TE OGH 1987/11/19 12Os166/86

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Veröffentlicht am 19.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Michael K*** wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 24. September 1987, GZ 1 c Vr 107/85-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten und des Verteidigers, Mag. Martin, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Michael K*** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 27.Oktober 1984 in Wien versucht, den Staat in seinem Recht auf Ausschluß nicht ordnungsgemäß ausgestatteter Fahrzeuge vom Verkehr dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß er in sein Kleinmotorrad Marke "Vespa 50 S" anstelle des Originalzylinders einen solchen mit einem Hubraum von 102 ccm einbaute und Beamte der Straßenaufsicht durch Täuschung über die von ihm vorgenommene Zylindermanipulation zur Duldung des Fahrens mit einem solchen Fahrzeug zu verleiten suchte, und er habe hiedurch das Vergehen der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zur Tatzeit jugendliche Michael K*** - nachdem er im ersten Rechtsgang wegen Vergehens der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 225 Abs. 1 StGB verurteilt worden war - nunmehr im zweiten Rechtsgang (nach Modifizierung der Anklage durch den öffentlichen Ankläger; s S 144) wegen des im Spruch beschriebenen Verhaltens des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 (Abs. 1) StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß der vom Angeklagten gegen diesen Schuldspruch aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs. 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil mit einer von keiner Seite gerügten, dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden materiellen Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) behaftet ist, die gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.

Das Erstgericht erblickte die für den Tatbestand der Täuschung essentielle Schädigung eines anderen in seinen Rechten darin, daß der Angeklagte, indem er nach dem Einbau eines Zylinders mit einem Hubraum von 102 ccm anstelle des Originalzylinders (mit einem Hubraum von 50 ccm) in sein Kleinmotorrad dieses weiterhin als solches auf Straßen mit öffentlichem Verkehr benützte, den Staat "in seinem Recht auf Ausschluß nicht ordnungsgemäß ausgestatteter Fahrzeuge vom Verkehr" zu schädigen versuchte (S 146, 149 und 153 f). Wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hervorhebt, gibt es ein derartiges (konkretes) Recht des Staates weder nach dem Kraftfahrgesetz noch nach einer anderen Rechtsvorschrift. In Betracht käme vielmehr im gegebenen Sachzusammenhang nur eine Schädigung des (konkreten) Rechts des Staates, Kraftfahrzeuge, die entweder überhaupt nicht zugelassen sind oder die die Zulassungsvoraussetzungen (entsprechend der Einteilung der Kraftfahrzeuge gemäß § 3 Abs. 1 KFG) nicht mehr erfüllen, von der Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr auszuschließen. Eine Schädigung dieses Rechts lag aber im vorliegenden Fall nicht vor:

