TE OGH 1987/12/21 1Ob49/87

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Veröffentlicht am 21.12.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Franz Z***, Jurist, dzt. Landesnervenklinik Salzburg, vertreten durch den Sachwalter Dr. Rudolf M***, Rechtsanwalt, Salzburg, Schallmoser Hauptstraße 8, dieser vertreten durch Dr. Karl Weingarten, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 150.000,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Juni 1987, GZ 14 R 91/87-13, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Jänner 1987, GZ 52 a Cg 1004/86-9, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde am 13. Juli 1980 von Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Klosterneuburg in das Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Klosterneuburg eingeliefert. Als ihn die Beamten die Handschellen abnahmen, fiel er zu Boden und erlitt dabei eine Fraktur des rechten Sprunggelenkes. Mit Schreibem vom 3. Februar 1983 forderte der Kläger die Finanzprokuratur zur Anerkennung seines Ersatzanspruches (Schmerzengeld von S 150.000,--) auf. Mit Schreiben vom 29. April 1983 lehnte die Finanzprokuratur die Anerkennung des geltend gemachten Amtshaftungsanspruches ab. Darauf beantragte der Kläger mit Schreiben vom 1. Juni 1983, beim Erstgericht am 6. Juni 1983 eingelangt, erneut die Bewilligung der Verfahrenshilfe. Er verwies in der Eingabe auf das in Ablichtung angeschlossene Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur vom 3. Februar 1983. Diesen Antrag wies das Erstgericht - auch im zweiten Rechtsgang - ab; infolge Rekurses des Klägers bewilligte ihm jedoch das Gericht zweiter Instanz mit Beschluß vom 10. Juli 1985 die Verfahrenshilfe zur Geltendmachung seines Amtshaftungsanspruches im Betrag von S 150.000,-- (Schmerzengeld) s.A. gegen die beklagte Partei im Umfang des § 64 Abs.1 Z 1 und 3 ZPO. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. August 1985 wurde Dr. Karl W*** zum Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe bestellt.

Mit der am 17. Jänner 1986 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 150.000,--. Seine Verletzung sei durch die unsachgemäße Abnahme der Handfesseln durch die Gendarmerieorgane verursacht worden.

Die beklagte Partei wendete Verjährung ein und behauptete im übrigen, daß sich der Kläger selbst habe fallen lassen und sich dabei die Fraktur zugezogen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Kläger, der selbst Jurist sei, leide an einem posttraumatischen organischen Psychosyndrom, sei jedoch in seiner Wahrnehmungsfähigkeit nicht derart hochgradig beeinträchtigt, daß er nicht in der Lage wäre, Sachverhalte auch juristischen Inhaltes zu erkennen und zu erfassen, daß Schadenersatzklagen der Verjährung unterliegen, sowie nach dieser Erkenntnis zu handeln. Diesen Feststellungen zufolge nahm das Erstgericht Verjährung an. Der Schaden sei am 13. Juli 1980 eingetreten, so daß der Ersatzanspruch nach Ablauf der gemäß § 6 Abs.1 AHG dreijährigen Verjährungsfrist am 14. Juli 1983 verjährt sei. Eine Hemmung der Verjährung im Sinne des § 1494 ABGB sei zu verneinen, weil der Kläger keineswegs außerstande gewesen wäre, seine Rechte selbst wahrzunehmen. Auch eine Unterbrechung gemäß § 1497 ABGB komme nicht in Betracht, weil keine der Eingaben des Klägers bis zum 14. Juli 1983 als Klageschrift beurteilt werden könne. Dem Antrag des Klägers vom 1. Juni 1983 fehle das Erfordernis eines bestimmten Begehrens. Durch einen Verfahrenshilfeantrag werde die Verjährung aber nicht unterbrochen. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf und ordnete einen Rechtskraftvorbehalt an. Der Verfahrenshilfeantrag stehe dem Ablauf der Verjährungsfrist zwar nicht entgegen, eine in der Folge verbesserte Klage unterbreche hingegen die Verjährung im Zeitpunkt ihres erstmaligen Einlangens bei Gericht. Gemäß § 84 Abs.3 ZPO könnten auch inhaltliche Mängel der Klageschrift verbessert werden. Die Bezeichnung der Eingabe als Verfahrenshilfeantrag stehe gemäß § 84 Abs.2 ZPO einem Verbesserungsauftrag nicht entgegen. In der Eingabe habe der Kläger Art und Umfang seines Anspruchs klar zum Ausdruck gebracht. Der übrige notwendige Inhalt der Klageschrift könne hingegen im Wege der Verbesserung nachgetragen werden. Das sei durch die Einbringung der Klage durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt geschehen. Durch den am 6. Juni 1983 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz sei somit die Verjährung unterbrochen worden. Ein zu unbestimmtes Begehren, dessen spätere Präzisierung eine Klagsänderung oder -erweiterung verschleiern könnte, liege nicht vor. Das Erstgericht werde daher die Berechtigung des Anspruchs im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der von der beklagten Partei erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz hat an Hand der Rechtsprechung zutreffend dargelegt, daß zwar der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe den Lauf der Verjährung nicht unterbricht (SZ 52/186 ua; Schubert in Rummel, ABGB § 1497 Rz 9), wohl aber die in der Folge ordnungsgemäß verbesserte Klageschrift die Unterbrechung der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs bewirkt, soweit die ursprüngliche verbesserungsfähige Eingabe noch innerhalb der Verjährungsfrist beim zuständigen Gericht eingelangt ist (EvBl. 1985/101 ua).

