TE OGH 1988/1/19 4Ob608/87

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Veröffentlicht am 19.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Johann B***, Bankangestellter, dzt. Klagenfurt, Akazienhofstraße 49, vertreten durch Dr.Gerald Herzog und Dr.Manfred Angerer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Rosemarie B***, kfm. Angestellte,

Krumpendorf, Hohenfeld 23, vertreten durch Dr.Othmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Sicherung gemäß § 382 Z 8 lit b EO infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 14. August 1987, GZ 1 R 381/87-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16.Juni 1987, GZ 1 C 45/87-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind seit 3.März 1966 verheiratet; sie wohnten gemeinsam zuletzt in einem ihnen je zur Hälfte gehörenden Einfamilienhaus in Krumpendorf, Hohenfeld 23, mit einer Wohnfläche von 130 m2. Der Ehe entstammen die Töchter Christina Melanie (geboren am 31.Jänner 1968) und Cosima (geboren am 29.März 1970). Seit einiger Zeit kommt es zwischen den Eheleuten laufend zu Auseinandersetzungen. Am 9.März 1987 zog die Beklagte eine gegen den Kläger wegen einer Mißhandlung erhobene Scheidungsklage zurück. Am 29.Dezember 1986 und in der Nacht vom 28.Februar auf den 1. März 1987 versetzte die Beklagte dem Kläger im Zuge weiterer Auseinandersetzungen Schläge ins Gesicht, wodurch der Kläger Hautabschürfungen erlitt. Am 7.März 1987 schlug die Beklagte dem Kläger neuerlich ins Gesicht und trat ihn in den Genitalbereich. Während einer gemeinsamen Autofahrt am 15.März 1987 fügte sie ihm Quetschungen an den Hoden zu. Am 28.Februar 1987 versetzte die Beklagte der 16jährigen Tochter Cosima eine Ohrfeige. Am 1.März 1987 klemmte sie dieser Tochter durch Zuschlagen einer Tür das Bein ein, was zu einem Bluterguß am rechten Oberschenkel führte. Wegen dieser Vorfälle zog der Kläger mit seiner Tochter Cosima aus der Ehewohnung aus. Er mietete zuerst eine ca. 29 m2 große Garconniere, dann seit Mai 1987 eine ca. 60 bis 70 m2 große, unmöblierte Wohnung. Die Beklagte verblieb im Einfamilienhaus. Die zweite Tochter, Christina Melanie, befand sich längere Zeit auf einem Auslandsaufenthalt. Mit seiner auf Gründe nach § 47 und § 49 EheG gestützten Klage begehrt der Kläger die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Gleichzeitig mit der Klage stellte er den auf § 382 Z 8 lit b EO gestützten Sicherungsantrag, der Beklagten aufzutragen, die Ehewohnung sofort zu verlassen, und ihr zu verbieten diese wieder zu betreten. Die Ehewohnung diene der Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses und des dringenden Wohnbedürfnisses der Tochter Cosima. Gleichzeitig müsse auch vorgesorgt werden, daß die Tochter Cosima, die durch die ehelichen Auseinandersetzungen seelisch und nervlich stark belastet sei, zur Ruhe kommen und sich auf ihre Aufgaben besinnen könne. Wegen der erheblichen Drohungen und Tätlichkeiten der Beklagten und der damit verbundenen Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit sowie der körperlichen Sicherheit seiner Tochter Cosima sei das weitere Zusammenleben mit der Beklagten für den Kläger unerträglich. Die Beklagte habe sich dahin geäußert, daß sie dem Kläger das Leben zur Hölle machen wolle.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Sie habe keine Ehescheidungsgründe gesetzt; der Kläger sei ohne jede Veranlassung aus der Ehewohnung ausgezogen. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es stellte im wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Das festgestellte Verhalten der Beklagten gefährde die körperliche Sicherheit des Klägers und der ehelichen Tochter Cosima; unter diesen Umständen sei das Zusammenleben für den Kläger unerträglich. Das dringende Wohnbedürfnis des Klägers an der Ehewohnung sei zu bejahen, weil er gezwungen sei, unter schlechteren Bedingungen zu leben als früher; im Verhältnis zur Ehewohnung stehe ihm keine ausreichende oder gleichwertige Unterkunft zur Verfügung. Sein dringendes Wohnbedürfnis werde daher durch die provisorische Unterkunft nicht beseitigt. Die der Beklagten drohende Obdachlosigkeit hingegen sei bei dieser Beurteilung ohne Belang. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Die Ausweisung aus der Ehewohnung sei ein äußerst schwerwiegender Eingriff in die Rechtssphäre einer Partei, der nur bei erheblichen Gründen gerechtfertigt sei. Die Tätlichkeiten der Beklagten gegen den Kläger im Zuge ehelicher Auseinandersetzungen ließen zwar auf eine erhebliche Aggressivität der Beklagten schließen. Da sich jedoch zwei dieser Vorfälle nicht in der Ehewohnung abgespielt hätten, träten diese insofern in den Hintergrund, als das gewünschte Verbot keinerlei Schutzwirkungen hinsichtlich des Verhaltens der Beklagten außerhalb der Ehewohnung hätte. Bei den Tätlichkeiten der Beklagten in der Ehewohnung sei aber der Kläger nur leicht verletzt worden. Gelegentliche Entgleisungen und Kurzschlußhandlungen reichten im allgemeinen zur Begründung der Unerträglichkeit des Zusammenlebens nicht aus. Die Verweisung aus der Ehewohnung als härteste aller möglichen Maßnahmen sei daher nicht gerechtfertigt. Überdies habe der Kläger an der Ehewohnung kein dringendes Wohnbedürfnis, weil ihm seit Mai 1987 eine ausreichende und gleichwertige andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung stehe.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Kläger bekämpft die Auffassung des Rekursgerichtes, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich nicht, daß das weitere Zusammenleben mit der Beklagten für ihn unerträglich und die Ehewohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses erforderlich wäre. Dazu ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 382 Z 8 lit b EO (idF des BG über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe BGBl. 1975/412) kann im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe einem Ehegatten der Auftrag zum Verlassen der Ehewohnung, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Teiles dient, erteilt werden, wenn er dem anderen Ehegatten das weitere Zusammenleben unerträglich macht, besonders ihn erheblich körperlich bedroht. Die Ehewohnung muß nicht gerade gegenwärtig der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des gefährdeten Ehegatten dienen; hat er die Wohnung aus berechtigter Furcht vor dem Ehegatten verlassen, so hat dieser sie zu verlassen, wenn das dringende Wohnbedürfnis des gefährdeten Ehegatten anderweitig nicht befriedigt ist (SZ 50/81 = Rz 1978/3).