Kleinmotorräder sind Motorräder im Sinne des § 2 Z 15 KFG, deren Antriebsmotor, wenn er ein Hubkolbenmotor ist, einen Hubraum von nicht mehr als 50 ccm hat (§ 2 Z 15a KFG; eingefügt durch Art I Z 9 der 4.KFGNov BGBl 1977/615). Anders als Motorfahrräder (§ 2 Z 14 KFG), für welche nicht nur eine Hubraumbeschränkung (bis 50 ccm), sondern auch eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung (mit 40 km/h) gilt und die gemä § 3 Abs. 1 Z 1 lit a KFG eine eigene Untergruppe der Krafträder darstellen, gilt für Kleinmotorräder keine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung; auch bilden derartige Fahrzeuge keine eigene Untergruppe der Krafträder (§ 3 Abs. 1 Z 1 KFG), sie sind vielmehr eine Sonderform der Motorräder und fallen demnach in deren Untergruppe (§ 3 Abs. 1 Z 1 lit b KFG; vgl hiezu auch Anm 19a in Grubmann KFG3 zu § 2). Für Kleinmotorräder gelten allerdings insoweit von den für Motorräder geltenden Vorschriften abweichende Regelungen, als insbesondere Personen, die das 16.Lebensjahr vollendet und das 18.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine bis zur Vollendung des 18.Lebensjahres auf Kleinmotorräder beschränkte Lenkerberechtigung für die Gruppe A erteilt werden darf, sofern diese Personen die zum Lenken solcher Fahrzeuge erforderliche geistige und körperliche Reife besitzen (§ 64 Abs. 4 erster Satz KFG idF des Art I Z 170 der 4.KFGNov); weiters bilden sie nach dem Tarif für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung eine eigene Untergruppe in der Hauptgruppe I Krafträder (Untergruppe 2), deren Prämiensatz höher ist als die für sonstige Motorräder (Untergruppe 3) mit einem Hubraum bis 125 ccm vorgeschriebene Prämie (vgl Grubmann VersVG2 408; Dittrich-Veit Straßenverkehrsrecht VersTarifV 8). Für die Zulassung eines Kleinmotorrades gelten die allgemeinen Vorschriften über die Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr (§§ 36 ff KFG), mithin insbesondere, worauf es hier ankommt, auch die Vorschriften über die Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Abmeldung seines Fahrzeuges (§ 43 Abs. 4 KFG) und über die obligatorische Aufhebung der Zulassung durch die Zulassungsbehörde (§ 44 Abs. 1 KFG). Durch den Austausch des Zylinders entstand keine Verpflichtung des Angeklagten zur Abmeldung des Fahrzeuges; eine solche besteht nämlich nur, wenn das Fahrzeug nicht mehr zur Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr bestimmt ist, oder der Zulassungsbesitzer den dauernden Standort in den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Behörde verlegt hat, oder er nicht mehr rechtmäßiger Fahrzeugbesitzer ist, oder die vorgeschriebene Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug nicht besteht, beendet ist oder ihre Versicherungssummen die vorgeschriebenen Mindestsummen (§ 59 Abs. 3 KFG) nicht erreichen (§ 43 Abs. 4 lit a bis d KFG). Aus dem Akt ergibt sich kein Hinweis darauf, daß das verfahrensgegenständliche Kleinmotorrad (als solches) im Tatzeitpunkt nicht haftpflichtversichert gewesen wäre. Auch scheidet eine zur Leistungsfreiheit des Versicherers führende Obliegenheitsverletzung im Sinne des Art 6 Abs. 1 lit b der zur Tatzeit geltenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (AKHB 1967 BGBl 1967/401 in der zuletzt geltenden Fassung) aus, zumal Art 16 AKHB 1967 nur Motorfahrräder (nicht aber Kleinmotorräder) betrifft und im übrigen für Kleinmotorräder - wie bereits erwähnt - eine höhere Prämie als für Motorräder mit einem Hubraum von 125 ccm vorgeschrieben ist, sodaß durch die erfolgte Verwendungsänderung ein niedrigerer Prämiensatz zur Anwendung kam.

Es fehlte vorliegend aber auch den Voraussetzungen für eine (bescheidmäßige) obligatorische Aufhebung der Zulassung durch die Behörde. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn sich das Fahrzeug nicht in verkehrs- und betriebssicherem Zustand befindet und nicht glaubhaft gemacht wird, daß es erst nach Behebung dieses Zustandes weiter auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet wird, oder der Versicherer die Nichtzahlung der Versicherungsprämien bzw die Beendigung des Versicherungsverhältnisses angezeigt hat, oder der Typenschein oder Einzelgenehmigungsbescheid seine Gültigkeit verloren hat (§ 44 Abs. 1 lit a bis d KFG). Aus dem im Akt erliegenden (und als Urteilsgrundlage verwerteten; s S 147) Gutachten der Bundesprüfanstalt für Kraftfahrzeuge vom 6. Dezember 1984 (S 127) ergibt sich, daß das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am genannten Tag den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprochen hat. Anhaltspunkte dafür, daß dies rund sechs Wochen zuvor (nämlich am Tattag) nicht der Fall gewesen sein könnte, sind nicht aktenkundig. Ebensowenig sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Haftpflichtversicherer eine der Anzeigen (nach § 61 Abs. 3 oder 4 KFG) erstattet hat. Schließlich gilt der Zulassungsaufhebungsgrund des § 44 Abs. 1 lit d (Ungültigwerden des Typenscheins oder Einzelgenehmigungsbescheides) nicht für den Fall der Genehmigung von Änderungen wesentlicher technischer Merkmale des Fahrzeuges, wie sie vorliegend recte einzuholen gewesen wäre (§ 33 Abs. 2 KFG).

