TE OGH 1987/9/30 14ObA84/87

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Veröffentlicht am 30.09.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Oder und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Adolf A***, Angestellter, Linz, Grüner Hang 9 a, vertreten durch Dr. Johann K***, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Linz, Volksgartenstraße 40, wider die beklagte Partei A*** V***-AG, Linz, Mayrhoferstraße 36, vertreten durch Dr. Peter Raits, Dr. Alfred Ebner, Dr. Harald Lettner, Dr. Walter Aichinger und Dr. Peter Bleiziffer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 727.221,90 brutto sA (Revisionsstreitwert S 45.821,92 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9. Juli 1986, GZ 12 Cg 26/85-68, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 16. März 1984, GZ 3 Cr 14/83-35, zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil einschließlich des bestätigten und unangefochtenen Teils insgesamt zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 5.054,90 brutto samt 4 % Zinsen seit 9. April 1983 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 722.167 brutto sA binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 242.535,50 (darin S 20.732,50 Umsatzsteuer und S 14.478 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 201.125,80 (darin S 17.497,80 Umsatzsteuer und S 8.650 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.581,60 (darin S 200,65 Umsatzsteuer und S 374,40 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 2. November 1964 bis 8. April 1983 als Angestellter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung. Seine mit vorliegender Klage geltend gemachten entlassungsabhängigen Ansprüche wurden bereits rechtskräftig abgewiesen. Im Revisionsverfahren ist nur mehr die vom Berufungsgericht zugesprochene "Urlaubsabfindung" strittig. Dazu brachte der Kläger in der Klage vor, daß ihm eine "Urlaubsentschädigung" für 44 Werktage in Höhe von S 107.212,49 brutto zustehe (S 2). In der Tagsatzung vom 2. November 1983 schränkte der Kläger diesen Teilanspruch wegen einer vor Klageeinbringung erfolgten Zahlung von S 30.822,17 (Titel: Urlaubsabfindung bzw. -entschädigung) auf S 76.390,25 ein (S 66). In der Tagsatzung vom 8. Februar 1984 brachte der Kläger vor, daß die Beklagte den für das Urlaubsjahr 1981/82 gebührenden Urlaub im Ausmaß von 30 Werktagen zur Gänze entschädigt habe. Der für das Urlaubsjahr 1982/83 entstandene Urlaub sei zur Gänze unverbraucht geblieben. Der Kläger begehre eine "Urlaubsentschädigung" für 30 Werktage in Höhe von S 73.099,49. Hievon habe er bereits eine Urlaubsabfindung von S 27.277,57 erhalten, woraus sich eine Differenz an restlichen Ansprüchen von S 45.821,92 ergebe (S 136). Die Beklagte, welche beantragt hatte, das Klagebegehren abzuweisen, stellte im Berufungsverfahren die vom Kläger begehrte Urlaubsentschädigung von S 45.821,92 der Höhe nach außer Streit (S 385).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der entlassungsabhängigen Ansprüche und sprach dem Kläger S 45.821,92 sA als der Höhe nach nicht strittiger Urlaubsabfindung zu. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem sinngemäßen Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Aus den von der Beklagten in Ablichtung vorgelegten Postaufgabescheinen und den Erhebungen des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes ergibt sich, daß die Revision zwar entgegen den Angaben im Vorlagebericht nicht erst am 18. Februar 1987, sondern schon am 17. Februar 1987 und somit an sich rechtzeitig zur Post gegeben wurde. Sie war aber an das seit 1. Jänner 1987 nicht mehr bestehende Arbeitsgericht Linz, Ferihumerstraße 1, gerichtet und langte erst am 19. Februar 1987 beim Landesgericht Linz, Fadingerstraße 2, ein.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 89 Abs 1 GOG werden bei gesetzlichen Fristen, die in bürgerlichen Rechtssachen einer Partei zur Abgabe von Prozeßhandlungen offen stehen, die Tage des Postlaufes in die Frist dann nicht eingerechnet, wenn das Schriftstück an das zuständige Gericht adressiert ist. Ein an ein falsches Gericht adressiertes Schreiben wahrt die einzuhaltende Frist nur dann, wenn es innerhalb der offenen, durch § 89 GOG nicht berührten Frist beim zuständigen Gericht einlangt (Fasching II 672, ZPR Rz 549, Rz 2048; SZ 2/71, SZ 24/10, SZ 52/155 ua).

