TE OGH 1987/10/21 1Ob638/87

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Veröffentlicht am 21.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Josef H***, verstorben 19. März 1976, infolge Rekurses der Hedwig H***, Geschäftsfrau, St. Johann i. T., Wieshoferstraße 6, als erbserklärte Erbin nach dem am 5. November 1985 verstorbenen Josef H***, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 16. April 1987, GZ. 3 b R 66, 67/87-69, womit ihr Rekurs gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 25. März 1987, GZ. A 103/76-65 und 66, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß des Rekurses werden die Beschlüsse der Vorinstanzen und das ihnen ab Einleitung des Substitutionsverfahrens vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben.

Text

Begründung:

Der am 19. März 1976 verstorbene Josef H***, geboren 1884, errichtete am 25. August 1963 ein Testament, mit dem er seinen Sohn Josef H***, geboren 1928, zu seinem Erben einsetzte. Zugunsten der Tochter Elfriede und der Witwe Wilhelmine ordnete er Vermächtnisse an. Der Schlußsatz seines Testamentes lautet: "Sollte mein Sohn vor meiner Frau sterben, so hat das Haus Nr. 6 Wieshoferstraße, Einlagezahl 18/II St. Johann Tirol, an meine Frau überzugehen."

Im Verlassenschaftsverfahren nach Josef H***, geboren 1884, das ein größeres Vermögen, u.a. mehrere Liegenschaften betraf, nahm die Witwe Wilhelmine H*** das "Nacherbrecht" an der Liegenschaft EZ 18 II KG St. Johann i.T. laut Testament an. Mit Einantwortungsurkunde vom 4. April 1977, ON 34, wurde auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 25. August 1963 der Nachlaß zur Gänze dem Sohn Josef H***, geboren 1928, eingeantwortet. Nach dem Ergebnis der Verlassenschaftsabhandlung war u.a. in EZ 18 II KG St. Johann i.T. das Eigentumsrecht für Josef H***, geboren 1928, mit der Beschränkung durch die fideikommissarische Substitution im Sinne des Testamentes vom 25. August 1963 für Wilhelmine H*** geb. L***, geboren am 1. Juni 1903, einzuverleiben. Die Verbücherung erfolgte mit Beschluß vom 21. Juni 1977, ON 38.

Josef H***, geboren 1928, verstarb am 5. Oktober 1985. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 12. September 1986, ON 46, wurde die Substitutionsabhandlung eingeleitet und die bedingte Erbserklärung der Nacherbin Wilhelmine H*** aus dem Titel des Testamentes hinsichtlich der Liegenschaft EZ 18 II KG. St. Johann i.T., Wieshoferstraße 6, angenommen. Ihr Erbrecht wurde für ausgewiesen erachtet.

Die Substitutionsabhandlung wurde ausschließlich mit der durch einen Sachwalter vertretenen Wilhelmine H*** durchgeführt. Mit Substitutionseinantwortungsurkunde vom 25. März 1987, ON 66, wurde der Substitutionsnachlaß auf Grund des Testamentes der Wilhelmine H*** eingeantwortet; in EZ 18 KG St. Johann i.T. werde ihr Eigentumsrecht bei gleichzeitiger Löschung des Substitutionsbandes einzuverleiben sein. Diese Einantwortungsurkunde und der am selben Tag erlassene Mantelbeschluß wurden auch Hedwig H***, der erbserklärten Witwe des Vorerben, zugestellt.

