TE OGH 1987/12/15 5Ob71/87

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Veröffentlicht am 15.12.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Dipl.Ing. Annemarie L***, geboren am 1. Februar 1944, Landwirtin, 8740 Lind bei Zeltweg Nr. 5, vertreten durch Dr. Paul Pernthaller, Öffentlicher Notar in Judenburg, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 16. April 1987, GZ R 1078/86-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Knittelfeld vom 19. November 1986, TZ 1519/86-2, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß er insgesamt zu lauten hat:

"I. Auf Grund des notariellen Übergabsvertrages vom 28. Juni 1982, GZ 78/82 des öffentlichen Notars Dr. Paul P*** in Judenburg, der Aufsandungsurkunde vom 19. August/14. Oktober 1982 und der Bestätigung der Gemeinde Kobenz vom 7. März 1983, AZ 130-1983, werden folgende Einverleibungen bewilligt:

A. ob der Liegenschaft EZ 24 KG 65117 Kobenz

a) des Eigentumsrechts für Dipl.Ing. Annemarie L*** (geb. 1. Februar 1944) zur Gänze (1/1),

b) der Reallast der Versorgungsrechte zugunsten der Agnes N*** (geb. 28. November 1911) gemäß Punkt D*** 1.) des Übergabsvertrages vom 28. Juni 1982, GZ 78/82;

c) des Belastungs- und Veräußerungsverbots zugunsten der Agnes N*** (geb. 28. November 1911);

d) des Pfandrechts für die Entfertigungsforderung der Brigitte K*** (geb. 2. Februar 1950) im Betrag von S 100.000,-- (Schilling einhunderttausend) samt 10 % Verzugszinsen und einer Nebengebührenkaution im Höchstbetrag von S 20.000,-- (Schilling zwanzigtausend);

B. ob der Liegenschaft EZ 63 KG 65108 Gaal auf dem 1/4 Anteil der Agnes N*** (geb. 28. November 1911) BON 3

a) des Eigentumsrechts für Dipl.Ing. Annemarie L*** (geb. 1. Februar 1944);

b) des Belastungs- und Veräußerungsverbots zugunsten der Agnes N*** (geb. 28. November 1911).

II. Das Bezirksgericht Knittelfeld als Grundbuchsgericht wird angewiesen, die bewilligten Eigentumseinverleibungen im Range der Anmerkung der erstinstanzlichen Abweisung des Grundbuchsgesuches zu vollziehen und die vom Kreisgericht Leoben in seinem Beschluß vom 16. April 1987, R 1078/86, angeordneten Vormerkungen und Anmerkungen der Abweisung zu löschen, sowie folgende Beteiligte zu verständigen:

1.) Dr. Paul P***, öffentlicher Notar,

8750 Judenburg, mit den Beilagen in Urschrift;

2.) Agnes N***, Besitzerin vlg. H***,

8720 Kobenz Nr. 37;

3.) Dipl.Ing. Annemarie L***, Landwirtin,

8740 Lind Nr. 5;

4.)

Brigitte K***, 8720 Knittelfeld, Schulgasse 3;

5.)

Dr. Anton H***, Rechtsanwalt, 8750 Judenburg, als erster Pfandgläubiger;

6.)

Agrarbezirksbehörde 8700 Leoben (GZ.: 2 Sch 13/3-1983);

7.)

Gemeinde 8731 Gaal;

8.)

Gemeinde 8720 Kobenz;

9.)

10.) Finanzamt 8750 Judenburg, zu ARP 1007/82 und 1649/82".

