TE OGH 1987/12/2 9ObS26/87

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Veröffentlicht am 02.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka und Dr. Dietmar Strimitzer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter S***, Huben, Kienburg 16, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** DER B***, Wien 3., Ghegastraße 1,

vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Juli 1987, GZ 5 Rs 1080/87-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5. Mai 1987, GZ 47 Cgs 1008/87-10, teils abgeändert, teils bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß der Revision wird das angefochtene Urteil, das Verfahren des Berufungsgerichtes sowie die Entscheidung des Erstgerichtes und das dieser vorangegangene Verfahren ab Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung im angefochtenen Umfang (hinsichtlich eines Begehrens des Klägers auf Gewährung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 100 v.H. der Vollrente ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 228.832 S für die Zeit vom 24. Mai 1986 bis 30. Juni 1986 sowie einer solchen im Ausmaß von 40 v. H. der Vollrente ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 183.198 S ab 1. Juli 1986) als nichtig aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am 28. April 1926 geborene Kläger betrieb neben seiner Landwirtschaft bis 31. Dezember 1983 das Holzhandelsgewerbe als gebundenes Gewerbe mit dem Standort in Huben. Bis 31. Dezember 1985 übte er das konzessionierte Gewerbe zur gewerbsmäßigen Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen sowie ein Sägewerksgewerbe aus. Im Rahmen dieses Gewerbes war der Kläger vom 8. März 1960 bis 31. Dezember 1985 bei der beklagten Partei im Sinn des § 20 Abs. 1 ASVG höherversichert. Aufgrund des Bescheides der Sozialversicherungsanstalt für gewerbliche Wirtschaft vom 3. Juni 1986 bezieht der Kläger ab 1. Mai 1986 die vorzeitige Alterspension.

Am 24. März 1986 erlitt der Kläger beim Schneiden der Obstbäume einen Arbeitsunfall. Er stürzte von einem Baum und zog sich neben einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule einen Bruch des ersten Lendenwirbelkörpers zu.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 1986 erkannte die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 24. März 1986 für die Zeit vom 24. Mai 1986 bis 30. Juni 1986 eine Versehrtenrente im Ausmaß der Vollrente ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 91.263 S und für den Zeitraum ab 1. Juli 1986 eine solche im Ausmaß von 40 v.H. der Vollrente ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 45.629 S zu.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei zur Leistung einer Versehrtenrente auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von 228.832 S im Ausmaß der Vollrente für die Zeit vom 24. Mai 1986 bis 30. Juni 1986 und im Ausmaß von 50 v.H. der Vollrente ab 1. Juli 1986 zu verpflichten.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Dem Senat des Erstgerichtes, das nur eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung durchführte, gehörte ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber und ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitnehmer an.

Das Berufungsgericht, das in der Senatsbesetzung mit zwei fachkundigen Laienrichtern aus dem Kreis der Arbeitgeber entschied, gab der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung teilweise Folge und verpflichtete die beklagte Partei zur Leistung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 14.383,80 S für die Zeit vom 24. Mai 1986 bis 30. Juni 1986 (ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. und einer Bemessungsgrundlage von

228.832 S) und zu einer solchen im Betrag von 3.489,50 S ab 1. Juli 1986 (ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. und einer Bemessungsgrundlage von 183.198 S. Das Mehrbegehren auf Gewährung der Versehrtenrente ab 1. Juli 1986 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 228.832 S im Ausmaß von 50 v.H. der Vollrente wies das Berufungsgericht ab. Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 12 Abs. 3 zweiter Halbsatz ASGG haben in Streitsachen nach dem BSVG alle fachkundigen Laienrichter - dazu gehören auch Rechtsstreitigkeiten über die Unfallversicherung (§ 1 BSVG) - dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören. Eine solche Rechtsstreitigkeit liegt hier vor. Eine unrichtige Senatsbesetzung ist ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs. 1 Z 2 ZPO (Kuderna, ASGG, 171; Feitzinger-Tades Anm. 4 zu § 37 ASGG). Im § 37 Abs. 1 ASGG wird bestimmt, daß dann, wenn in einer Arbeits- und Sozialrechtssache gegen die §§ 11 oder 12 Abs. 1 oder Abs. 3 zweiter Halbsatz verstoßen wurde, die Vorschrift des § 260 Abs. 4 ZPO sinngemäß anzuwenden ist, sofern die Parteien zur Zeit des Verstoßes durch qualifizierte Personen (§ 40 Abs. 1 ASGG) vertreten waren. Liegt eine qualifizierte Vertretung vor, so kann die unrichtige Senatsbesetzung nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sich beide Parteien in die mündliche Streitverhandlung eingelassen haben. Der Kläger war im Verfahren vor dem Erstgericht qualifiziert vertreten. Er hat den zur Vertretung befugten Angestellten der Landwirtschaftskammer für Tirol, Sektion Dienstgeber, Dr. B*** und OLWR Dr. Josef B*** Vollmacht erteilt und hat die Klage durch diese Vertreter eingebracht, die in der Folge auch noch einen vorbereitenden Schriftsatz erstatteten. In der mündlichen Streitverhandlung ist der Kläger jedoch allein erschienen. Für die Sanierung einer Nichtigkeit im Sinne des § 37 Abs. 1 ASGG (§ 260 Abs. 4 ZPO) ist es erforderlich, daß die qualifizierte Vertretung im Zeitpunkt des Verstoßes gegeben ist. Die qualifizierten Vertreter müssen also in der Tagsatzung anwesend sein. Das Erfordernis der Anwesenheit ergibt sich aus der Überlegung, daß ein im Akt bloß ausgewiesener, in der Verhandlung aber nicht anwesender Vertreter dem Schutzzweck der Norm nicht dienen könnte (Kuderna, ASGG, 174; Feitzinger-Tades, ASGG, Anm. 5 zu § 37 ASGG).

Das Erstgericht war damit in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nicht vorschriftsmäßig besetzt. Dieser Mangel der vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichtes hat, da eine Heilung nicht eintrat, eine Nichtigkeit nach § 477 Abs. 1 Z 2 ZPO zur Folge, die schon vom Berufungsgericht von Amts wegen aufzugreifen gewesen wäre. Da das Berufungsgericht diese Frage aber unerörtert gelassen hat (ähnlich 1 Ob 3/75; JBl. 1966, 430), mußte der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der nicht unzulässigen Revision die Urteile beider Vorinstanzen, soweit noch nicht Rechtskraft eingetreten war (der abweisende Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes blieb unbekämpft), sowie das diesem vorangegangene Verfahren ab Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung als nichtig aufgehoben werden.

Eine Kostenentscheidung entfiel, da Kosten nicht verzeichnet wurden.

Anmerkung

E13050

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBS00026.87.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19871202_OGH0002_009OBS00026_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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