Der Kläger hat allerdings mit seiner am 6. Juni 1983 in bezug auf die Beurteilung der Verjährung des eingeklagten Anspruchs noch rechtzeitig eingebrachten Eingabe nicht Klage erhoben, sondern nur die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt. Der Bezeichnung der Eingabe als Verfahrenshilfeantrag will das Berufungsgericht keine Bedeutung beimessen, weil die unrichtige Benennung gemäß § 84 Abs.2 ZPO unerheblich sei, sofern nur das Begehren deutlich erkennbar ist. Wie die Rekurswerberin zutreffend dartut, übersieht das Gericht zweiter Instanz dabei jedoch, daß die Bezeichnung der Eingabe mit dem vom Kläger angestrebten Ziel übereinstimmt und die Eingabe daher gar nicht unrichtig benannt wurde.

Der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Kläger und Beklagtem (vgl. Art. 7 B-VG und Art. 6 MRK; vgl. auch Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 513) rechtfertigt aber im Ergebnis die Auffassung des Berufungsgerichtes. Nach ihrem Wortlaut scheint die Bestimmung des § 84 Abs.3 ZPO allerdings die dort vorgesehene Möglichkeit von Aufträgen zur Verbesserung inhaltlicher Mängel schon auf solche Schriftsätze zu beschränken, bei deren Überreichung eine Frist zu beachten ist. Somit wären Inhaltsmängel von Klagen nur ganz ausnahmsweise (etwa bei Nichtigkeits-, Wiederaufnahms- und Klagen nach § 595 ZPO) verbesserbar, wogegen die befristete Klagebeantwortung stets auch inhaltlich verbessert werden kann. Die Rechtsprechung hat jedoch die Möglichkeit der Verbesserung von Klageschriften schon vor Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 nicht auf fristgebundene Schriftsätze beschränkt (DREvBl. 1938/406; SZ 21/37 ua); auch den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (669 BlgNR 15. GP 49) kann eine solche Beschränkung nicht entnommen werden. Der Oberste Gerichtshof hat seine Auffassung, daß verbesserungsfähige und fristgerecht wiedereingebrachte Klageschriften unter den weiteren Voraussetzungen des § 1497 ABGB die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs unterbrechen, auch weiterhin bekräftigt (EvBl. 1985/101). Strebt der Kläger die Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwaltes schon vor der Klage an, weil er sich auch die Kosten dieses Prozeßschrittes keinesfalls aufbürden will, so läuft er dennoch Gefahr, seinen Anspruch wegen Verjährung zu verlieren, weil der Verfahrenshilfeantrag deren Lauf nicht unterbricht. Diese Gefahr darf trotz der verhältnismäßig langen Verjährungsfristen keineswegs unterschätzt werden, weil der Verfahrenshilfewerber die Dauer des Verfahrens zur Entscheidung über seinen Antrag auch nicht annähernd abschätzen und dieses Verfahren - wie der vorliegende Fall zeigt - auch längere Zeit dauern kann; der Gesetzgeber hat überdies - gegenüber der alten Rechtslage - zusätzliche Verzögerungsmöglichkeiten in Kauf genommen, weil das Verfahrenhilfegesetz erstmals auch dem Gegner ein Rechtsmittel gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe eingeräumt hat (§ 72 Abs.2 ZPO). Demgegenüber bleibt dem Beklagten die ihm zur Erstattung der Klagebeantwortung bestimmte Frist - ungeachtet der Dauer des Zwischenstreites - stets zur Gänze gewahrt, sofern er nur innerhalb der ihm vom Prozeßgericht gesetzten Frist zur Einbringung der Klagebeantwortung die Bewilligung der Verfahrenshilfe samt Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, selbst wenn dieser Antrag in der Folge abgewiesen wird (§ 73 Abs.2 ZPO). Darüber hinaus ist diese Frist auch restituierbar, während dem Kläger die Wiedereinsetzung zur Vermeidung der Verjährungsfolgen verwehrt ist. Die Auffassung von Rechberger-Simotta (Zivilprozeßrecht3 Rz 411), Aufträge zur Verbesserung inhaltlicher Mängel von Klagen seien nicht zulässig, weil die Klage grundsätzlich nicht fristgebunden sei, und auch entbehrlich, weil der Kläger ohnehin ausreichend Zeit zur Vermeidung von Inhaltsfehlern gehabt habe und deshalb besser gestellt sei als der Beklagte, trägt diesen Erwägungen nicht Rechnung und mutet dem Kläger zu, im Gerichtshofsverfahren entweder entgegen dem Anwaltszwang selbst die Klage einzubringen oder aber zumindest die Kosten der Klage zu tragen, will er das Risiko der Anspruchsverjährung vermeiden.

