TE OGH 1987/10/15 6Ob679/87

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Veröffentlicht am 15.10.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Kamila Maria L***, geborene S***, geboren am 18. Juni 1979, wegen Unterhaltsleistung durch den Adoptivvater Bernhard L***, Matrose, Ternitz, Pottschach, Gutenberggasse 22, vertreten durch Dr. Brigitta Weis, Rechtsanwalt in Wien, infolge Rekurses des Adoptivvaters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgerichtes vom 9. Juli 1987, GZ. R 225/87-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 21. Mai 1987, GZ. P 105/86-13, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t stattgegeben.

Text

Begründung:

Das pflegebefohlene Kind kam am 18. Juni 1979 in Kowary (ehemals: Schmiedeberg/Riesengebirge) in der Volksrepublik Polen zur Welt. Es wuchs in Polen heran und war wie seine Mutter polnische Staatsangehörige.

Die am 8. Mai 1957 geborene Mutter des Kindes schloß am 12. April 1980 vor einem polnischen Standesamt mit einem am 22. April 1958 geborenen österreichischen Staatsbürger die Ehe. Mit der Entscheidung vom 19. Mai 1980 beschloß das Rayonsgericht in Jelenia Gora (ehemals: Hirschberg im Riesengebirge), die Adoption des Kindes durch den Ehemann der Mutter durchzuführen und anzuerkennen. Dabei sprach das polnische Gericht aus, daß die Adoption die Folgen nach Art. 121 des Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches hervorrufe (volle Adoption). Die Mutter des Kindes folgte mit diesem ihrem Ehemann an einen österreichischen Wohnsitz. Mit dem seit 15. September 1982 rechtskräftigen Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt wurde die Ehe der Mutter geschieden.

Am 28. September 1982 stellte das Kind durch seine Mutter an das Pflegschaftsgericht den Unterhaltsantrag, den Adoptivvater ab Antragstag zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 1.600 S zu verpflichten.

Der Adoptivvater bestritt in erster Linie die Rechtswirksamkeit der mit der Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes vom 19. Mai 1980 als bewirkt erklärten Adoption. Dazu behauptete er, ihm sei mangels Kenntnis der Amtssprache nicht bewußt gewesen, eine Adoption des Kindes seiner Ehefrau vereinbart und beantragt zu haben. Das Pflegschaftsgericht sprach in einem Beschluß über den Grund des vom Kind gegen seinen Adoptivvater verfolgten Unterhaltsbegehrens aus, es werde festgestellt, daß der Adoptivvater gegenüber dem Kind zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei. Dabei ging das Pflegschaftsgericht von der bindenden Wirkung der Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes über die Bewirkung der Adoption aus. Ohne jede weitere Feststellung zu den für den Bedarf des Kindes und die Leistungsfähigkeit des Adoptivvaters bestimmenden Tatumständen fällte das Erstgericht auf Grund seiner Beurteilung der umstrittenen Adoption eine Entscheidung über den aufrechten Bestand des geltend gemachten Unterhaltsanspruches.

Das Rekursgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens über alle für das Unterhaltsbegehren maßgebenden Umstände und eine danach zu fällende Entscheidung über den gestellten Unterhaltsantrag auf. In verfahrensrechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, daß der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht allein von der umstrittenen Wirksamkeit der Adoption abhinge und auch im außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren eine Vorabentscheidung über den Grund des Anspruches (keinesfalls) zulässig sei, um bloß eine für den geltend gemachten Unterhaltsanspruch erhebliche Rechtsfrage einem bindenden Ausspruch zuzuführen.

Materiellrechtlich legte das Rekursgericht seinem Verfahrensergänzungsauftrag die Rechtsansicht zugrunde, daß die Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes über die Bewirkung der Adoption nach dem österreichisch-polnischen Vertrag vom 11. Dezember 1963, BGBl. Nr. 79/1974, in Österreich anzuerkennen sei, weil das polnische Gericht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufen gewesen sei und kein Versagungsgrund gegen die Anerkennung der Entscheidung vorliege. Solange die Wahlkindschaft nicht durch Widerruf oder Aufhebung beendet worden wäre, läge eine für den inländischen Rechtsbereich wirksame Adoption vor.

