TE OGH 1987/12/9 1Ob679/87

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Veröffentlicht am 09.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** DER Ö*** P*** AG, Wien 1.,Opernring 3-5,

vertreten durch Dr.Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann K***, Angestellter, Krems,

Mühlhofstraße 4/4/61, vertreten durch Dr.Ferdinand Weber und Dr.Hannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in Krems, wegen S 90.277,58 samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1987, GZ. 3 R 14/87-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 19. August 1986, GZ. 4 Cg 142/84-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.443,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer und S 1.200,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

An der Firma I*** FÜR V*** UND A***

Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden Firma I***) waren u.a. die

klagende B*** DER Ö*** P*** AG, die Firma

A*** K***-K*** T*** reg.Gen.mbH (im folgenden: Firma A***), die später mit der klagenden Partei fusioniert wurde,

und die E*** A*** V***-AG als Gesellschafter

beteiligt. Die Firma I*** bot unter Zugrundelegung der damals bestehenden Steuerbegünstigungen für Wertpapierankauf und Lebensversicherungsprämien Pläne auf Durchführung eines steuerbegünstigten Vermögensaufbaues und eines steuerbegünstigten Pensionsplanes an. Einer der von der Firma I*** angebotenen Vermögensaufbaupläne sah u.a. vor, daß der Bewerber über Auftrag der I*** bei der Firma A*** einen Kontokorrentkredit aufnimmt; mit diesem sollten steuerbegünstigte Wertpapiere angekauft werden, an denen die klagende Partei ein Lombarddarlehen einräumte. Der Beklagte wurde am 14.4.1977 von dem ihm persönlich bekannten Erich S*** geworben, an die Firma I*** einen Antrag auf Durchführung eines steuerbegünstigten Pensionsplanes zu stellen. Dieser Plan hatte eine Laufzeit von 19 Jahren. Die monatlichen Einzahlungen des Beklagten sollten S 1.000 betragen. Vorgesehen war der Abschluß einer Lebensversicherung in der Höhe von S 203.000, zur allfälligen Deckung der Lebensversicherungsprämien der Abschluß einer Unfallversicherung und der steuerbegünstigte Ankauf von Wertpapieren (für den Beklagten und Annemarie T***). Dem Antrag lagen Geschäftsbedingungen zugrunde, die im wesentlichen lauten:

"1.) Allgemeine Grundlagen: Die Berechnung des

Vermögensaufbauplanes erfolgt auf Grund der persönlichen Angaben des

Kunden. Das errechnete Ergebnis basiert auf den geltenden

steuerlichen Gegebenheiten und der derzeitigen

Kapitalmarktsituation. Die im Vermögensaufbauplan vorgesehene

Lebensversicherung wird mit der A*** G***, Direktion

für Österreich, abgeschlossen, die Unfallversicherung mit der E***

A*** V***-Aktiengesellschaft; die Wertpapierankäufe

erfolgen bei der Ö*** P***. Der Kunde nimmt zur

Kenntnis, daß im Rahmen des Vermögensaufbauplanes der Ankauf von

jährlich Nominale S 100.000 steuerbegünstigter Wertpapiere

angestrebt wird; darüber hinausgehende steuerbegünstigte

Wertpapierankäufe durch den Kunden sind gemäß § 107 EStG nicht

zulässig.... Die I*** ist erst mit der ausdrücklichen schriftlichen

Annahme eines diesbezüglichen Antrages des Kunden zur Durchführung

des Vermögensaufbauplanes verpflichtet. 2.) Konto und Depotführung:

Der Kunde eröffnet bei der Ö*** P*** ein

Lombardkreditkonto und ein Wertpapierdepot .... Dieses Konto und

Depot dient ausschließlich zur Abwicklung des Vermögensaufbauplanes.

Entnahmen aus Konto oder Depot sind nur in vorherigem Einvernehmen mit der I*** möglich. 3.) Verwaltung: Die I*** verwaltet Konto und Depot für den Kunden, veranlaßt die Bezahlung der Versicherungsprämien, Wertpapierankäufe aus Einzahlungen, Wiederveranlagungen etc. Zu diesem Zweck räumt der Kunde der I*** Zeichnungsrechte über Konto und Depot ein. Jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres erhält der Kunde eine Aufstellung über seinen Kontenstand, Depotwert und allfällige Zwischenkredite bzw. sonstige Werte wie insbesondere Rückkaufswerte der abgeschlossenen Lebensversicherung .... Im Interesse des Kunden ist die I*** berechtigt, die Prämien für die abgeschlossene Lebens- und Unfallversicherung im vorhinein für das jeweils gesamte Versicherungsjahr durch Belastung des Kundenkontos zu entrichten.