Vorerst ist zu prüfen, ob die an das nicht mehr existierende vormalige Erstgericht adressierte Revision den im GOG normierten Voraussetzungen der Rechtzeitigkeit entsprach. Diese Frage ist aus folgenden Erwägungen zu bejahen: Nach § 101 Abs 1 Z 1 ASGG gelten alle beim Arbeitsgericht Linz anhängig gewesenen Rechtssachen als an das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht überwiesen. Die Revision wurde daher nicht an ein bestehendes, unzuständiges Gericht adressiert, sondern an das nicht mehr bestehende Erstgericht. Gemäß § 505 Abs 1 ZPO wird aber die Revision durch die Überreichung der Revisionsschrift bei dem Prozeßgerichte erster Instanz erhoben. In dieser besonderen Situation bedürfen daher die Grundsätze über die Nichteinrechnung der Zeit des Postlaufes in die Frist einer Modifikation. Auch wenn das Landesgericht Linz durch die Änderung der Gerichtsorganisation sozusagen das gesetzliche "Nachfolgegericht" wurde, besteht zwischen ihm und dem vormaligen Arbeitsgericht Linz nicht das Verhältnis der Unzuständigkeit, sondern ausschließlich das Verhältnis der gesetzlichen Überweisung. Zufolge des vom Gesetz angeordneten Überganges der anhängigen Rechtssachen sind daher das Vorgänger- und das Nachfolgegericht in bezug auf die Adressierung von Rechtsmitteln, die sich gegen eine Entscheidung des Vorgängergerichtes richten, wie ein und dasselbe Gericht zu behandeln. Die Revisionsfrist bleibt gewahrt, wenn die Revision wie hier rechtzeitig an das nach dem im Zeitpunkt der Urteilsfällung maßgebenden Vorschriften zuständige Gericht adressiert zur Post gegeben wurde (9 Ob A 45/87, 10 Ob S 15/87). Die Revision ist daher rechtzeitig; sie ist auch zum Teil berechtigt.

Der Beklagten ist beizupflichten, daß die im Urteil des Berufungsgerichtes enthaltene Wiedergabe des Prozeßvorbringens hinsichtlich des Begehrens auf Urlaubsentschädigung ungenau und in der Annahme, die Beklagte hätte einen Anspruch des Klägers auf Urlaubsabfindung in Höhe von S 45.821,92 außer Streit gestellt, aktenwidrig ist. Die Beklagte stellte lediglich die begehrte (restliche) "Urlaubsentschädigung" der Höhe nach außer Streit. Hingegen liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Es trifft zwar zu, daß der Kläger nicht ausdrücklich behauptete, er habe noch einen entlassungsunabhängigen Anspruch auf eine (restliche) Urlaubsabfindung, doch ist seinem Vorbringen zu entnehmen, daß er nicht zwischen Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung differenzierte. Er rechnete sich die erfolgte Zahlung der Beklagten aus dem Titel der Urlaubsabfindung oder Entschädigung bzw. überhaupt als Urlaubsabfindung an und errechnete daraus eine Differenz an "restlichen Ansprüchen" von S 45.821,92. Der Anspruch auf Urlaubsabfindung ist subsidiärer Natur. Er gebührt in jedem Fall, in dem das Arbeitsverhältnis - ausgenommen einen unbegründeten vorzeitigen Austritt - vor Verbrauch des Urlaubs beendet wird und kein Anspruch auf (volle) Urlaubsentschädigung nach § 9 UrlG besteht (Cerny Urlaubsrecht4 124). Soweit der Kläger daher nach Erwähnung der Begriffe "Urlaubsentschädigung" und "Urlaubsabfindung" noch seine "restlichen Ansprüche" schlechthin geltend macht, ist dadurch ein Begehren auf allfälligen Zuspruch einer Urlaubsabfindung mitinbegriffen.

Ausgehend von den der Revision zugrunde gelegten und vom Kläger selbst behaupteten Voraussetzungen ergibt sich für das Urlaubsjahr 1982/83 (2. November 1982 bis 8. April 1983) noch der volle Urlaubsanspruch von 30 Werktagen, dem eine bis zur Entlassung verbrachte Arbeitszeit von 23 Wochen gegenübersteht. Daraus errechnet sich unter Zugrundelegung des insoferne unstrittigen Urlaubsentgeltes für 30 Werktage in Höhe von S 73.099,49 eine Urlaubsabfindung von S 32.332,47, von welcher die bereits geleistete Zahlung von S 27.277,57 abzuziehen ist. Dem Kläger stehen daher gemäß § 10 Abs 1 UrlG noch S 5.054,90 brutto sA entlassungsunabhängig zu (vgl. Cerny aaO 126; Arb. 10.095). Die Kostenentscheidungen sind in den §§ 43 Abs 2 und 50 bzw. in den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO begründet. Für das Verfahren in erster und zweiter Instanz besteht ein voller Kostenanspruch der Beklagten, da sie nur geringfügig unterlegen ist. In dritter Instanz stehen der Beklagten im Verhältnis ihres Obsiegens rund 78 % ihrer Revisionskosten zu.

Anmerkung

E12073

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00084.87.0930.000

Dokumentnummer

JJT_19870930_OGH0002_014OBA00084_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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