TE OGH 1987/12/2 14Os138/87 (14Os139/87)

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Veröffentlicht am 02.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter K*** wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24. März 1987, GZ 8 U 2161/86-9, und des Landesgerichtes Innsbruck vom 5.Juni 1987, AZ Bl 215/87, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5.Juni 1987, Bl 215/87, verletzt in seiner Begründung die Bestimmung des § 133 Abs. 1 StGB.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 24.März 1987, GZ 8 U 2161/86-9, wurde der am 27.November 1958 geborene Peter K*** wegen Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 7.November 1986 in Innsbruck ein fremdes Gut, nämlich Benzin im Wert von 70 S, das er ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht hatte, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Nach den Urteilsfeststellungen füllte der Beschuldigte am 7.November 1986 bei einer Innsbrucker Tankstelle den Treibstofftank seines Personenkraftwagens mit Benzin im Wert von 70 S auf, wobei er zunächst die Absicht hatte, die Tankrechnung zu bezahlen. Als er sich zu diesem Zweck in den Kundenraum der Tankstelle begab, wies ihn der gerade ein Ferngespräch führende Tankwart an, etwas zu warten. Zu diesem Zeitpunkt faßte der Beschuldigte den Entschluß, die Rechnung nicht zu begleichen, um sich solcherart unrechtmäßig zu bereichern, und verließ daher ohne Bezahlung die Tankstelle. Erst am 1. Dezember 1986 - sohin nach der am 8.November 1986 vom Tankwart gegen unbekannte Täter, jedoch unter Angabe des Peter K*** zugewiesenen Kennzeichens, bei der Polizei erstatteten Betrugsanzeige - beglich der Beschuldigte die Rechnung. Rechtlich wertete das Bezirksgericht Innsbruck diesen Sachverhalt dahin, daß Peter K*** das Benzin zunächst nicht mit Zueignungsvorsatz, sondern mit "bloßem Gebrauchsvorsatz" weggenommen habe und die erst nachträgliche Zueignung dieser Sache zum Zwecke unrechtmäßiger Bereicherung daher - im Sinne des vom Bezirksanwalt in der Hauptverhandlung modifizierten Antrags auf Bestrafung (AS 30 oben) - als Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB zu beurteilen sei.

Der vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wegen Schuld und Strafe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Juni 1987, Bl 215/87, nicht Folge gegeben. In den Urteilsgründen vertrat das Berufungsgericht - von den Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichtes ausgehend - den Standpunkt, der Angeklagte wäre bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Vergehens der Veruntreuung schuldig zu erkennen gewesen, weil es sich bei der gegenständlichen Tankstelle um eine Selbstbedienungstankstelle gehandelt habe und das vom Angeklagten getankte Benzin ihm daher anvertraut gewesen sei; da sich der Subsumtionsfehler jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt habe, sei der Schuldspruch des Erstgerichtes wegen Vergehens nach § 134 Abs. 2 StGB zu bestätigen gewesen. Nach Ansicht der Generalprokuratur stehen beide Urteile mit dem Gesetz nicht im Einklang. Denn eine Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten nach § 134 Abs. 2 StGB komme deshalb nicht in Betracht, weil nach den Urteilsfeststellungen vom Willen des Angeklagten, das Benzin durch Abfüllen in den Tank seines Fahrzeuges in das eigene Vermögen zu überführen und sohin von einer - die Verwirklichung des genannten Tatbestandes ausschließenden - Wegnahme des Treibstoffs schon mit Zueignungsvorsatz auszugehen sei, wogegen - entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes - eine Tatbeurteilung nach § 133 Abs. 1 StGB deshalb ausscheide, weil Treibstoff, der in den Tank eines Kundenfahrzeuges gefüllt werde, dem Bezieher weder unter Auferlegung einer Rückstellungspflicht noch unter Vereinbarung einer Verwendung zur Wahrnehmung bestimmter sachbezogener Vermögensinteressen des Berechtigten überlassen, sondern - in Erwartung der (beim Barkauf) Zug um Zug erfolgenden Bezahlung des Kaufpreises - in sein freies Vermögen übertragen werde, wobei Vorbehaltseigentum des Verkäufers schon im Hinblick auf die Widmung des Treibstoffs zum alsbaldigen Verbrauch durch den Käufer nicht in Betracht komme. Wenn der Treibstoffkäufer - wie im vorliegenden Fall - erst nach Erlangung des Gewahrsams an der Ware den Entschluß gefaßt habe, die Gegenleistung zu verweigern und ihm daher auch Betrug durch Herauslockung der Ware nicht angelastet werden könne, falle ihm zwar eine Verletzung des von ihm (durch Vornahme oder Veranlassung des Auftankens) eingegangenen Kaufvertrages, nicht jedoch eine gerichtlich strafbare Handlung zur Last.