4.)

Einzahlungen: Die vereinbarten Mindestzahlungen müssen bis zum

10.

des jeweils vereinbarten Fälligkeitsmonates bei sonstiger Gefährdung des Sparzieles und Versicherungsschutzes auf dem von der I*** bekanntgegebenen Konto des Kunden bei der Ö*** P*** eingegangen sein .... 8.) Steuergesetzgebung, Kapitalmarktverhältnisse: Sollten sich die Steuergesetze oder die Kapitalmarktverhältnisse derart ändern, daß die Weiterführung des Vermögensaufbauplanes nicht mehr sinnvoll oder möglich erscheint, wird die I*** dem Kunden Vorschläge zu einer bestmöglichen Realisierung oder Weiterführung des Vermögensaufbauplanes in geänderter Form unterbreiten, ist jedoch zu dessen weiteren Durchführung nicht verpflichtet. 9.) Beendigung des Planes: Der Vermögensaufbauplan endet durch .... c) vorzeitige Kündigung seitens des Kunden mit dreimonatiger Kündigungsfrist jeweils zu den Kalenderquartalsenden ...."

Ebenfalls am 14.4.1977 unterfertigte der Beklagte ein Ansuchen an die Firma A*** um die Gewährung eines Barkredites in der Höhe von S 300.000. Nach Punkt 3 dieses Antrages erteilte er für die Ausnutzung dieses Kredites der Firma I*** .... Kontovollmacht; eine Ausnützung war jedoch nur im Einvernehmen mit der E*** A*** V***-Aktiengesellschaft möglich. Zur Sicherung dieses Kredites bot der Beklagte u.a. die Verpfändung der Lebensversicherung des am selben Tag bei der A*** G*** abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages an. Er verpflichtete sich ausdrücklich, monatliche Mindesteinzahlungen und S 1.000 auf das Abwicklungskonto bei der Ö*** P*** zu

leisten. Nach Punkt 9 des Antrages ersuchte der Beklagte die Firma A***, alle Mitteilungen sein Kreditkonto betreffend dem Kontobevollmächtigten, der Firme I***, .... als Zustelladresse zu übersenden. Der Abschluß dieser Kreditvereinbarung würde von ihm nur angeboten. Die rechtswirksame Annahme sollte mit der erstmaligen Durchführung einer Buchung auf dem Kreditkonto erfolgen. Ebenfalls am 14.4.1977 stellte der Beklagte an die klagende Partei ein Anbot auf Gewährung eines Lombarddarlehens in der Höhe von 75 % des Kurswertes der dort in seinem Depot erliegenden belehnbaren Wertpapiere. Nach Punkt 5 dieses Antrages erteilte er für sein Darlehenskonto und die Verfügung über die in seinem Depot erliegenden Wertpapiere der Firma I*** ..... Konto- und Depotvollmacht. Er ersuchte die klagende Partei, alle Mitteilungen über seine Konten und Depots der Firma I*** als Zustelladresse zuzusenden. Weiters stellte der Beklagte Anträge auf Abschluß der vorgesehenen Lebensversicherung und der Unfallversicherung. Verfügungen auf dem Depotkonto 693.9743 der klagenden Partei (Lombarddarlehen) und dem Kreditkonto 890.6004 der Firma A*** (Kreditkonto) wurden in der Folge durch die Firma I*** (für die Anschaffung von Wertpapieren und die Zahlung der Versicherungsprämien) getroffen. Die im Kreditantrag und im steuerbegünstigten Vermögensplan vorgesehenen monatlichen Zahlungen von S 1.000 wurden vom Beklagten nicht geleistet. Der Beklagte erhielt weder von der Firma A*** noch von der klagenden Partei Geldbeträge zur freien Verfügung.

