TE OGH 1987/10/21 1Ob665/87

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Veröffentlicht am 21.10.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache Hans-Jörg K***, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch den besonderen Kurator Dr. Arno K***, RiAA beim Bezirksgericht Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 21. April 1987, GZ 18 R 228/87-715, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 29. Jänner 1987, GZ 3 SW 38/87-711, ersatzlos aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 18. März 1949, L 1/48-25, wurde der am 3. Oktober 1933 geborene Hans-Jörg K*** wegen Geistesschwäche voll entmündigt; das Pflegschaftsverfahren wurde beim Bezirksgericht Linz, bei dem schon seit 1942 nach dem Tode des Vaters des Hans-Jörg K*** ein Vormundschaftsverfahren anhängig war, geführt. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 28. Oktober 1977, ON 614, wurde Dr. Friedrich F***, Rechtsanwalt in Linz, zum Kurator bestellt. Hans-Jörg K*** hält sich seit 1945 ständig in Vorarlberg auf. Derzeit ist er im Versorgungsheim Schwarzenberg untergebracht.

Das Erstgericht erklärte sich für örtlich unzuständig und überwies gemäß § 44 JN die Sachwalterschaftssache an das nach § 109 Abs 1 JN zuständige Bezirksgericht Bezau.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sachwalters Folge und hob den Beschluß des Erstgerichtes ersatzlos auf. Wohl habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung NZ 1985, 228 ausgesprochen, daß es maßgeblich sei, wo der Pflegebefohlene oder Betroffene am Tage des Inkrafttretens der Zivilverfahrensnovelle 1983 im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Nach Art. XVII § 2 Abs 2 der Zivilverfahrensnovelle 1983 sei die geänderte Vorschrift des § 109 Abs 1 JN auch auf die vor dem 1. Mai 1983 anhängig gewordenen Verfahren anzuwenden. Das Rekursgericht folge aber der Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Februar 1985, 43 R 124/85 = EFSlg 49.262/12, die aufgezeigt habe, daß die Übergangsbestimmung nur dann anzuwenden sei, wenn die Zuständigkeitsfrage am 1. Mai 1983 noch nicht geklärt gewesen sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des durch einen besonderen Kurator vertretenen Betroffenen ist berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 11. März 1986, 5 Nd 503/86, ausführte, war nach § 109 JN in der Fassung vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 zur Besorgung aller Geschäfte, die dem Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht obliegen, das Bezirksgericht berufen, bei welchem der Minderjährige oder Pflegebefohlene seinen allgemeinen Gerichtsstand in Streitsachen hatte. § 109 a Abs 1 JN ordnete die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes des gewöhlichen Aufenthaltes, mangels eines solchen des Bezirksgerichtes des Aufenthaltes nur subsidiär für den Fall an, daß das nach § 109 JN aF zuständige Gericht nicht bekannt ist oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten oder nicht mehr rechtzeitig ermittelt werden kann oder die Entscheidung oder Verfügung des nach § 109 JN aF zuständigen Gerichtes nicht rechtzeitig eingeholt werden könnte.

Nach § 109 Abs 1 JN idF des Art. II Z 51 der Zivilverfahrensnovelle 1983 ist zur Bestellung des Vormundes oder des Sachwalters (Kurators) und zur Besorgung der sonstigen Geschäfte, die nach den Bestimmungen über die Rechte zwischen Eltern und mj. Kindern sowie über die Vormundschaft und die Sachwalterschaft (Kuratel) dem Gericht obliegen, das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Minderjährige oder sonstige Pflegebefohlene seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat. § 109 a JN wurde durch Art. II Z 52 der Zivilverfahrensnovelle 1983 aufgehoben. Die Zivilverfahrensnovelle 1983 ist mit dem 1. Mai 1983 in Kraft getreten (Art. XVII § 1). Soweit in deren Art. XVII § 2 Abs 1 bis 5 nichts anderes angeordnet wird, ist sie nach dem Abs 6 der vorgenannten Übergangsbestimmung auf Verfahren anzuwenden, in denen die Klage bzw. der Antrag auf Einleitung des Verfahrens nach dem 30. April 1983 bei Gericht eingelangt ist. Art. XVII § 2 Abs 2 der Zivilverfahrensnovelle 1983 ordnet nun unter anderem an, daß deren Art. II Z 51 und 52 nach dem 30. April 1983 auch auf Verfahren anzuwenden ist, die vorher anhängig geworden sind. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes (NZ 1985, 228; 6 Nd 514/85) verdrängt die Übergangsbestimmung des Art. XVII § 2 Abs 2 der Zivilverfahrensnovelle 1983 in ihrem Anwendungsbereich die Vorschrift des § 29 JN. Aus dem Wortlaut dieser Übergangsbestimmung ergibt sich, daß der Gesetzgeber die neue Zuständigkeitsregelung generell für zweckmäßiger als die frühere erachtete und sie auch auf bereits nach der früheren Regelung zu Recht bei einem anderen Bezirksgericht anhängig gewordenen Vormundschafts-, Sachwalterschafts- und Kuratelsachen zur Anwendung gelangen lassen wollte. Diese Ansicht hielt der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom 7. Mai 1986, 3 Nd 506/86, und vom 29. Jänner 1987, 6 Nd 501/87, aufrecht. Die dagegen gerichtete Argumentation des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, die Übergangsregelung des Art. XVII § 2 Abs 2 der Zivilverfahrensnovelle 1983 müßte nicht nur für die vor dem 30. April 1983, sondern auch für später angefallene Sachen gelten, weil ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung nicht erkennbar sei, ist schon wegen des klaren Wortlautes der Übergangsregelung, die sich ausdrücklich nur auf vor dem 1. Mai 1983 anhängig gemachte Verfahren bezieht, abzulehnen. Sollte sich bei einem nach dem 30. April 1983 anhängig gewordenen Vormundschafts-, Kuratels- oder Sachwalterschaftsverfahren der örtliche Anknüpfungspunkt ändern, ist dies nach der unverändert gebliebenen Vorschrift des § 29 JN zu beurteilen. Die vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vertretene Ansicht würde bedeuten, daß in den genannten Verfahren eine materielle Derogation des § 29 JN eingetreten wäre. Dies kann aber einer Übergangsvorschrift, deren Anwendungsbereich ausdrücklich nur auf bereits anhängige Verfahren beschränkt war, nicht entnommen werden.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Anmerkung

E12253

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00665.87.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19871021_OGH0002_0010OB00665_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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