Somit konnte der Angeklagte durch das inkriminierte Tatverhalten das konkrete Recht des Staates auf Ausschluß von Kraftfahrzeugen von der Benützung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, die den Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr entsprechen bzw abzumelden sind, nicht schädigen. Daß er die durch den Einbau eines Zylinders mit einem Hubraum von 102 ccm erfolgte Änderung eines wesentlichen technischen Merkmals der Type, der sein Fahrzeug angehört, nicht gemäß § 33 Abs. 2 KFG genehmigen ließ, stellt keinen Grund für eine obligatorisch vorgeschriebene Aufhebung der Zulassung dar; der Verstoß ist daher lediglich verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden. Der Angeklagte konnte nach Lage des Falles aber auch nicht das aus den Bestimmungen des § 58 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 57 Abs. 8 KFG folgende konkrete Recht des Staates schädigen, Fahrzeuge, deren weitere Verwendung die Verkehrssicherheit gefährdet, bei Gefahr im Verzug sofort von der weiteren Verwendung (durch unverzügliche Abnahme des Zulassungsscheines und der Kennzeichentafeln) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr auszuschließen. Denn nach dem bereits Gesagten fehlt es an Anhaltspunkten, daß das verfahrensgegenständliche Fahrzeug im Tatzeitpunkt (infolge des Einbaues eines anderen Zylinders oder sonst) nicht verkehrssicher gewesen wäre.

Daß der Angeklagte schließlich bei seiner Anhaltung gegenüber den Polizeibeamten den Anschein erweckte, ein Kleinmotorrad zu lenken, wozu er berechtigt war, wiewohl er in Wahrheit ein Motorrad lenkte, wozu er infolge der auf Kleinmotorräder eingeschränkten Lenkerberechtigung (§ 64 Abs. 4 erster Satz KFG) nicht befugt war, sodaß ihm insoweit die Bestrafung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung (§ 64 Abs. 1 erster Halbsatz KFG) sowie die Sanktion nach § 102 Abs. 12 lit f (erster Fall) KFG (Hinderung an der Weiterfahrt) drohte, könnte nur dann eine (versuchte) Schädigung eines konkreten Rechts des Staates darstellen (und damit den Tatbestand der versuchten Täuschung verwirklichen), wenn es ihm nicht bloß darum gegangen ist, den in Rede stehenden verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen zu entgehen, mithin lediglich das staatliche ius puniendi zu verletzen, sondern seine Absicht darüber hinaus darauf gerichtet war, das Recht des Staates, Personen ohne Lenkerberechtigung vom Lenken von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr auszuschließen, an sich zu schädigen (vgl 9 Os 6/85; 10 Os 81/84 = EvBl 1985/123). Die Verfahrensergebnisse (beider Rechtsgänge) bieten für letztere Annahme keine hinreichenden Anhaltspunkte und es ist auch nicht anzunehmen, daß diesbezüglich in einem weiteren Rechtsgang hinreichende Konstatierungen getroffen werden könnten. Schon aus den dargelegten Erwägungen erweist sich somit das Urteil als gemäß § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO nichtig, ohne daß noch auf die von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme weiters aufgeworfene Frage, worin vorliegend die Täuschungshandlung bestanden hat, eingegangen zu werden braucht.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO war daher spruchgemäß zu erkennen. Der Angeklagte war mit seinen Rechtsmitteln auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E12454

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00166.86.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19871119_OGH0002_0120OS00166_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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