Im Jahre 1980 trat die Firma V***

V***-Gesellschaft mbH (im folgenden Firma VVB), die durch Fusion der Firma I*** mit dem Vermögensanlageberatungsunternehmen M*** entstanden war, an den Beklagten mit einer Zahlungserinnerung heran. Der Beklagte ersuchte mit Schreiben vom 9.6.1980, ihm eine Fotokopie des Vertrages zu übermitteln. Nach Erhalt dieser Fotokopie richtete der Beklagte an die Firma VVB am 16.6.1980 ein Schreiben nachstehenden Inhaltes:

"Ich kündige hiemit den zwischen der Firma I*** .... und mir abgeschlossenen Antrag auf Durchführung eines steuerbegünstigten Pensionsplanes (SPP) zum 30.September 1980 laut Punkt 9 c des mir übermittelten Antrages in Fotokopie. Ich ersuche Sie, diesbezüglich auch die Postsparkassa zu verständigen. Da keine Zwischen- und Vorfinanzierungen bestehen, betrachte ich hiemit diese Angelegenheit für abgeschlossen".

Die klagende Partei als Rechtsnachfolgerin der Firma A*** begehrt die Rückzahlung des zu Konto-Nr.890.6004 gewährten Kredites in der aushaftenden Höhe von S 90.277,58 samt Anhang. Der Beklagte habe im Rahmen der Aktion "Steuergewinnplan", der von der Firma I*** durchgeführt worden sei, eine Lebens- und Unfallversicherung abgeschlossen. Auf Grund der individuellen Einkommensverhältnisse des Beklagten sei unter Ausnützung der damals bestandenen Steuervorteile die Möglichkeit der Anschaffung von Wertpapieren errechnet worden. Der Beklagte habe zur Anschaffung steuerbegünstigter Wertpapiere und zur Bezahlung der Lebensversicherungsprämien einen Kontokorrentkredit in der Höhe von S 300.000 bei der Firma A*** aufgenommen. Dieser Kredit sei auch für diese Zwecke verwendet worden. Durch eine Änderung der Steuergesetzgebung sei die Abwicklung des Steuergewinnplanes nicht mehr möglich gewesen. Zur Abdeckung der Finanzierungserfordernisse des Sparplanes seien Zahlungen des Beklagten erforderlich geworden, die dieser trotz wiederholter Aufforderungen nicht geleistet habe. Die klagende Partei sei daher gemäß Punkt 7 der Kreditvereinbarung berechtigt, den gesamten aushaftenden Kreditbetrag fällig zu stellen. Da der Beklagte die monatlichen Beträge von S 1.000 nicht eingezahlt habe, habe er es sich selbst zuzuschreiben, daß nunmehr aufrechte Lebensversicherungen nicht mehr bestünden. Der Beklagte sei bei Abschluß des Vertrages nicht in Irrtum geführt worden, eine Irrtumsanfechtung wäre auch verfristet.

Der Beklagte bestritt die geltend gemachte Kreditforderung dem Grunde und der Höhe nach. Erich S*** habe bei der Anbahnung des Geschäftes als Erfüllungsgehilfe auch der klagenden Partei gehandelt. Erich S*** sei seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Der Beklagte sei von der klagenden Partei listig in Irrtum geführt worden, das Zustandekommen des Vertrages widerspreche den guten Sitten. Der Beklagte hätte den Vertrag nicht abgeschlossen, hätte er gewußt, welchen Umfang und welches Risiko der Vertrag mit sich bringen werde. Da die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei Gesellschafterin der Firma I*** gewesen sei, sollte auch sie durch den Vertrieb der Vermögenssparpläne profitieren. Die Firma I*** habe auschließlich die Ziele ihrer Gesellschafter verfolgt. Die klagende Partei bzw. deren Rechtsvorgängerin wären vor Abschluß der Verträge verpflichtet gewesen, den Beklagten auf die Möglichkeit der Änderung der Steuergesetzgebung und deren Folgen hinzuweisen. Die klagende Partei hätte wissen müssen, daß bei Beendigung der Vertragsverhältnisse Verluste für den Beklagten entstehen würden. In der (letzten) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3.12.1985 wendete der Beklagte weiters ein, es sei kein Vertragsverhältnis zustandegekommen, weil innerhalb einer angemessenen Frist ab Zugehen des Antrages Annahmeerklärungen ihm nicht zugekommen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest: Die Firma I*** habe an den Beklagten kein Annahmeschreiben gerichtet. Auch von der klagenden Partei habe der Beklagte zumindest bis zum Jahr 1980 weder eine Annahmeerklärung noch die Kreditbedingungen zugesandt erhalten. Der Beklagte habe von der Firma I*** daher auch kein Annahmeschreiben und bis zum Jahre 1980 auch keine sonstigen Schreiben, Unterlagen oder Zertifikate erhalten, so daß er der Meinung gewesen sei, mit den in den Auftragsformularen genannten Unternehmen, insbesondere mit der Firma I***, seien Verträge nicht zustande gekommen.

