begründet, sondern diese sei unter Bedachtnahme auf die der Unfallversicherungspflicht unterliegenden Tätigkeit zu ermitteln.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung - daran lässt die Bescheidbegründung entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keinen Zweifel -, dass der Österreichische Apothekerverband die Interessenvertretung der selbständigen Apotheker Österreichs darstellt und die Wahrung und die Durchsetzung der Dienstgeberinteressen zum Ziele hat. Dass dem Österreichischen Apothekerverband die Kollektivvertragsfähigkeit zuerkannt wurde, steht nicht in Streit. Die Ausführungen in der Beschwerde vermögen die Beurteilung der belangten Behörde, dass es sich beim Österreichischen Apothekerverband um eine kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Dienstgeber handelt, nicht zu erschüttern.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, nur solche Funktionäre seien in der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG teilversichert, deren Mitglieder auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit selbst der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterlägen, ist nicht beizupflichten:

Mit der 21. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 6/1968, wurde u.a. die lit. g des § 8 Abs. 1 Z. 3, und damit im Zusammenhang stehend die Z. 4 des § 74 Abs. 3 eingefügt und der letzte Satz des § 74 Abs. 1 und § 181a Abs. 1 geändert. Gemäß Art. I Z. 3 lit. b) lautete § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g wie folgt:

"g) die Mitglieder der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten;"

Gemäß Art. I Z. 23 lit. a) lautete § 74 Abs. 1 letzter Satz:

"Der Beitrag für die Teilversicherten in der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. e und g ist in gleicher Höhe einzuheben wie der Beitrag der gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. a teilversicherten selbständig Erwerbstätigen."

Mit Art. I Z. 23 lit. c) wurde dem § 74 Abs. 3 die Z. 4 mit folgendem Wortlaut angefügt:

"4. für die nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g teilversicherten Mitglieder die Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen von der in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Vertretung."

§ 181a Abs. 1 hatte gemäß Art. I Z. 56 zu lauten:

"(1) Für die gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. e und g in der Unfallversicherung Teilversicherten ist die Bemessungsgrundlage unter Bedachtnahme auf § 178 nach den §§ 179 bis 181 zu ermitteln."

In der Regierungsvorlage (669 BlgNR XI. GP) wurde zur Einfügung der lit. g im § 8 Abs. 1 Z. 3 ausgeführt (Seite 18):

"Einige Interessenvertretungen der Dienstnehmer haben die Einbeziehung der Mitglieder ihrer Organe in die gesetzliche Unfallversicherung mit dem Hinweis verlangt, dass es sich in der Regel um Personen handle, die zwar auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit den Schutz der Unfallversicherung genießen, in Ausübung ihres Mandates aber nicht geschützt seien. Die Unfallhäufigkeit sei zwar nicht groß, die Unfallfolgen im Einzelfall aber oft katastrophal. Da es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handle, sei es recht und billig, den in Betracht kommenden Personen einen Unfallversicherungsschutz bei Ausübung der ihnen auf Grund ihres Mandates obliegenden Pflichten einzuräumen. Diesem Vorbringen kann die Berechtigung nicht abgesprochen werden. Dem vereinzelt vorgebrachten Wunsch nach einer 'beitragsfreien' Unfallversicherung soll jedoch aus verfassungsrechtlichen Überlegungen und auch wegen der Beispielsfolgerungen nicht Rechnung getragen werden. Dem Vorbild der nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. e teilversicherten Versicherungsvertreter folgend, wird der Jahresbeitrag mit 50 Schilling festgesetzt; die Beiträge werden zur Gänze von der in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Vertretung zu tragen sein."

Zu den Bezug habenden Änderungen im Beitragsrecht wurde ausgeführt (Seite 21), "durch die Änderung wird auf die durch Art. I Z. 3 der 16. Novelle, BGBl. Nr. 220/1965, geschaffene Rechtslage Bedacht genommen".

Zum Leistungsrecht wurde ausgeführt:

"Nach Art. I Z. 3 lit. b werden die Mitglieder der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstgeber und Dienstnehmer in die Teilunfallversicherung einbezogen. Die Beitragsleistung für diese Personen wird im neuen § 74 Abs. 1 geregelt und wird somit gleich hoch sein wie für die Versicherungsvertreter in den Verwaltungskörpern der Sozialversicherungsträger. Es liegt daher nahe, auch die Bemessungsgrundlage nach den für diesen Personenkreis geltenden Grundsätzen festzustellen."

Mit der 32. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 704/1976, wurden in § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g auch die Funktionäre der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaftskammern, der Tierärztekammern, der Österreichischen Dentistenkammer und der Kammer der Wirtschaftstreuhänder in den Schutz der Unfallversicherung einbezogen. Die Bestimmung lautete daher wie folgt:

"g) Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber, der Landwirtschaftskammern sowie der im § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. b oder c genannten Personen, die auf Grund der diese Vertretung regelnden gesetzlichen Vorschriften gewählt oder sonst bestellt sind, in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten, soweit nicht eine landesgesetzliche Regelung über Unfallfürsorge besteht;"

In der Regierungsvorlage (181 BlgNR XIV. GP, 55) wurde dazu u. a. Folgendes ausgeführt:

"Die Mitglieder der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer sind in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG in der Unfallversicherung teilversichert. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft hat nunmehr angeregt, in gleicher Weise auch die Funktionäre der Kammern der gewerblichen Wirtschaft in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen. ...