Gegen dieses Ungleichgewicht in der Ausgangsposition des Kläger und des Beklagten hätte wohl schon der Gesetzgeber Abhilfe schaffen müssen, zumal das Verfahrenshilfegesetz nach den Materialien (RV 846 BlgNR 13. GP 7 f) Hindernisse bei der Rechtsdurchsetzung abbauen und den bisherigen Rechtsschutz verbessern wollte. Schon zur Erreichung dem mit dem Verfahrenshilfegesetz verfolgten Zieles erscheint es daher geboten, das planwidrige Ungleichgewicht, dem Grundsatz der Waffengleichheit Rechnung tragend durch großzügige Auslegung der Verbesserungsbestimmungen, zu beseitigen. Um dem Kläger gleichwertigen Rechtsschutz wie dem Beklagten (§§ 73 Abs.2 und 84 Abs.3 ZPO) zu gewähren, sind daher Eingaben, mit welchen zwar nur die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes begehrt wird, deren Inhalt aber den Sachverhalt und das Begehren der beabsichtigten Klage deutlich erkennen läßt, so daß sie nach Verbesserung auch als Klageschrift in Behandlung gezogen werden können, bereits als Klagen aufzufassen, so daß die erforderlichen Verbesserungsaufträge zu erteilen sind. Der Kläger hat mit seiner am 6. Juni 1983 eingelangten Eingabe deutlich genug zu verstehen gegeben, daß er damit auf Grund des Vorfalles vom 13. Juli 1980 (unter anderem) ein Schmerzengeld von S 150.000,-- geltend machte. Das seiner Eingabe beigeheftete Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur vom 3. Februar 1983, worin er die Forderung auf Zahlung eines Schmerzengeldes von S 150.000,-- wegen des genau beschriebenen Vorfalls erhob, ist als Teil der Eingabe anzusehen. War diese Eingabe aber auch als der Verbesserung zugängliche Klageschrift zu beurteilen, hätte das Erstgericht nicht bloß über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes entschieden, sondern auch die Eingabe dem Kläger mit den erforderlichen Verbesserungsaufträgen zurückzustellen und ihm gleichzeitig eine Frist zur Wiederanbringung bestimmen müssen. Da das Erstgericht dies unterlassen hat, ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, die von den dem Kläger zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt eingebrachte Klage als verbesserter Schriftsatz als noch innerhalb der Verjährungsfrist beim Erstgericht eingelangte Klage aufzufassen. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zutreffend die Verjährung des eingeklagten Anspruchs verneint.

Zur Behauptung, daß bei Bejahung der berufungsgerichtlichen Auffassung jeder Verfahrenshilfeantrag als Klageschrift umzudeuten sei, muß nicht Stellung genommen werden, weil die zur Beurteilung stehende Eingabe Sachverhalt und Begehren einer Klage mit ausreichender Deutlichkeit zur Darstellung bringt.

Das Berufungsgericht hat dem Erstgericht somit zu Recht die Fortsetzung des Verfahrens zur Prüfung des geltend gemachten Ersatzanspruches aufgetragen, so daß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben muß.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E12947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00049.87.1221.000

Dokumentnummer

JJT_19871221_OGH0002_0010OB00049_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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