TE OGH 1987/11/30 10ObS93/87

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Veröffentlicht am 30.11.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Johann Reiterer und Mag.Robert Renner in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann S***, Pensionist, 9061 Wölfnitz, St. Martin Nr.4, vertreten durch Dr.Wilhelm Watzke, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1092 Wien, Roßauerlände 3 (Landesstelle Graz), diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Juni 1987, GZ 7 Rs 1049/87-34, womit das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Kärnten in Klagenfurt vom 17.Juli 1986, 8 C 88/86-29 (34 Cgs 143/87 des Landesgerichtes Klagenfurt) infolge Berufung der klagenden Partei aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß er zu lauten hat:

"Die Berufung wird, soweit sie sich gegen die mit Bescheid der beklagten Partei vom 3.7.1985 verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens richtet, zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Berufung Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Landesgericht Klagenfurt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen."

Der Kläger hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 4.11.1980 gewährte die beklagte Partei dem Kläger gemäß § 253 b ASVG die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Mit Bescheid vom 3.7.1985 verfügte sie die Wiederaufnahme des Verfahrens über seinen Anspruch auf vorzeitige Alterspension, hob den Bescheid vom 4.11.1980 auf und sprach aus, daß sein Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer abgelehnt wird. Diesen Bescheid begründete die beklagte Partei damit, daß der Kläger schon am Stichtag und auch später selbständig erwerbstätig gewesen sei und aus dieser Tätigkeit entgegen seinen Angaben im Zuerkennungsverfahren ein Einkommen bezogen habe, das über dem nach § 253 b Abs 1 lit d ASVG nicht zu berücksichtigenden Betrag gelegen sei. Infolge der Vorlage der Einkommenssteuerbescheide seien nunmehr neue Beweismittel hervorgekommen, die einem im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeiführten, weshalb das Verfahren gemäß § 357 ASVG iVm § 69 Abs 1 lit b und Abs 3 AVG wieder aufzunehmen sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage, in der er sowohl die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch die Ablehnung seines Antrags auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bekämpft. Eine Abschrift der Klage wurde dem Landeshauptmann für Kärnten vorgelegt, der mit Bescheid vom 12.2.1986 den Einspruch des Klägers (gegen die mit Bescheid vom 3.7.1985) verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens) im wesentlichen mit der Begründung zurückwies, daß gemäß § 70 Abs 3 AVG gegen die Verfügung der Wiederaufnahme eine abgesonderte Berufung nicht zulässig sei. Der Kläger brachte gegen den Bescheid des Landeshauptmannes weder beim Verfassungs- noch beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab 2.7.1980 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu bezahlen, ab.

In seiner gegen das Urteil des Erstgerichtes eingebrachten Berufung bekämpfte der Kläger ausdrücklich sowohl die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch die Abweisung seines Klagebegehrens. Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge und hob das angefochtene Urteil mit Rechtskraftvorbehalt auf. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei eine Verwaltungssache gemäß 355 ASVG. Wegen in der Bundesverfassung festgelegten strengen Trennung von Justiz und Verwaltung könne der Bescheid, der über die Wiederaufnahme erging, von den Gerichten nicht überprüft werden. Infolge der somit rechtskräftig gewordenen Wiederaufnahme des Verfahrens sei der Bescheid, durch den das Verfahren seinerzeit abgeschlossen wurde, aus der Rechtsordnung beseitigt worden. Das Verfahren des Erstgerichtes sei jedoch mangelhaft geblieben, weil es trotz eines entsprechenden Beweisantrages einen Zeugen nicht vernommen habe, weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben werden müsse. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Die beklagte Partei erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Mit dem Rekurs werden nur die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Wiederaufnahme des Verfahrens bekämpft, weshalb auch nur hiezu Stellung zu nehmen ist.

Nach nunmehr einhelliger Auffassung ist die Entscheidung über die Wiederaufnahme eines Verfahrens auch dann eine Verwaltungssache im Sinn des § 255 ASVG, wenn es sich bei dem hievon betroffenen Verfahren um eine Leistungssache handelt (Mayer in ZAS 1977, 109 f; Gründler in ZAS 1980, 129; Fasching in Tomandl, System 3.ErgLfg 728/6 FN 7; VfSlg 4998/1965; VwGHSlg 9551 A/1978 sowie SVSlg. 28.264; vgl. SVSlg. 28.262 und 28.263; Oberlandesgericht Wien SSV 23/76, 23/110 ua). Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Auffassung an.

Handelt es sich bei der Wiederaufnahme des Verfahrens aber um eine Verwaltungssache, so sind die Gerichte nicht befugt, hierüber zu entscheiden (vgl. den hier anzuwendenden § 371 ASVG und nunmehr § 65 ASGG; ferner Oberndorfer in Tomandl, System 3.ErgLfg 663 sowie Fasching aaO 3.ErgLfg 710 FN 1).

Der Kläger wendet im Rekurs gegen diese Rechtsansicht ein, sie führe dazu, daß er die Wiederaufnahme des Verfahrens im Hinblick auf die damals noch herrschende Rechtsprechung des VwGH nicht bekämpfen könne. Selbst wenn dies zuträfe, könnte daraus nicht abgeleitet werden, daß die geltenden Vorschriften anders auszulegen sind, weil es dem Gesetzgeber überlassen ist, inwieweit er die Überprüfung der Entscheidung einer Behörde zuläßt. Der Kläger übersieht außerdem, daß der VwGH jedenfalls seit dem Erkenntnis vom 2.5.1978 Slg. 9551 A/1978 in ständiger Rechtsprechung die Meinung vertritt, der Bescheid eines Sozialversicherungsträgers, mit dem in einer Leistungssache die Wiederaufnahme verfügt wird, könne mit einem Einspruch an den Landeshauptmann bekämpft werden (so noch SVSlg. 28.262 bis 28.264 ua). Es ist daher nicht richtig, daß der Bescheid des Landeshauptmanns von Kärnten der damaligen Rechtsprechung des VwGH entsprach.

Das Berufungsgericht erkannte also zutreffend, daß den Gerichten die Überprüfung jenes Teiles des Bescheides der beklagten Partei, mit dem sie die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügte, verwehrt ist. Es übersah jedoch, daß mit der Berufung nicht nur das Ersturteil, in dem ein Ausspruch über die Wiederaufnahme nicht enthalten ist, sondern auch der die Wiederaufnahme verfügende Teil des Bescheides der beklagten Partei bekämpft wurde, wobei der Kläger anscheinend davon ausging, daß er nunmehr die Berufung, die gemäß § 70 Abs 3 AVG abgesondert nicht zulässig ist, einbringen könne. Dem steht jedoch entgegen, daß es sich um eine nicht den Gerichten zugewiesene Angelegenheit handelt. Die Berufung ist daher insoweit unzulässig und hätte vom Berufungsgericht im Spruch seiner Entscheidung zurückgewiesen werden müssen. Da der Begründung der Entscheidung eindeutig zu entnehmen ist, daß das Berufungsgericht die Berufung im angeführten Umfang ebenfalls als unzulässig ansah, konnte der Oberste Gerichtshof aus Anlaß des Rekurses den entsprechenden Ausspruch zur Verdeutlichung nachholen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Rekurs, in dem nur dieser Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes bekämpft wird, nicht berechtigt ist.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Anmerkung

E12661

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:010OBS00093.87.1130.000

Dokumentnummer

JJT_19871130_OGH0002_010OBS00093_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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