Der Adoptivvater ficht den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wegen unrichtiger Lösung der strittigen Adoptionsfrage mit einem Abänderungsantrag an, der der Sache nach auf eine Abweisung des Unterhaltsantrages abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt, gibt aber Anlaß zur Richtigstellung der dem Erstgericht in der umstrittenen Adoptionsfrage überbundenen Rechtsansichten:

Bei den Beteiligten der im Jahre 1979 beurkundeten Handlungen zur Adoption des pflegebefohlenen Kindes handelte es sich durchwegs um Angehörige der Vertragsstaaten des am 11. Dezember 1963 zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Polen geschlossenen Übereinkommens über die wechselseitigen Beziehungen in bürgerlichen Rechtssachen und über Urkundenwesen, BGBl. Nr. 79/1974. Nach den kollisionsrechtlichen Bestimmungen dieses Abkommens ist für die Annahme an Kindesstatt das Recht des Vertragsstaates maßgebend, dem der Annehmende angehört (Art. 30 Abs 1 Satz 1). Ist danach das Recht des Vertragsstaates maßgebend, dem das anzunehmende Kind nicht angehört, ist die Annahme unwirksam, wenn die nach dem Heimatrecht des Kindes erforderlichen Einwilligungen oder behördlichen Genehmigungen nicht erteilt worden sind. Nach den verfahrensrechtlichen Regelungen des genannten Abkommens sind familienrechtliche Entscheidungen der Gerichte des einen Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat anzuerkennen, wenn dem Vertragsstaat, dem das erkennende Gericht angehört, nach dem Vertrag die Ausübung des Gerichtsbarkeit zukam, die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist und im Verfahren die Rechte der Verteidigung gewahrt worden waren. Trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen ist aber die Anerkennung einer Entscheidung unter anderem zu versagen, "wenn die Entscheidung die Grundsätze der Gesetzgebung des Vertragsstaates, in dem sie geltend gemacht wird, verletzt" oder "wenn die Entscheidung nicht auf die Rechtsvorschriften gegründet worden ist, die nach diesem Vertrag anzuwenden gewesen wären; diese Bestimmung steht jedoch der Anerkennung nicht entgegen, wenn die Entscheidung auch bei Anwendung der nach diesem Vertrag maßgebenden Rechtsvorschriften gerechtfertigt wäre" (Art. 48 des Vertrages).

Die Anerkennung ausländischer, insbesondere polnischer Gerichtsentscheidungen über die Bewilligung einer Adoption ist nach der inländischen Verfahrensordnung nicht in ein besonderes Verfahren gewiesen. Gehört eine im Ausland durch gerichtliche Entscheidung zustande gekommene Adoption zum anspruchsbegründenden Sachverhalt, muß im konkreten einzelnen Verfahren über den dort geltend gemachten Anspruch (z.B. wie im vorliegenden Verfahren der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen seinen Wahlvater) über die Anerkennung der ausländischen Entscheidung als Vorfrage entschieden werden, wenn über die Adoptionswirkungen nicht bereits eine alle Beteiligten bindende Entscheidung (etwa ein Feststellungsurteil) vorliegt. Die über die Adoption des pflegebefohlenen Kindes gefällte Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes erging im Sinne des Art. 117 § 1 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches als rechtsgestaltender Akt, weil nach der genannten Gesetzesstelle die Adoption auf Antrag des Adoptierenden "durch Verfügung des Vormundschaftsgerichtes bewirkt" wird. Zweifel am Vorliegen der nach Art. 48 Abs 1 des österreichisch-polnischen Vertrages für die Anerkennung der Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes geforderten positiven Voraussetzungen bestehen unter Bedachtnahme auf die Regelung nach Art. 49 des Vertrages nicht.

Der Versagungsgrund nach Art. 48 Abs 2 a (Verletzung der Grundsätze der Gesetzgebung des Anerkennungsstaates) geht nicht über den allgemein anerkannten Vorbehalt der Wahrung des sogenannten "ordre public" hinaus. Grundsätze der inländischen Rechtsordnung werden aber nicht schon dadurch verletzt, daß der Wahlvater in dem Zeitpunkt der Adoption eines Kindes seiner Ehefrau erst knapp zuvor sein 22. Lebensjahr vollendet hatte, sodaß die im § 180 Abs 1 ABGB normierte Altersgrenze von 30 Jahren beträchtlich unterschritten wurde, weil eine Unterschreitung der Altersgrenze unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig und die Einhaltung der Altersgrenze daher vom Gesetz selbst nicht ausnahmslos als unverzichtbar gefordert wird. In dieser Hinsicht ist der Ansicht des Rekursgerichtes beizutreten.

