TE OGH 1987/10/22 12Os97/87

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Veröffentlicht am 22.10.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Oktober 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bernscherer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anna W*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Anna W*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24. April 1987, GZ 9 Vr 3245/86-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, der Angeklagten Anna W*** und des Verteidigers Dr. Christandl zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Anna W*** wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe seit dem Jahre 1968 bis zum Mai 1986 in Kumberg ein ihr anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich das ihr als Sachwalterin anvertraute Waisenpensionseinkommen des Fritz Z*** in einem Gesamtbetrag von 730.271 S dadurch, daß sie dieses Waisenpensionseinkommen für sich bzw. für ihre Familie verwendete, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, sie habe hiedurch das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Deliktsfall StGB begangen, gemäß § 259 Z 1 StPO freigesprochen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Privatbeteiligte Fritz Z*** wird mit seinen Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Anna W*** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Deliktsfall StGB schuldig erkannt, weil sie sich in der Zeit von 1968 bis Mai 1986 in Kumberg die ihr als Sachwalterin ihres Bruders Fritz Z*** anvertraute Waisenpension in der Höhe von insgesamt 730.271 S durch Verwendung für sich und ihre Familie mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Nach den wesentlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wurde Fritz Z***, der Bruder der Angeklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 28.Jänner 1969 (GZ 21 P 30/69-1), voll entmündigt und die Angeklagte zu seinem Kurator bestellt. Mit Übergabsvertrag vom 3.Mai 1963 haben sich die Angeklagte und ihr Gatte Josef W***, die die Liegenschaft EZ 40 KG Hofstetten übernommen haben, verpflichtet, für den voll entmündigten Fritz Z***, dem Bruder der Angeklagten, auf Lebensdauer ohne weiteres Entgelt durch Bereitstellung einer entsprechenden Unterkunft, Verpflegung und Betreuung zu sorgen. Seit 1968 bezieht Fritz Z*** eine Waisenzuschußrente und einen Hilflosenzuschuß. In der Zeit vom 1. August 1968 bis 22.Mai 1986 hat die Angeklagte einen Gesamtbetrag von 730.271 S als Kurator (später als Sachwalterin) für Fritz Z*** übernommen. 400.000 S hat sie in diesem Zeitraum für Fritz Z*** aufgewendet und hiedurch die Hingabe eigener Geldmittel, zu der sie laut dem Übergabsvertrag verpflichtet war, erspart, 300.000 S hat sie für sich und für ihre Familie, zur Schuldentilgung und für den Neubau eines Wohnhauses verwendet. Der durch den Sachwalter Dr. Franz G***, Rechtsanwalt in Graz, vertretene Fritz Z***, der sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen hat, hat keine Privatanklage erhoben. Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof überzeugt, daß dem Urteil zum Nachteil der Angeklagten der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. c StPO anhaftet. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hat die Angeklagte die ihr zur Last gelegte Veruntreuung als Kurator bzw. zuletzt Sachwalter ihres voll entmündigten Bruders Fritz Z*** zu dessen Nachteil begangen. Die Tat wurde somit "im Familienkreis" begangen und ist daher § 166 Abs. 1 StGB zu unterstellen. Gemäß § 166 Abs. 3 StGB ist der Täter jedoch nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen. Der Geschädigte hat jedoch keine Privatanklage erhoben. Der Privilegienausschluß des § 166 Abs. 1 letzter Satz StGB gilt zum einen nur für den Vormund, nicht aber für den Kurator oder den Sachwalter; zum anderen ginge, selbst wenn auch ein Kurator oder Sachwalter vom § 166 Abs. 1 letzter Satz StGB erfaßt wäre, die Privilegierung als Bruder jener als bestellter gesetzlicher Vertreter vor, sodaß auch diesfalls kein Privilegierungsausschluß vorläge (vgl. zu all dem SSt. 49/36 = EvBl. 1979/27; Kienapfel BT II

§ 166 Rz. 15; Leukauf-Steininger Komm.2 § 166 RN 11; Foregger-Serini StGB3 § 166 Anm. III; nur zum Teil anderer Meinung Liebscher im WK

§ 166 Rz. 17, 18). Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung SSt. 38/67, in welcher in einem ähnlichen Fall die Anwendung des § 463 StG abgelehnt wurde, ist durch das Inkrafttreten des StGB überholt, da dieses den Tatbestand der Amtsveruntreuung (§ 181 StG) nicht mehr kennt.

Da somit die nach dem Gesetz erforderliche Anklage fehlt, haftet dem Urteil der in der Beschwerde nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. c StPO zum Nachteil der Angeklagten an. Gemäß § 290 Abs. 1 StPO war somit von Amts wegen diese Nichtigkeit wahrzunehmen, das angefochtene Urteil aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 1 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, daß die Angeklagte von der wider sie erhobenen Anklage gemäß § 259 Abs. 1 Z 1 StPO freigesprochen wird.

Es erübrigte sich daher ein Eingehen auf die von der Angeklagten geltend gemachten Nichtigkeitsgründe, wobei der Vollständigkeit halber noch beigefügt wird, daß eine Veruntreuung jedenfalls in Ansehung jener (ca.) 400.000 S nicht vorliegt, die die Angeklagte für ihren Bruder verwendet hat. Auch wenn diese Art der Verwendung der im Übergabsvertrag übernommenen Verpflichtung, dem Bruder aus eigenen Mitteln Unterhalt etc. zu gewähren, widersprochen hat, erfolgte die Verwendung dieser Beträge jedenfalls für den Berechtigten, sodaß von einer Zueignung im Sinne des § 133 Abs. 1 StGB nicht gesprochen werden kann (vgl. in diesem Sinn Bertel im WK § 133, Rz. 38, 39; Kienapfel, BT II § 133 Rz. 63 ff; Rittler2 II 166).

Die Angeklagte war mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Gemäß § 366 Abs. 1 StPO mußte der Privatbeteiligte Fritz Z*** mit seinen Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden.

Anmerkung

E12204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00097.87.1022.000

Dokumentnummer

JJT_19871022_OGH0002_0120OS00097_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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