TE OGH 1987/11/19 12Os144/87

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Veröffentlicht am 19.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Horst H*** wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 10.September 1987, GZ 4 Vr 2096/87-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Jugendliche Horst H*** des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 5.Juni 1987 in Gundersdorf, Bezirk Deutschlandsberg, dem Staat in seinem Recht auf Ausschluß von nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen vom öffentlichen Straßenverkehr absichtlich einen Schaden zuzufügen versucht, indem er an seinem nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrad Puch N 50 SL das nicht für dieses Fahrzeug ausgegebene Kennzeichen St 207.221 montierte, mit diesem Motorfahrrad sodann öffentliche Straßen befuhr und anläßlich einer Verkehrskontrolle einen zu einem anderen Fahrzeug gehörigen Zulassungsschein vorwies, wobei er Beamte der Straßenaufsicht in Beziehung auf ihr Amtsgeschäft zur Duldung der weiteren Benützung öffentlicher Verkehrsflächen mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeug zu verleiten suchte.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der vom Angeklagten gegen diesen Schuldspruch (aus dem Grund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO) ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Obersten Gerichtshof davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil mit einem (nicht gerügten) Feststellungsmangel im Sinne des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes behaftet ist, der gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.

Ein Verstoß gegen den Schutzzweck der Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes über die Zulassung von Kraftfahrzeugen und die Ausgabe von Kennzeichentafeln, mithin die Schädigung eines konkreten Rechtes des Staates im Sinne des § 108 Abs. 1 StGB liegt nämlich grundsätzlich nur dann vor, wenn das tatgegenständliche Fahrzeug nicht alle materiellen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 KFG erfüllt (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2 RN 9 und 10 zu § 108; 12 Os 28, 29/87; ÖJZ-LSK 1987/71). Da Motorfahrräder als Krafträder (§ 2 Z 14 KFG) zu den Kraftfahrzeugen iS § 2 Z 1 KFG (§ 2 Z 4 KFG) zählen, unterliegen sie den Vorschriften über die Zulassung zum Verkehr und über Kennzeichen (IV. Abschnitt des KFG), soweit gesetzliche Vorschriften nichts anderes bestimmen.

Gemäß § 36 KFG dürfen Kraftfahrzeuge (damit auch Motorfahrräder) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie (ua)

a) zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39 KFG - § 36 lit. a KFG),

b) das behördliche Kennzeichen (§ 48 KFG) führen (§ 36 lit. b KFG) und

c) ordnungsgemäß haftpflichtversichert (§§ 59 ff KFG) sind (§ 36 lit. d KFG).

Aus § 37 KFG ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrzeug zum Verkehr zuzulassen ist. Für den konkreten Fall folgt daraus, daß das in Rede stehende Motorfahrrad nur dann zuzulassen ist, wenn (§ 37 Abs. 2 KFG)

1.

der rechtmäßige Fahrzeugbesitz glaubhaft gemacht wird,

2.

der Zulassungswerber seinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet hat (§ 37 Abs. 2 erster Halbsatz KFG) und nachstehende Nachweise erbracht werden:

              a)              der Typenschein oder der Einzelgenehmigungsbescheid (§ 37 Abs. 2 lit. a KFG),

              b)              eine Versicherungsbestätigung für das Fahrzeug (§ 37 Abs. 2 lit. b KFG) über den aufrechten Bestand der vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung,

              c)              das letzte für das Fahrzeug ausgestellte Gutachten gemäß § 57 a Abs. 4 KFG, sofern bereits eine wiederkehrende Begutachtung fällig geworden ist - § 37 Abs. 2 lit. h KFG; ist das Gutachten bereits abgelaufen (Verstreichen der Toleranzfrist), so ist ein neues Gutachten auf Grund eines Verfahrens gemäß § 57 a Abs. 9 KFG zu erstellen.

Nach insoweit seit geraumer Zeit gefestigter Judikatur zählen der aufrechte Bestand einer Haftpflichtversicherung (§ 37 Abs. 2 lit. b KFG) und die (nachgewiesene) Verkehrs- und Betriebssicherheit (§ 37 Abs. 2 lit. h KFG) zu jenen materiellen Zulassungsvoraussetzungen, bei deren Fehlen die Verwendung eines (nicht zugelassenen) Fahrzeugs auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unter Anbringung für ein anderes Kraftfahrzeug ausgegebener Kennzeichen als Täuschung nach § 108 StGB zu beurteilen ist (vgl. EvBl. 1976/290; ZVR 1978/65; SSt. 54/43; 13 Os 56/87 = ÖJZ-LSK 1987/71). Auch das Erfordernis rechtmäßigen Fahrzeugbesitzes hat in der Rechtsprechung zu § 108 StGB als materielle Zulassungsvoraussetzung ebenso Niederschlag gefunden (ZVR 1978/97; 12 Os 160/80), wie die Ermittelbarkeit des jeweiligen Fahrzeuglenkers als vom Schutzzweck der Zulassungs- und Kennzeichenvorschriften umfaßtes Kriterium (12 Os 160/80; vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2 § 108 RN 9 ff).

Da nach herrschender Judikatur bei Kennzeichenmanipulationen der verfahrensgegenständlichen Art die Schädigung eines konkreten staatlichen Rechtes iS § 108 StGB nicht in Betracht kommt, wenn das mit fremden Kennzeichen benützte Fahrzeug die Zulassungsvoraussetzungen der Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie des aufrechten Bestands einer Haftpflichtversicherung erfüllt (das Fehlen einer dieser beiden Voraussetzungen zieht obligatorisch die Aufhebung der Zulassung nach sich - § 44 Abs. 1 lit. a, lit. b und lit. c KFG), andererseits die aktenkundigen Verfahrensergebnisse keinen Anhaltspunkt dafür erkennen lassen, daß das Vorliegen der materiellen Zulassungsvoraussetzungen im konkreten Fall überhaupt geprüft wurde, wirkt sich das Fehlen entsprechender Tatsachenfeststellungen zum Nachteil des Angeklagten aus. Daß in der Urteilsbegründung (unter zutreffender Berufung auf die diesbezüglich wie dargelegt gefestigte Judikatur) der aufrechte Bestand einer Haftpflichtversicherung grundsätzlich als eine wesentliche materielle Zulassungsvoraussetzung klargestellt wird (Blatt 2 vs der Urteilsausfertigung), stellt keinen Ersatz für fehlende fallbezogene Konstatierungen dar. In dieser Hinsicht bedarf es daher der Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz, weshalb ohne Erörterung des - mit der Behauptung von Feststellungsmängeln zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen nach § 108 StGB wesentliche Teile der Urteilsbegründung vernachlässigenden - Beschwerdevorbringens nach Anhörung der Generalprokuratur wie im Spruch zu erkennen war.

Anmerkung

E12450

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00144.87.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19871119_OGH0002_0120OS00144_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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