Das rechtsgültige Zustandekommen des Vertragsverhältnisses zwischen dem Beklagten und der Firma I*** sei zweifelsfrei Beweggrund und Endzweck der Kreditverträge gewesen. Solche könnten nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend zur Vertragsbedingung erhoben werden. Um eine konkludente Erhebung der Erwartung der Parteien zur Bedingung annehmen zu können, müsse diese Absicht durch das Verhalten der Parteien so eindeutig und klar zum Ausdruck gebracht werden, daß mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Daß der Kreditvertrag lediglich zur Durchführung des Vermögensplanes durch die Firma I*** dienen sollte und auch von allen Beteiligten als Bestandteil dieses Planes angesehen worden sei, gehe schon unzweifelhaft aus dem gemeinsamen Auftreten der Firma I*** und der Firma A*** gegenüber dem Beklagten hervor. überdies werde im Kreditantragsformular auf die Firma I*** Bezug genommen. Dieser werde Kontovollmacht erteilt, sämtliche Mitteilungen seien an sie zu senden. Durch dieses Verhalten sei sämtlichen Vertragsteilen eindeutig und klar erkennbar gewesen, daß die Kreditaufnahme von der Durchführung des Vermögensplanes abhängig gewesen sei und das Entstehen des Kreditvertrages vom gültigen Zustandekommen des Rechtsverhältnisses zwischen der Firma I*** und dem Beklagten abhängig sein sollte. Zwischen der Firma I*** und dem Beklagten sei aber kein Vertragsverhältnis begründet worden. Die Geschäftsbedingungen der Firma I*** bestimmten, daß die Firma I*** erst mit der ausdrücklichen schriftlichen Annahme des Anbotes des Kunden zur Durchführung des Vermögensplanes verpflichtet sein sollte. Da eine Annahmeerklärung der Firma I*** weder dem Beklagten zugegangen noch überhaupt erfolgt sei, sei zwischen der Firma I*** und dem Beklagten kein Vertragsverhältnis begründet worden. Selbst wenn laut Punkt 9 des Kreditantragformulares der Kreditvertrag bereits mit der erstmaligen Kreditkontobuchung abgeschlossen sein sollte, sei das Zustandekommen des Vertrages mit der Firma A*** zusätzlich noch durch das Entstehen eines gültigen Vertragsverhältnisses zwischen dem Beklagten und der Firma I*** bedingt gewesen. Da ein solches Vertragsverhältnis nicht eingegangen worden sei, sei auch zwischen dem Beklagten und der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei ein Vertragsverhältnis nicht wirksam begründet worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Die Revision erklärte es für zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Die Firma A*** habe dem Beklagten den Kredit im Rahmen des von der Firma I*** propagierten Vermögensaufbauplanes gewährt. Dieser Zusammenhang sei schon aus der Gestaltung der Antragsformulare ersichtlich. Wegen der dadurch gegebenen wirtschaftlichen Einheit aller Verträge stelle das Bestehen des zwischen dem Beklagten und der Firma I*** abgeschlossenen Vertrages die Geschäftsgrundlage für den Abschluß des Kreditvertrages dar. Wenn die Parteien die Umstände als so sicher angenommen haben, daß niemand an die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Regelung gedacht habe, dann seien diese Umstände als beiderseitig vorausgesetzte Geschäftsgrundlage beachtlich. Im vorliegenden Fall sei der Kreditvertrag nur zwecks Erfüllung des vom Beklagten unter Beratung der Firma I*** durchzuführenden Vermögensaufbauplanes abgeschlossen worden. Die Interessenlage sei ähnlich wie beim drittfinanzierten Kauf, bei dem das aufrechte Bestehen des Kaufvertrages ebenfalls als Geschäftsgrundlage für die Wirksamkeit des Kreditvertrages angesehen werde. Daraus folge, daß der Kreditvertrag zwar abgeschlossen worden sei, weil der Offerent wirksam auf eine Annahmeerklärung verzichten könne, aber deshalb keine Rechtswirkungen habe entfalten können, weil es von Anfang an an der Geschäftsgrundlage gefehlt habe. Die Firma I*** habe zwar wohl innerhalb angemessener Frist dem Antrag des Beklagten tatsächlich entsprochen, für diesen Fall sehe aber § 864 ABGB das Zustandekommen eines Vertrages nur dann vor, wenn eine ausdrückliche Erklärung der Annahme nach der Natur des Geschäftes oder der Verkehrssitte nicht zu erwarten gewesen sei. Hier hätten die Streitteile aber ausdrücklich das Erfordernis der schriftlichen Annahme vereinbart. Aus diesem Grunde komme auch die von der klagenden Partei angestrebte Anwendung des § 362 HGB nicht in Frage. Der Ansicht der klagenden Partei, durch die Ausführung des der Firma I*** vom Beklagten erteilten Auftrages sei mit dieser konkludent ein Vertrag abgeschlossen worden, könne nicht beigepflichtet werden, weil der Beklagte von der Tätigkeit der Firma I*** keine Kenntnis gehabt habe, weshalb sein Schweigen nicht als Zustimmung gewertet werden könne. Sobald er aber Kenntnis erlangt habe, habe er ein weiteres Tätigwerden der Firma I*** für ihn nicht geduldet. Es sei richtig, daß der Beklagte der Firma I*** Kontovollmacht erteilt habe, so daß diese berechtigt gewesen sei, im Namen und auf Rechnung des Beklagten Vermögenstransaktionen durchzuführen. Dies ändere aber nichts daran, daß der Vertrag über den Vermögensaufbau bzw. Pensionsplan, in dessen Rahmen die Firma I*** den Beklagten beraten und für ihn gewisse Tätigkeiten entfalten sollte, nicht zustande kommen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. In ihrer Rechtsrüge vertritt die klagende Partei den Standpunkt, der vom Beklagten gestellte Antrag an die Firma I*** auf Durchführung eines steuerbegünstigten Pensionsplanes sei auf Grund des Stillschweigens der Firma I*** nach § 362 HGB oder kraft deren konkludenten Verhaltens angenommen worden, so daß sich die Frage nach dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht stelle. Durch die erfolgte Aufkündigung sei der Beklagte selbst davon ausgegangen, daß zwischen ihm und der Firma I*** ein Vertragsverhältnis bestanden habe.

