TE OGH 1988/1/12 10Ob511/87

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Veröffentlicht am 12.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier, Dr. Angst, Dr. Bauer und Dr. Kellner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Santina H***, Hausfrau, 5505 Mühlbach am Hochkönig, Schmölz 78, vertreten durch Dr. Matthias Mayr, Rechtsanwalt in Bischofshofen, wider die beklagten Parteien

1.)

Klaus F***, 5505 Mühlbach am Hochkönig, Schmölz Nr.78,

2.)

Johanna F***, Hausfrau, 3.) Rudolf F***, beide 8044 Graz, Schaftal 25, sämtliche vertreten durch Dr. Heinz Buchmayr, Rechtsanwalt in Linz, 4.) Franz H***, 8020 Graz, Sterngasse 2a, im Verfahren nicht vertreten, wegen Räumung und Feststellung infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 24.Juni 1987, GZ 32 R 57/87-9, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Werfen vom 21.November 1986, GZ C 149/86-4, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird, soweit er sich gegen den den Erstbeklagten betreffenden Teil des Beschlusses des Berufungsgerichtes wendet, zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Der Erstbeklagte hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst

zu tragen.

Im übrigen bilden die Kosten des Rekursverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10.12.1984 wurde die Ehe zwischen der Klägerin Santina H*** und Franz H*** rechtskräftig geschieden. Am 2.4.1985 stellte die Klägerin in einem Verfahren gemäß §§ 81 ff EheG unter anderem den Antrag, ihr das Mietrecht an der ehelichen Wohnung in Mühlbach, Schmölz 78 "zuzusprechen". Franz H*** widersprach diesem Antrag; bei der von der Antragstellerin bezeichneten Wohnung handle es sich nicht um die Ehewohnung; diese Wohnung sei auch nicht Gegenstand eines aufrechten Mietvertrages, sondern sei ihm von den Hauseigentümern lediglich prekaristisch überlassen worden. Das Bezirksgericht St.Johann im Pongau als Familiengericht wies u.a. die in seinem Beschluß näher bezeichnete, im Trakt 3, 1.Stock des Hauses Schmölz Nr.78 gelegene Wohnung der Antragstellerin Santina H*** zu und trug dem Antragsgegner Franz H*** auf, die Wohnung zu räumen und der Antragstellerin geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben. Dabei legte es seiner Entscheidung ausgehend von den durchgeführten Beweisaufnahmen zugrunde, daß für die in Frage stehende Wohnung regelmäßig ein Mietzins von 315 S sowie Betriebskosten von 150 S bezahlt worden seien; als Einzahler sei vorerst der Antragsgegner und später die Antragstellerin angeführt gewesen; es sei daher vom Bestehen eines Mietvertrags auszugehen; beide Ehegatten seien Mieter der Wohnung. Dem vom Antragsgegner gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs wurde vom Landesgericht Salzburg in diesem Punkte nicht Folge gegeben. Die Hauseigentümer Johanna Maria und Rudolf F*** wurden in diesem Verfahren als Zeugen vernommen, sie wurden jedoch dem Verfahren nicht als Beteiligte zugezogen; die Zustellung der Entscheidung an sie unterblieb.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, Klaus F*** zu verpflichten, die von ihm benützte, gegenüber dem Stiegenaufgang im Trakt 3, erster Stock gelegene Wohnung zu räumen sowie gegenüber sämtlichen Beklagten die Feststellung, daß ihr ein Mietrecht an dieser Wohnung zustehe. Gegenstand des Begehrens sei die im Verfahren vor dem Bezirksgericht St.Johann im Pongau zugewiesene Wohnung. Franz H*** habe die Wohnung im August 1985 verlassen und seit dieser Zeit benütze Klaus F***, der Sohn der Hauseigentümer, die Wohnung. Den Hauseigentümern sei aufgrund ihrer Vernehmung im Verfahren vor dem Bezirksgericht St.Johann im Pongau bekannt gewesen, daß Gegenstand dieses Verfahrens auch die Frage gebildet habe, ob die Wohnung aufgrund eines Bestandrechtes oder prekaristisch benützt werde; auch die Entscheidung des Bezirksgerichtes St.Johann im Pongau in diesem Verfahren sei ihnen zumindest dem Inhalt nach bekannt geworden.