Gegen beide Beschlüsse erhob Hedwig H*** Rekurs. Sie führte aus, da sie die Erbin des Vorerben sei und behaupte, das Substitutionsband sei erloschen, wäre sie dem Verfahren beizuziehen gewesen, um Gelegenheit zu haben, ihren Standpunkt darzulegen. Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht diesen Rekurs zurück. Im Verlassenschaftsverfahren seien nur Erben, Noterben, Vermächtnisnehmer und in gewissen Fällen Nachlaßgläubiger Parteien oder Beteiligte. Es stehe also nur demjenigen ein Rekursrecht zu, in dessen Rechts- und nicht bloß Interessensphäre durch eine gerichtliche Entscheidung eingegriffen worden sei. Hedwig H*** sei die Witwe des Vorerben. Sie sei gleichzeitig die Schwiegertochter der Wilhelmine H***; sie stehe mit ihr aber im Hinblick auf den Substitutionsnachlaß in keinerlei Beziehung. Sie könne sich daher durch die ergangenen Entscheidungen nicht beschwert erachten.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des von Hedwig H*** erhobenen Rekurses ist die Nichtigkeit der Beschlüsse der Vorinstanzen und des ihnen vorangegangenen Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Liegt nicht ausnahmsweise ein Vindikationslegat vor (§ 10 WEG), kommt dem Vermächtnisanspruch grundsätzlich nur schuldrechtlicher Charakter zu. Die Berufung gibt dem Vermächtnisnehmer nur ein obligatorisches Forderungsrecht gegen den Erben, der die vermachte Sache erst durch eine Erfüllungshandlung ihm übertragen muß (NZ 1978, 11; SZ 44/38; Welser in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 647; Weiß in Klang2 III 487; Steinwenter in JBl. 1957, 559; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 205; Gschnitzer-Faistenberger, Erbrecht2 94 f.). Die Vorschrift des § 652 ABGB über die Zulässigkeit der fideikommissarischen Substitution bei einem Vermächtnis gilt sinngemäß auch für den Fall, daß der Vorerbe mit einem sogenannten uneigentlichen Nachlegat belastet ist (NZ 1983, 126). Der Erbe hat gegenüber dem Nachlegatar demnach eine Stellung, die sonst einem Vorlegatar zukommt (SZ 24/227; Welser aaO Rz 4 zu § 652). Während der Nacherbe einen dinglichen Anspruch auf Herausgabe des Substitutionsgutes hat (Weiß aaO 414 f., 523; Ehrenzweig-Kralik aaO 198), steht dem Nachvermächtnisnehmer und damit auch dem uneigentlichen Nachlegatar bloß ein an den Hauptvermächtnisnehmer bzw. an den mit dem uneigentlichen Nachlegat belasteten Erben oder dessen Verlassenschaft zu richtender obligatorischer Anspruch auf die Übertragung des Vermächtnisgegenstandes zu (7 Ob 252, 253/72; Weiß aaO 523; Ehrenzweig-Kralik aaO 207; Welser aaO Rz 8). Während also der mit einer fideikommissarischen Substitution belastete Vorerbe bei Eintritt des Nacherbfalles seine Erbenstellung verliert und der Substitutionsnachlaß wieder in das Stadium eines ruhenden Nachlasses tritt, der vom Nacherben nach den allgemeinen Vorschriften, in der Regel also durch eine Einantwortungsurkunde, erworben wird (§ 26 AußStrG; Ehrenzweig-Kralik aaO 197), bleibt der nur mit einem Nachlegat belastete Erbe dinglich Berechtigter des Nachlaßgegenstandes, gegen den dem Bedachten nur ein obligatorisches Forderungsrecht zusteht. Bei Eintritt des Bedingungsfalls für den Erwerber eines uneigentlichen Nachlegates hat demnach eine Fortsetzung des seinerzeitigen Verlassenschaftsverfahrens nicht zu erfolgen. Ein fortgesetztes Außerstreitverfahren ist unzulässig; der Nachlegatar hat vielmehr seine Rechte im streitigen Rechtsweg gegen den Erben (oder wie hier gegen den Erben des Erben) zu verfolgen. Hedwig H*** als erbserklärter Erbin nach dem am 5. Oktober 1985 verstorbenen Josef H*** stand, obwohl sie am Verfahren nicht beteiligt war, ein Rekurs gegen die unzulässig erlassene Substitutionseinantwortungsurkunde und den Mantelbeschluß des Erstgerichtes zu, da durch das fortgesetzte Verfahren in ihre rechtlich geschützten Interessen eingegriffen wurde (SZ 56/123;

SZ 35/94 ua.). Die ergangenen Entscheidungen und das ihnen vorangegangene fortgesetzte Verlassenschaftsverfahren sind wegen Verletzung des § 2 Abs. 2 Z 1 AußStrG nichtig (JBl. 1972, 621;

SZ 42/69; Welser aaO). Diese Nichtigkeit ist aus Anlaß des zulässigen Rekurses wahrzunehmen. Die Beschlüsse der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren sind als nichtig aufzuheben. Da bei einem uneigentlichen Nachlegat eine Substitutionsabhandlung nicht stattzufinden hat, wird das dennoch eingeleitete Verfahren mangels Substrates einzustellen sein (7 Ob 252, 253/72; vgl. SZ 24/234).

Anmerkung

E12260

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00638.87.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19871021_OGH0002_0010OB00638_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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