Nach § 362 HGB gilt Schweigen des Kaufmannes, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, auf einen Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte als Annahme des Antrages, wenn er mit dem Antragsteller in Geschäftsverbindung steht oder wenn er sich dem Antragsteller gegenüber zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat. Die Firma I*** war ein Kaufmann, der Geschäfte im Sinne des § 362 HGB besorgte. Von ihr ging durch Erich S*** auch die Aufforderung an den Beklagten zur Antragstellung aus. Der Antragsteller selbst muß nicht Kaufmann sein (Canaris in Großkommentar HGB3 III/2 Rz 4 zu § 362; Heymann-Kötter, HGB21 769; Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 5 zu § 362). Auch der Antragstellende ist an einen durch Schweigen zustande gekommenen Vertrag gebunden (Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 III 32; Hopt, Nichtvertragliche Haftung, AcP 183, 688). § 362 HGB ist aber eine dispositive Vorschrift. Sie war entgegen der Auffassung der Revision durch die Firma I*** in Punkt 1 Abs 4 der dem Antrag zugrunde liegenden, von ihr entworfenen Geschäftsbedingungen mit nicht mißzuverstehender und nach den Umständen (Antragsentgegennahme durch einen Vertreter) auch zu erwartender Deutlichkeit abbedungen worden. Nach dieser Bestimmung sollte die Firma I*** erst nach einer ausdrücklichen schriftlichen Annahme des Antrages zur Durchführung des Vermögensaufbauplanes verpflichtet sein. Dies konnte nur bedeuten, daß sie bloßes Schweigen als Rechtsschein der Annahme ausschließen wollte. Schwieg sie zum Antrag und gab sie keine schriftliche Annahmeerklärung ab, war demnach eine vertragliche Bindung für keine Seite eingetreten.