Bezüglich des Viertbeklagten trat Ruhen des Verfahrens ein. Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin zur Gänze statt. Dazu führte es aus, daß Voraussetzung der Zuweisung einer Wohnung durch das Familiengericht gemäß § 87 Abs 2 EheG sei, daß es sich um die Ehewohnung handle, und daß diese aufgrund eines Rechtsverhältnisses benützt werde. Aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes St.Johann im Pongau stehe bindend fest, daß die Wohnung nicht prekaristisch überlassen, sondern ein Mietverhältnis begründet worden sei und es sich dabei um die Ehewohnung gehandelt habe. Diese Entscheidung sei auch dem Vermieter gegenüber rechtsgestaltend und bindend. Der Richter könne im außerstreitigen Verfahren Dritten gegenüber die Person des Berechtigten ändern und dem Vermieter gegenüber bindend festlegen, daß die Ehegattin das Mietverhältnis nunmehr allein fortsetze. Die gegen diese bindende Entscheidung verstoßende Weitergabe der Wohnung durch die Hauseigentümer an ihren Sohn sei der Klägerin gegenüber wirkungslos. Das Landesgericht Salzburg gab der von den Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Dabei sprach es aus, daß der Wert des Feststellungsbegehrens 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteige und setzte seiner Entscheidung hinsichtlich des gegen die zweit- und drittbeklagte Partei erhobenen Begehrens einen Rechtskraftvorbehalt bei. Das Berufungsgericht führte aus, daß grundsätzlich auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren der materiellen Rechtskraft fähig seien, doch äußere die Rechtskraft nur gegenüber Personen Wirkung, die am Verfahren beteiligt gewesen seien. Der Vermieter sei nicht nur zur Verhandlung im Aufteilungsverfahren zu laden, sondern es seien ihm auch die in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen zuzustellen; es komme ihm auch Rechtsmittellegitimation zu. Die Beiziehung des Vermieters als Beteiligter sei im Verfahren vor dem Bezirksgericht St.Johann im Pongau unterblieben. Das Erstgericht habe, ausgehend von einer unrichtigen Beurteilung der bindenden Wirkung, die mangelnde Beteiligung der Vermieter am Aufteilungsverfahren mit den Parteien nicht erörtert und habe sie mit einer Rechtsansicht überrascht. Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil die Aufnahme der angebotenen Beweise zur Frage des Bestehens eines Mietverhältnisses unterblieben sei. Gegen diesen Beschluß richtet sich der im Rahmen des Rechtskraftvorbehaltes erhobene Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung ohne Bedachtnahme auf den herangezogenen Verfahrensmangel aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten beantragen, den Rekurs zurückzuweisen oder aber ihm nicht Folge zu geben. Der Rechtskraftvorbehalt wurde vom Berufungsgericht nur hinsichtlich des gegen die zweit- und drittbeklagte Partei erhobenen Feststellungsbegehrens ausgesprochen. Soweit der Rekurs der Klägerin darüber hinausgeht, ist er gemäß § 519 ZPO unzulässig und war zurückzuweisen.

Der Rekurs ist im übrigen im Ergebnis nicht berechtigt. Bezüglich der Ehewohnung kann das Gericht - von dem im § 87 Abs 1 EheG geregelten hier nicht gegebenen Fall der Benützung kraft dinglichen Rechtes abgesehen - ohne Rücksicht auf eine Regelung durch Vertrag oder Satzung anordnen, daß ein Ehegatte anstelle des anderen in das der Benützung der Ehewohnung zugrunde liegende Rechtsverhältnis eintritt oder das bisher gemeinsame Rechtsverhältnis allein fortsetzt. In diesem Verfahren kommt dem Vermieter Beteiligtenstellung zu (SZ 53/165 ua.; zuletzt 8 Ob 574/87).

Im vorliegenden Fall wurden die zweit- und drittbeklagten Parteien dem Aufteilungsverfahren nicht beigezogen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kommt aber diesem Umstand hier entscheidende Bedeutung nicht zu.