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat das aus dem Spruch ersichtliche Begehren zur Gänze abgewiesen, da der im notariellen Übergabsvertrag vom 28. Juni 1982 angegebene Gutsbestand der EZ 24 KG Kobenz nicht mit dem Buchstandsbericht übereinstimmt. Die Überlandparzelle 249 der KG Farrach im nicht unbeträchtlichen Ausmaß von 1,5210 ha sei zwischenzeitig mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Leoben vom 6. Mai 1985, TZ 403/86, vom Gutsbestand der EZ 24 KG Kobenz ab- und dem der EZ 19 KG Farrach zugeschrieben worden. Dadurch sei die durch § 433 ABGB vorgeschriebene Übereinstimmung der Bestandteile der Liegenschaft zwischen Buchstand und Vertragsinhalt nicht gegeben. Die übrigen Abweisungen ergeben sich als Folge, weil sie teilweise Lasten des einzuverleibenden Eigentumsrechts und damit von dieser abhängig seien, teilweise aus dem notwendig gleichen Schicksal des Agrargemeinschaftsanteils mit der Stammsitzliegenschaft. Das Kreisgericht Leoben gab dem Rekurs der Übernehmerin teilweise Folge, bewilligte die Vormerkung des Eigentums der Übernehmerin und die Einverleibung der Belastungen. Gegen diese Entscheidung liegt der Revisionsrekurs der Übernehmerin vor, mit dem diese ihren Antrag auf Eigentumseinverleibung weiter verfolgt.

Das Rechtsmittel ist zulässig.

§ 126 Abs 2 GBG macht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses davon abhängig, daß die II. Instanz "dem Rekurs stattgegeben", also die Entscheidung der I. Instanz abgeändert hatte. Diese Rechtslage ist so zu verstehen, daß ein Revisionsrekurs gegen bestätigende Rekursentscheidungen, dh auch gegen bestätigende Teile derselben unzulässig ist (Oberster Gerichtshof 15. Mai 1974 RpflSlgG 1514). Nun hat das Rekursgericht dem Rekurs nur teilweise stattgegeben, insbesondere die Abweisung des Antrags auf Eigentumseinverleibung aufrecht erhalten. Allein darin liegt keine Bestätigung eines selbständigen Teils der erstinstanzlichen Entscheidung. Im Sinne des Judikats 56 neu (SZ 24/335 = EvBl 1952/49) liegt eine bestätigende (und daher gemäß § 126 Abs 2 GBG) unanfechtbare Entscheidung nur vor, wenn eine vollständige Bestätigung erfolgt. Zwar sind selbständige, nur durch objektive Klage- oder Anspruchshäufung (vgl. § 86 GBG) einer gemeinsamen Entscheidung zugeführte Begehren dabei zu trennen, weil die Zufälligkeit gemeinsamer Antragstellung und Entscheidung die Rechtsmittelzulässigkeit nicht zu beeinflussen vermag. Die Bewilligung der Vormerkung an Stelle der völligen Abweisung des Einverleibungsgesuches bei formell bestätigendem Ausspruch über das darüber hinausgehende Begehren stellt jedoch eine Abänderung dar, die die Rekursentscheidung anfechtbar macht (PlB 26. Oktober 1957 SZ 30/65 = EvBl 1958/40 = JBl 1958, 70). Der Revisionsrekurs ist auch begründet.

Wie schon die Untergerichte erkannten, ist die entscheidende Rechtsfrage die nach der Auslegung von § 433 ABGB und § 32 Abs 1 lit a GBG. Das Rekursgericht hat dazu die bisher vertretenen Meinungen zutreffend dargestellt und in ihren Unterschieden herausgearbeitet, jedoch die ihnen durchwegs anhaftende Schwäche nicht gesehen, die in unterschiedlicher Auslegung des § 32 Abs 1 lit a GBG in bezug auf § 433 ABGB einerseits und §§ 438, 451 ABGB anderseits liegt. Zudem hat das Rekursgericht einer von ihm herangezogenen Vorentscheidung (Oberster Gerichtshof 26. Jänner 1949 JBl 1949, 430) einen das Gesetzesverständnis einengenden Rechtssatz entnommen, der viel umfassender und gesetzeskonform ausgedrückt war.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher gezwungen, erneut die Rechtsfrage zu prüfen, ob § 433 ABGB die Angabe der zu übergebenden Liegenschaft nicht nur mit der grundbücherlichen Einlagezahl, sondern auch mit allen ihren Bestandteilen in der Grundbuchsurkunde gebietet. Daß dieselbe Forderung für das Einverleibungsgesuch nicht zu stellen ist, erhellt ausreichend aus § 32 Abs 1 lit a und § 85 Abs 1 GBG.