Hinsichtlich der Beiträge zur Unfallversicherung soll die bereits jetzt für die nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG teilversicherten Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer bestehende Regelung (§ 74 Abs. 1 letzter Satz, § 74 Abs. 3 Z. 4 ASVG) auch für den neu einbezogenen Personenkreis gelten.

Auf Grund von ihm Rahmen des Begutachtungsverfahrens vorgebrachten Anregungen sollen auch die Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der Landwirtschaftskammern sowie der Tierärztekammern, der Österreichischen Dentistenkammer und der Kammer der Wirtschaftstreuhänder in den Schutz der Unfallversicherung einbezogen werden."

Mit der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, wurden auch die Organe der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber in den Kreis der Versicherten aufgenommen; § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g in dieser Fassung lautete:

"g) Einzelorgane und Mitglieder von Kollektivorganen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen sowie der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber, der Landwirtschaftskammern sowie der im § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. b oder c genannten Personen, die auf Grund der diese Vertretung regelnden Vorschriften bzw. auf Grund des Statuts der Berufsvereinigung gewählt oder sonst bestellt sind, in Ausübung der ihnen auf Grund ihrer Funktion obliegenden Pflichten, soweit nicht eine landesgesetzliche Regelung über Unfallfürsorge besteht;"

In der Regierungsvorlage (774 BlgNR XVI. GP, 21) wurde dazu ausgeführt:

"Der Österreichische Gewerkschaftsbund (Gewerkschaft öffentlicher Dienst) sowie der Österreichische Arbeiterkammertag haben eine Erweiterung des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes für Personen angeregt, die einen Unfall im Zusammenhang mit der Ausübung einer Funktion im Rahmen von Interessenvertretungen erlitten haben, denen die Eigenschaft einer gesetzlichen beruflichen Vertretung nicht zukommt; diesem Anliegen soll durch die vorgeschlagenen Änderungen Rechnung getragen werden. ...

Im Sinne einer genauen Abgrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises soll der Unfallversicherungsschutz gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG auf Funktionäre der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber erweitert werden, die keine gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen sind. Die funktionelle Objektivität einer solchen Eingrenzung ergibt sich nicht zuletzt aus § 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes."

Mit der 53. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 411/1996, erhielt § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG die im Streitfall maßgebende, oben schon wiedergegebene Fassung. In der Regierungsvorlage (214 BlgNR XX. GP, 32) wurde dazu u.a. ausgeführt:

"Über Antrag der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sollen deren Mitglieder, die in der Pensionsversicherung nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz teilversichert sind (§ 3 Abs. 3 Z. 1 GSVG), in Hinkunft Unfallversicherungsschutz nach dem ASVG genießen (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG). Ebenso sollen die Organwalter der Kammer der Wirtschaftstreuhänder in die Teilversicherung in der Unfallversicherung einbezogen werden (§ 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG). ..."

Schließlich wurde durch die 54. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 139/1997, im § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g der Ausdruck "der im § 8 Abs. 1 Z. 4 lit. b oder c genannten Personen" durch den Ausdruck "der Tierärztekammern und der Österreichischen Dentistenkammer" ersetzt. Diese Änderungen stehen im Zusammenhang mit der Einbeziehung aller selbständig Erwerbstätigen in die Sozialversicherung nach dem GSVG. Wie alle selbständig Erwerbstätigen, die Mitglieder einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sind, sollen auch die gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG Pflichtversicherten in Hinkunft der Teilversicherung in der Unfallversicherung nach dem ASVG unterliegen (886 BlgNR, XX. GP, 26).

Letztlich ist auf die Einfügung des Ausdruckes "des Österreichischen Hebammengremiums" nach dem Ausdruck "Kammer der Wirtschaftstreuhänder" im § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG durch die 55. ASVG-Novelle, BGBl. I Nr. 138/1998, hinzuweisen. In der Regierungsvorlage (1234 BlgNR XX. GP, 26f) wurde dazu ausgeführt:

"Das Österreichische Hebammengremium hat die Einbeziehung seiner Funktionärinnen in den Unfallversicherungsschutz gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG angeregt.

Nach der zitierten Bestimmung sind die Funktionäre der gesetzlichen beruflichen Vertretungen und der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber sowie die Funktionäre bestimmter namentlich angeführter Kammern in der Unfallversicherung teilversichert.

Nach herrschender Rechtsauffassung liegt eine Berufsvereinigung der Dienstgeber oder der Dienstnehmer nur dann vor, wenn diese Berufsvereinigung primär auf den Gegensatz zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen aufgebaut ist, was beispielsweise für die Wirtschaftskammern und die Arbeiterkammern zutrifft. Bei den in § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG namentlich angeführten Kammern handelt es sich hingegen um sogenannte 'Standeskammern', die nicht unter dem Ausdruck 'Vertretung der Dienstgeber und Dienstnehmer' zu subsumieren sind. Dies ungeachtet der Tatsache, dass auch den Standeskammern Kollektivvertragsfähigkeit zukommen kann (vgl. Goller 'Zur Kollektivvertragsfähigkeit der Standeskammern' in ZAS 1972, S. 173ff).