Mußte der Antrag aber in schriftlicher Form angenommen werden, blieb

für eine Annahme durch Erfüllungshandlung (§ 864 ABGB) kein Raum

mehr. Eine solche Erklärung ist eine Formvorschrift, die dem

Interesse beider Teile dient. Um trotz unterlassener ausdrücklicher

Annahmeerklärung das Zustandekommen des Vertrages annehmen zu

können, bedürfte es neben der Erfüllungshandlung eines zusätzlichen

Verhaltens der Parteien, aus dem sich unmißverständlich ergeben

hätte, daß sie den Vertrag dennoch als zustande gekommen ansehen

wollten (SZ 55/134). Ein solches Verhalten wurde weder behauptet

noch festgestellt. Die Unterstellung der Revision, es wäre Sache des Beklagten gewesen, sich selbst über das tatsächliche Zustandekommen der Verträge zu vergewissern macht vielmehr die Unhaltbarkeit ihrer Rechtsauffassung deutlich.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt erhielt der Beklagte weder die im Antrag zur Einzahlung vorgesehenen Erlagscheine noch sonst eine Verständigung, daß die Firma I*** Verfügungen im Sinne des gestellten Antrages treffen werde oder schon getroffen habe. Der erste Kontakt mit dem Beklagten wurde erst durch ein Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Firma I***, der Firma VVB, im April 1980 hergestellt. Diese Zahlungserinnerung nahm der Beklagte zum Anlaß, den Antrag aufzukündigen. Der Beklagte bezog sich zwar in der Aufkündigung des Antrages auf Punkt 9 lit c der Geschäftsbedingungen, wonach der Vermögensaufbauplan durch vorzeitige Kündigung seitens des Kunden mit dreimonatiger Kündigungsfrist jeweils zu den Kalenderquartalsenden endet, und damit auf eine Bestimmung, die nur für einen geltenden Vertrag gelten soll; aus der Verwendung des Wortes "Antrag", dem Hinweis, er betrachte die Angelegenheit - natürlich ohne alle Zahlungen oder Zahlungspflichten - für abgeschlossen, und dem Verhalten der Firma I*** mußte aber für die Firma VVB als Rechtsnachfolgerin der Firma I*** klar erkennbar sein, daß der Beklagte den Standpunkt vertrat, der von ihm gestellte Antrag sei noch nicht angenommen und könne von ihm (zumindest im Hinblick auf den Zeitablauf rechtswirksam widerrufen werden. Die Firma VVB hat dieser Ansicht des Beklagten, der Vertrag sei überhaupt nicht zustandegekommen, nicht widersprochen. Weder nach bürgerlichem Recht noch im Handelsrecht besteht allerdings eine Verkehrssitte, die dem Schweigen allgemein die Bedeutung eines Einverständnisses beilegte; unter besonderen Umständen, insbesondere dann, wenn nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte geredet hätte werden müssen, wird aber das Stillschweigen als Einverständnis gewertet (JBl 1974, 373; EvBl 1969/97; SZ 37/119 und 59 uva). Im vorliegenden Fall, in dem sich die Firma I*** ohnehin schon so verhalten hatte, daß mit dem Zustandekommen des im Jahre 1977 angestrebten Vertrages nicht mehr gerechnet werden konnte, hätte sich die Rechtsnachfolgerin der Firma I*** nach der Verkehrssitte unbedingt dahin äußern müssen, sie halte den Vertrag für zustandegekommen, wenn sie auch nur eine Chance wahren wollte, ihn doch gelten zu lassen. Ihr Schweigen konnte und mußte der Beklagte dahin werten, daß sie seine Auffassung, es sei kein Vertrag zustande kommen und ihn träfen keinerlei Verpflichtungen, akzeptierte. Der Beklagte konnte also auf Grund des Gesamtverhaltens der Firma I*** bzw. der Firma VVB annehmen, er sei mit diesen Unternehmen tatsächlich in keinem aufrechten Vertragsverhältnis gestanden.