Die heutige Fassung des § 433 ABGB stammt aus § 17 der III. TN. Aus den Vorarbeiten und Materialien zur III. TN ergibt sich, daß die Novelle vor allem deshalb über die Vorarbeiten wesentlich hinausgehen mußte, weil die Vielzahl kriegszerstörter Grundbücher einen schnellen Ersatz bis zum Wiederaufbau derselben erforderte. Dafür bot sich die Sammlung aller Urkunden und deren Verzeichnen in der Registratur der Hinterlegungsgerichte, die später ihre Grundbücher nur anlegen sollten, an. Es ist zwar richtig, daß die Begründung der III. TN die Grundbuchsurkunden so ausstatten wollte wie die zu hinterlegenden und umgekehrt (Amtliche Begründung der III. TN, in der amtlichen Ausgabe der Hof- und Staatsdruckerei, 34 ff).

Im einzelnen unbegründet geblieben war, warum die Formulierung die Liegenschaften "mit ihren Bestandteilen" Aufnahme ins Gesetz fand, indessen der gleichfalls durch die III. TN geänderte § 451 ebensowenig wie § 481 ABGB diese Wendung eingefügt erhalten haben. Offen geblieben war auch, welche Bestandteile anzuführen sind; die strengste Linie der Rechtsprechung hat immer auf die Angaben im Gutsbestandsblatt abgestellt und dabei die Frage vernachlässigt, daß auch Gebäude - mögen sie im Gutsbestandsblatt als "Baufläche" indirekt oder gar nicht erscheinen - solange Liegenschaftsbestandteile sind, als sie nicht Bauwerke iSd § 435 ABGB (Superädifikate) darstellen. Eine Bezugnahme auf die schuldrechtlichen Bestimmungen der §§ 1061, 1047 ABGB und eine Auseinandersetzung mit ihrem Sinn ist bisher ebenfalls ausgeblieben. Insgesamt sind zur entscheidenden Rechtsfrage drei Linien in Lehre und Rechtsprechung festzustellen, wie schon das Rekursgericht erkannt hat:

Nach Bartsch (Grundbuchsgesetz7, 151) und Klang (in seinem Kommentar2 II 364 ff) genügt die Anführung der grundbücherlichen Einlagezahl, solange keine Zweifel über den Umfang des Grundbuchskörpers bestehen, beziehe sich doch zufolge § 3 GBG jede Eintragung grundsätzlich auf den ganzen Grundbuchskörper und enthalte eine Grundbuchseinlage seit Inkrafttreten des § 4 AllgGAG nur einen Grundbuchskörper. Dieselbe Ansicht vertritt auch Ehrenzweig (System2 I/2, 249 FN 8).

Eine Reihe rekursinstanzlicher Entscheidungen, die in SZ 34/88 angeführt sind, wollen in Unklarheiten, die auf richtige Angabe der Einlagezahl, aber unrichtiges oder unvollständiges Anführen der Parzellen zurückzuführen sind, jedenfalls einen Verstoß gegen § 32 Abs 1 lit a GBG und damit einen Abweisungsgrund sehen. Jüngere Rechtsprechung (seit

SZ 34/88 = RZ 1961, 142 = EvBl 1962/1) und Lehre (vgl. etwa Feil, Österr. Grundbuchsrecht 229; Gschnitzer/Faistenberger ua, Sachenrecht2 52; Spielbüchler in Rummel, Rdz 3 zu § 433 ABGB) stützen sich darauf, daß der gegen § 32 Abs 1 lit a GBG jüngere § 433 ABGB (idF des § 17 der III. TN) nach Absicht des Gesetzgebers die genaue Bezeichnung nicht nur der Einlage, sondern auch der Liegenschaftsbestandteile erfordere.