Nach dem Wortlaut des § 87 Abs 2 EheG bildet das zwischen einem oder beiden Ehegatten einerseits und einem Dritten andererseits bestehende Rechtsverhältnis die Grundlage der Regelungsbefugnis des Gerichtes bei der Entscheidung über eine begehrte Verfügung über die Ehewohnung. Durch die gerichtliche Entscheidung kann lediglich die Person des Berechtigten dem Dritten gegenüber, nicht jedoch das Rechtsverhältnis selbst verändert werden. Zur Entscheidung über die gemäß § 87 EheG über die Wohnung zu treffende Verfügung bedarf es der Klarstellung, aufgrund welchen Rechtsverhältnisses die Ehewohnung benützt wurde (7 Ob 513/85). Es handelt sich dabei um eine Vorfrage des Aufteilungsanspruches, da eine Verfügung im Sinn des § 87 Abs 2 EheG nur getroffen werden kann, wenn ein Rechtsverhältnis der dort bezeichneten Art vorliegt. Eine bindende Wirkung der Entscheidung dieser Vorfrage derart, daß eine sachliche Prüfung eines zu einem späteren Zeitpunkt vom Vermieter oder von dem aufgrund des Aufteilungsbeschlusses legitimierten Ehegatten gegen den Vermieter erhobenen Begehrens auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Bestandverhältnisses ausgeschlossen wäre, tritt durch eine solche Entscheidung selbst dann nicht ein, wenn der Vermieter dem Verfahren als Beteiligter zugezogen war. Eine bindende Wirkung beschränkt sich als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den geltend gemachten Anspruch, über den entschieden wurde (Fasching III, 708, 727 SZ 49/82). Auch Beschlüsse des außerstreitigen Verfahrens erwachsen, soweit sie über einen Rechtsschutzanspruch erkennen, in materielle Rechtskraft. Im allgemeinen wird allerdings eine Identität eines vor dem Außerstreitrichter zu erhebenden Rechtsschutzbegehrens mit einem im Zivilprozeß gestellten Begehren in den meisten Fällen wegen der unüberschreitbaren Grenze des außerstreitigen Rechtsweges ausgeschlossen sein, sodaß diese Problematik vornehmlich nur dort auftauchen kann, wo eine Vorfrage des Zivilprozesses bereits rechtskräftig als Hauptsache durch den Außerstreitrichter entschieden worden ist (Fasching III, 699).

Gegenstand der Hauptsache in einem Verfahren gemäß § 81 ff EheG ist die rechtsgestaltende Verfügung des Außerstreitrichters, die sich im Fall des § 87 Abs 2 EheG nur auf den Wechsel des Partners in einem von einem oder beiden Ehegatten mit einem Dritten bestehenden Vertrag erstrecken kann. Das Gericht kann dem Dritten gegenüber nur die Person des Berechtigten verändern, nicht aber ein bisher noch nicht bestandenes Rechtsverhältnis neu begründen (Pichler in Rummel ABGB II Rz 2 zu §§ 87, 88 EheG; JBl 1982, 212 u.a.). Die Frage, welches Rechtsverhältnis der Benützung einer Wohnung zugrunde liegt, ist grundsätzlich im streitigen Rechtsweg zu klären. Selbst wenn diese Frage im Außerstreitverfahren - als Vorfrage des Aufteilungsanspruches - geprüft wird, kann die Lösung dieser Vorfrage in diesem Verfahren keine Bindungswirkung auf ein im streitigen Rechtsweg durch den Vermieter oder gegen den Vermieter erhobenes Begehren auf Feststellung des Rechtes oder Rechtsverhältnisses entfalten, und zwar unabhängig davon, ob der Vermieter am Verfahren beteiligt war oder nicht. Es handelt sich dabei um ein im streitigen Verfahren zu entscheidendes Begehren, dessen Prüfung durch eine Vorfragenentscheidung in einem Außerstreitverfahren nicht beeinflußt wird.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes ist, soweit er der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt, damit im Ergebnis zutreffend. Unabhängig vom Ergebnis des außerstreitigen Verfahrens wird im vorliegenden Verfahren zu prüfen sein, ob das von der Klägerin erhobene Begehren zu Recht besteht.

Der Erstbeklagte hat in seiner Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des auch gegen den ihn betreffenden Teil des Aufhebungsbeschlusses erhobenen Rekurses nicht hingewiesen. Er hat daher keinen Kostenersatzanspruch.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13068

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0100OB00511.87.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19880112_OGH0002_0100OB00511_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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