Es trifft zwar zu, daß das Konsumentenschutzgesetz auf die vorliegenden Anträge noch nicht anwendbar ist (§ 39 KSchG); das Berufungsgericht hat aber die Abweisung des Klagebegehrens nicht auf eine analoge Anwendung des § 18 KSchG, sondern zutreffend auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage gestützt. Die Firma A***, deren Rechtsnachfolgerin die klagende Partei ist, war nicht nur Gesellschafterin der Firma I***, durch den Abschluß eines Vertrages auf Durchführung steuerbegünstigter Pensionspläne sollten insbesondere auch ihre wirtschaftlichen Interessen gefördert werden. Der Antrag auf Gewährung eines Barkredites nimmt inhaltlich mehrfach auf die Rechtsbeziehungen des Beklagten mit der Firma I*** Bezug:

Die Laufzeit des Kredites entsprach der Zeit für die Durchführung des Pensionsplanes, die Ausnützung des Kredites oblag der Firma I*** im Einvernehmen mit der zweiten Gesellschafterin, die aus Kreditmitteln angekauften Wertpapiere sollten verpfändet werden, die Mitteilungen über diese Kreditkonten hatten nicht an den Beklagten, sondern an die Firma I*** übersendet zu werden. Es ist auch unzweifelhaft und mußte jedenfalls von jedem potentiellen Vertragspartner angenommen werden, daß der Vermögensaufbau- und Pensionsplan und dessen Abwicklung in allen Einzelheiten zwischen den Beteiligten abgesprochen und allen daran beteiligten Unternehmen bekannt war, unter welchen Voraussetzungen die Formularanträge an sie herangetragen wurden. Die Firma I*** und die Firma A*** bildeten damit weit über die Erfordernisse des § 18 KSchG bzw. § 2 Abs 2 RatG hinaus eine wirtschaftliche Einheit. Wähend beim Abzahlungsgeschäft Verkäufer und Kreditinstitut jeweils ihre eigenen wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, waren hier Geschäftsbesorgungsvertrag und Kreditvertrag viel enger miteinander verknüpft. Die Firma I***, deren Gesellschafterin auch die Firma A*** war, förderte durch den von ihr vermittelten Abschluß der Kredit- und Versicherungsverträge in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen ihrer Gesellschafter. Lag aber ein weit über das Wesen drittfinanzierter Verträge hinausgehende wirtschaftliche Einheit der Firma A*** und der Firma I*** vor, so hat sich die Firma A*** und damit auch die klagende Partei das rechtsgeschäftliche Verhalten der Firma I*** zurechnen zu lassen. Mag auch die Firma I*** auf Grund der ihr vom Beklagten erteilten Kontovollmacht formell die rechtliche Fähigkeit besessen haben, über das Kreditkonto des Beklagten zu verfügen, so setzte diese Verfügungsmacht materiell doch das aufrechte Bestehen des Geschäftsbesorgungsvertrages voraus. Aus dieser Vertragsgestaltung ergibt sich der Schluß, daß geschäftstypische Voraussetzung (NZ 1979, 172; Koziol-Welser8 I 127 f mwN) für den Abschluß und das Bestehen des Kreditvertrages der rechtsgültige Abschluß des Geschäftsbesorgungsvertrages mit der Firma I*** war. Kam dieser mangels Annahme durch die Firma I*** nicht zustande, kann auch der formell rechtswirksam abgeschlossene Kreditvertrag keinen Bestand haben (vgl. JBl 1987, 378; JBl 1985, 354; HS 10.987/4; Reidinger, Weitere Rechtsfragen drittfinanzierter Verträge, JBl 1987, 363; Bydlinski in Klang2 IV/2, 419 ff). Führte das Nichtzustandekommen des Geschäftsbesorgungsvertrages dazu, daß auch der Kreditvertrag als nicht zustande gekommen anzusehen ist, kann sich die klagende Partei nicht auf die in diesem Kreditvertrag enthaltene Kontovollmacht der Firma I*** berufen. Mußte aber die Firma A*** das Verhalten der Firma I*** gegen sich gelten lassen, so versagt auch der Hinweis auf einen vom Beklagten geschaffenen äußeren Tatbestand. Das einzig auf den Kreditvertrag gestützte Klagebegehren wurde daher zutreffend von den Vorinstanzen abgewiesen. Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E12943

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00679.87.1209.000

Dokumentnummer

JJT_19871209_OGH0002_0010OB00679_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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