Lehre und Rechtsprechung (so ausdrücklich SZ 45/124 und SZ 55/191) ziehen aber dieselbe Konsequenz nicht für die Pfandrechtsbegründung, obwohl § 451 Abs 1 ABGB auf die "zur Erwerbung des Eigentumes liegender Güter vorgeschriebene Art" und damit auch auf § 433 ABGB verweist. Vor allem unter Bezugnahme auf § 13 GBG und den im Verhältnis zur III. TN jüngeren § 25 LTG hat die letztgenannte Vorentscheidung das Gewicht auf den unter der Einlagezahl zusammengefaßten Grundbuchskörper gelegt und der Bezeichnung der Bestandteile keine Bedeutung beigemessen. Solche Schlüsse sind mit der Auslegung des § 433 ABGB (etwa in SZ 34/88) nicht vereinbar, treffen aber durchaus den Sinn des Gesetzes, wegen der Spezialität dinglicher Rechte deren Objekt genau zu bezeichnen. Dazu genügt jedoch zufolge § 3 GBG, § 4 AllgGAG und § 25 LTG die Angabe des Grundbuchskörpers durch Angabe der Einlagezahl auch in der Titelurkunde für den Eigentumserwerb.

§ 451 Abs 1 ABGB kann nämlich nicht entnommen werden, daß für den Pfandrechtserwerb dem Eigentumserwerb gegenüber erleichterte Urkundenvoraussetzungen (§ 94 Abs 1 Z 4 GBG) gelten können. Diese Differenzierung kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Schon aus diesen Gründen erweisen sich die Entscheidungen der Untergerichte, soweit sie die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragstellerin verweigert haben, als irrig.

Das Rekursgericht hätte aber, sogar von seiner sonst verfehlten Rechtsansicht ausgehend, dem Grundbuchsgesuch der Rekurswerberin voll entsprechen müssen. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 26. Jänner 1949 JBl 1949, 430, durch ausdrückliche Billigung der Rechtsausführungen des dortigen Rekursgerichtes dargelegt hat, obliegt es dem Grundbuchsgericht, gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG das Gesuch auf seine formale Deckung in den vorliegenden Urkunden zu überprüfen. Im Rahmen der Deckung ist dem Gesuch stattzugeben. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, in dem das Grundbuchsgericht nur in den Rahmen der doppelten Begrenzung durch Urkunden und Buchstand gestellt ist, kein wie immer geartetes Hindernis. Die Antragstellerin hat in ihrem Eintragungsgesuch ausdrücklich auf die geschehene Abschreibung des Grundstückes 249 vom Gutsbestand der erworbenen Liegenschaft hingewiesen und die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes im Umfange des zur Zeit ihrer Antragstellung verkleinerten Gutsbestandes der Liegenschaft EZ 24 des Grundbuchs der Kat.Gem. Kobenz begehrt. Ein Abweisen des Gesuches ermöglichte zudem einem unredlichen Veräußerer, nach teilweisem Abverkauf von Parzellen auch die weiteren noch an Dritte zu veräußern (§ 440 ABGB), wenn eine der herrschenden, über den Sinn des § 433 ABGB hinausgehenden Auffassung entsprechende, nur die noch dem Gutsbestand angehörenden Parzellen enthaltende Urkunde nicht ausgestellt wird. Auch im Grundbuchs- als einem Außerstreitverfahren gilt § 2 Abs 3 Z 2 AußStrG unmittelbar, wonach das Gericht zwar "keine zu seiner und der Teilnehmenden Sicherheit nötige Vorsicht vernachlässigen, aber den Parteien auch nicht durch Zweifelsucht und Ängstlichkeit, oder durch Zurückweisung der Gesuche wegen Mangels unwesentlicher Förmlichkeiten Schaden verursachen" soll. Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und das Grundbuchsgesuch vollinhaltlich zu bewilligen. Dem Erstgericht als Grundbuchsgericht war der Vollzug der durch diese Entscheidung erforderlich werdenden Eintragungen (§ 102 Abs 1 GBG) und die Verständigung der Beteiligten aufzutragen.

Anmerkung

E12823

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00071.87.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19871215_OGH0002_0050OB00071_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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