Die Bestimmungen über das Österreichische Hebammengremium (Aufgaben, Organisation usw.) sind im Hebammengesetz geregelt (§§ 39 ff). Diesen Bestimmungen zufolge ist das Österreichische Hebammengremium als gesetzliche Standesvertretung anzusehen. Da dieses Gremium nicht zu den Vertretungen der Dienstnehmer bzw. der Dienstgeber zählt, muss eine namentliche Einbeziehung in § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG erfolgen.

Die selbständigen Hebammen sind derzeit gemäß § 4 Abs. 3 ASVG vollversichert und somit auch in der Unfallversicherung pflichtversichert. Ab dem 1. Jänner 2000 zählen sie zu den gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG pflichtversicherten Personen und sind sodann nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. a ASVG in der Unfallversicherung teilversichert. Damit wird auch der systematischen Anknüpfung an die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung für Mitglieder der nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG zu berücksichtigenden Interessenvertretungen Rechnung getragen. Diese Anknüpfung ergibt sich insbesondere daraus, dass mit dem Beitrag für den Unfallversicherungsschutz der Interessenvertreter (§ 74 Abs. 1 ASVG; derzeit 254 S pro Kalenderjahr) keine eigene Bemessungsgrundlage begründet wird, sondern diese erst unter Bedachtnahme auf § 178 ASVG nach den §§ 178 bis 181 ASVG, dh. in Berücksichtigung der gesamten Erwerbstätigkeit, zu ermitteln ist (§ 181a Abs. 1 ASVG).

Durch die vorgeschlagene Ergänzung soll der Anregung des Österreichischen Hebammengremiums Rechnung getragen werden."

Diese Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG zeigt, dass im Zeitpunkt der Einbeziehung des Organwalters in die Unfallversicherung alle Mitglieder der von ihm vertretenen Organisation im Rahmen ihrer (Berufs-)Tätigkeit der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterlagen.

Die selbständigen Apotheker unterlagen jedoch nur der Pensionsversicherung nach dem FSVG, die "opting in"-Möglichkeit für die Unfallversicherung und die Krankenversicherung wurde nämlich nicht in Anspruch genommen. Die Pflichtversicherung der Organwalter richtet sich nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG. Nach dem insoweit klaren Wortlaut dieser Bestimmung ist der Mitbeteiligte als Organ der Landesgruppe Niederösterreich des Österreichischen Apothekerverbandes, sohin einer kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung der Dienstgeber, in Ausübung der ihm auf Grund dieser Funktion obliegenden Pflichten in der Unfallversicherung (teil-)versichert. Für die Auslegung eines Gesetzes ist der kundgemachte Text maßgebend. Dieser darf mit Interpretationsmethoden nicht überschritten werden (vgl. Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I, 12. Auflage, 21f). Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Berufung auf das "System der Regelung" geht angesichts des klaren Wortlautes ins Leere. Auch für die von der Beschwerdeführerin geforderte teleologische Reduktion bleibt kein Raum. Die teleologische Reduktion ist dann notwendig, wenn das Gesetz "zu viel geregelt hat", also vom Wortlaut Fälle erfasst werden, die dem Sinn nach nicht erfasst sein sollten (Koziol/Welser, aaO, 30f). Nach § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. g ASVG unterliegen die Organe der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen in Ausübung dieser Tätigkeit der Unfallversicherung. Die Versicherungspflicht knüpft an die Kollektivvertragsfähigkeit der Berufsvereinigung an. Dies kann einerseits nicht als unsachliches Unterscheidungskriterium (gegenüber anderen Berufsvereinigungen) angesehen werden und andererseits wird damit die sachlich gebotene Gleichstellung mit den Organen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen der Dienstnehmer und der Dienstgeber hergestellt. Die Einbeziehung der Organe der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen in die Unfallversicherung ist daher nicht als "überschießende" Regelung anzusehen.

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Einbeziehung der Funktionäre in die Pflichtversicherung die Mitglieder der von ihnen vertretenen Organisationen der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung unterlagen, gebiete den Gegenschluss, dass dann, wenn dies nicht der Fall ist, auch die Pflichtversicherung der Funktionäre nicht greife, ist daher nicht zu folgen. Auch das Argument der Beschwerdeführerin, für Funktionäre bestehe keine Bemessungsgrundlage, ist nicht zielführend. Sollte der Funktionär diese Tätigkeit ehrenamtlich, dh. unentgeltlich ausüben, bildet nach § 44 Abs. 6 lit. c ASVG der Betrag von Euro 18,60 täglich die Beitragsgrundlage, sodass aus der Summe dieser Beitragsgrundlagen unschwer eine Bemessungsgrundlage nach § 179 Abs. 1 ASVG gebildet werden kann.

Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. September 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002080071.X00

Im RIS seit

30.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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