Das Rekursgericht hat aber eine Prüfung des Versagungsgrundes nach Art. 48 Abs 2 d des österreichisch-polnischen Vertrages (Mißachtung der vertraglich festgelegten Kollisionsnormen) unterlassen. Nach dem oben zitierten Art. 30 Abs 1 Satz 1 des österreichisch-polnischen Vertrages hätte das polnische Vormundschaftsgericht bei der Prüfung der (materiellrechtlichen) Voraussetzungen der Adoption österreichisches Recht anzuwenden gehabt. Dies geschah offenkundig nicht. Die Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes vom 19. Mai 1980 enthält zwar keine Begründung, der Ausspruch, daß die Adoption die Folgen nach Art. 121 des (polnischen) Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches hervorrufen, rechtfertigt aber die Annahme, daß das polnische Vormundschaftsgericht ausschließlich das Heimatrecht des Kindes angewendet hatte.

Es gilt danach, die Ausnahme vom Versagungsgrund der Nichtbeachtung des nach den vertraglichen Kollisionsregeln anzuwendenden Sachrechtes zu prüfen. Deshalb bedarf es der Beurteilung, ob die Anerkennung der Adoptionsvoraussetzungen auch bei Anwendung der materiellrechtlichen Regelungen nach den §§ 179 ff. ABGB gerechtfertigt gewesen wäre. Unter diesem Gesichtspunkt war aber eine Unterschreitung der im § 180 Abs 1 ABGB normierten Altersgrenze von 30 Jahren durch den Adoptierenden nur unter der Voraussetzung zulässig, daß zwischen ihm und dem Wahlkind bereits eine Eltern-Kind-Beziehung wie zwischen einem leiblichen Vater und seinem Kind bestand. Das Adoptivkind stand im Zeitpunkt der Adoption erst am Beginn seines 12. Lebensmonates. Wegen dieses geringen Alters allein kann aber das Bestehen einer vom Gesetz geforderten Eltern-Kind-Beziehung nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Auch für die nach Abwägung aller bei den konkreten Gegebenheiten des Falles zu berücksichtigenden Interessen nunmehr nachträglich hypothetisch vorzunehmende Ermessensentscheidung ist wegen der Unterschreitung der Altersgrenze um fast acht Jahre nicht schon unter allen Umständen davon auszugehen, daß die Adoptionsvoraussetzungen nach österreichischem Recht keinesfalls als gegeben anzunehmen gewesen wären.

Zur Frage der allfälligen Übergehung einer zustimmungs- oder anhörungsberechtigten Person ist zu beachten, daß Zustimmungsrechte materiellrechtlichen Charakters, Anhörungsrechte aber verfahrensrechtlicher Natur sind. Für die Beurteilung der Rechtfertigung einer anzuerkennenden Entscheidung nach Art. 48 Abs 2 Buchstabe d, zweiter Halbsatz, des österreichisch-polnischen Vertrages sind nur die materiellrechtlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Nach den Gründen des Ehescheidungsurteiles war das pflegebefohlene Kind von seiner Mutter außer der Ehe geboren worden. Dem leiblichen Vater eines unehelichen Wahlkindes wäre nach österreichischem Recht ein Zustimmungsrecht nicht zugekommen. Der Wahlvater behauptete aber die Verletzung eines Zustimmungsrechtes. Dazu wird zu prüfen sein, ob das Wahlkind entgegen der Begründung im Scheidungsurteil ein eheliches Kind war. Selbst in einem solchen Fall müßte aber untersucht werden, ob bei einer Verweigerung des zustimmungsberechtigten Vaters dessen Zustimmung nicht gerichtlich zu ersetzen gewesen wäre.

Die Wirksamkeit der durch die Entscheidung des polnischen Vormundschaftsgerichtes als bewirkt erklärten Adoption für den inländischen Rechtsbereich kann entgegen der rekursgerichtlichen Auffassung noch nicht abschließend beurteilt werden. Hiezu bedarf es im Rahmen des Art. 48 Abs 2 Buchstabe d des österreichisch-polnischen Vertrages noch ergänzender Erhebungen im aufgezeigten Sinne. In dieser Hinsicht war der Verfahrensergänzungsauftrag inhaltlich abzuändern. Im übrigen ist den rekursgerichtlichen Rechtsansichten aber beizutreten. Im Ergebnis war dem Rekurs des Wahlvaters gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E12348

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00679.87.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19871015_OGH0002_0060OB00679_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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