Den Beschwerdeausführungen in Ansehung der Begründung des Berufungsurteiles vermag der Senat durchaus beizupflichten und es war demnach die dem Landesgericht Innsbruck unterlaufene Gesetzesverletzung antragsgemäß festzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Hingegen kann - entgegen der Beschwerde - im Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 134 Abs. 2 StGB gefunden werden und es mußte mithin der Beschwerde insoweit ein Erfolg versagt bleiben. Dies aus folgenden Erwägungen:

Auszugehen ist nach Ansicht des Senates davon, daß die Worte "Ohne Zueignungsvorsatz" im § 134 Abs. 2 StGB im Zusammenhang mit dem ersten Absatz dieser Gesetzesstelle gelesen, nur dann sinnvoll sind, wenn man darunter nicht jedes auf "Zueignung" schlechthin gerichtete wertneutrale Vorhaben versteht, sondern den strafrechtlich relevanten Begriff des auf eine unwertbegründende Zueignung gerichteten Vorsatzes.

Hält man auf dieser Basis ferner hinzu, - daß der Beschuldigte durch das von ihm - entsprechend dem Wesen einer Selbstbedienungstankstelle - vorgenommene Einfüllen des Treibstoffes in den Tank seines (zunächst allerdings weiterhin im Tankstellenbereich bleibenden) Fahrzeuges jedenfalls Gewahrsam am Treibstoff erlangt hat, wobei seine Befugnis zum (verbrauchenden) Gebrauch desselben nach den Usancen des auf der Basis von Barzahlungsverkäufen abgewickelten Selbstbedienungshandels von der anläßlich der Bezahlung erfolgenden Freigabe (des Fahrzeuges und damit) der Ware durch den Verkäufer abhängig war, - daß er bei der Erlangung des Gewahrsams (noch) nicht den Vorsatz hatte, sich den Treibstoff auf eine strafgesetzlich verpönte Art zuzueignen, ihn also ohne die von der Leistung eines entsprechenden Äquivalents abhängige Zustimmung des Verkäufers aus dessen Vermögen in sein eigenes einzuverleiben, - daß er ferner den Treibstoff erst dadurch in objektiv erkennbarer Weise in sein unbeschränktes Vermögen überführte, daß er mit seinem Fahrzeug die Tankstelle verließ, wobei er in diesem Zeitpunkt sowohl mit einem darauf gerichteten (Zueignungs-)Vorsatz als auch mit Bereicherungstendenz handelte, - daß ein Anvertrauen im Sinn des § 133 StGB mangels einer vermögensrechtlichen Fürsorgepflicht des Tankenden nicht vorliegt, - daß ein Eigentumserwerb durch Übergabe mangels eines erweislichen, von einem Barzahlungsgeschäft losgelösten Eigentumsübertragungswillens (vgl §§ 428, 1063 ABGB; 3 Ob 43/86) nicht stattfand, - und daß ferner die Frage eines allfälligen Eigentumserwerbes (durch Vermengung) in diesem Zusammenhang nicht relevant ist (Leukauf-Steininger, Komm2 § 134 RN 3), dann liegen alle Tatbestandsmerkmale einer (Anschluß-) Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB vor und erweist sich mithin das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck als frei von Rechtsirrtum. Nur der Vollständigkeit halber sei dem beigefügt, daß auch die ratio der genannten Strafbestimmung für dieses Ergebnis spricht (subsidiärer Auffangtatbestand "mit begrenztem Radius": Kienapfel BT II § 134 Rz 76).

Anmerkung

E12487

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0140OS00138.87.1202.000

Dokumentnummer

JJT_19871202_OGH0002_0140OS00138_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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