Das "dringende Wohnbedürfnis" im Sinne des § 382 Z 8 lit b EO wurde in SZ 50/81 dahin umschrieben, daß es im allgemeinen nur dann zu verneinen sei, wenn dem Ehegatten eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht; dabei dürfe der antragstellende Ehegatte nicht auf die Möglichkeit der Deckung seines Wohnbedürfnisses bei seinen Eltern verwiesen werden. In EFSlg 34.690 wurde zusätzlich ausgeführt, daß eine bloß prekaristische anderweitige Unterkunftsmöglichkeit das dringende Wohnbedürfnis nicht beseitige. In der - zu § 97 ABGB ergangenen - Entscheidung SZ 54/37 wurde dieser Rechtssatz dahin modifiziert, daß einerseits eine bloß ausreichende Ersatzwohnung nicht genüge, wenn sie die angemessenen (§ 94 Abs 1 ABGB) Wohnbedürfnisse erheblich unterschreitet, andererseits aber Gleichwertigkeit zwar des rechtlichen Schutzes, nicht aber auch der tatsächlichen Verhältnisse notwendig sei. Da es bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Wohnbedürfnisses immer auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, die auch durch die Lebensverhältnisse der Ehegatten mitbestimmt werden, ist den Rechtsausführungen der letztgenannten Entscheidung zu folgen. Zutreffend ist auch die Auffassung, daß an den Begriff des "dringenden Wohnbedürfnisses" in § 382 Z 8 lit b EO strengere Anforderungen zu stellen sind als an den des § 97 ABGB (Ent-Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe 156).

Im vorliegenden Fall steht dem Kläger eine Mietwohnung zur Verfügung, die etwa die Hälfte der Wohnfläche des bisher als Ehewohnung dienenden Einfamilienhauses hat; der Kläger bewohnt sie gemeinsam mit der Tochter Cosima. Die Wohnfläche von ca. 60 bis 70 m2 reicht im allgemeinen zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses zweier erwachsener Personen aus. Sie entspricht aber auch der bisherigen Wohnversorgung des Klägers, weil ihm im Einfamilienhaus unter Berücksichtigung der Anzahl der dort bisher lebenden Familienangehörigen verhältnismäßig keine größere Wohnfläche zur Verfügung stand. Der Kläger hat im Revisionsrekurs lediglich ins Treffen geführt, daß er nur die unbedingt nötigen Möbel angekauft habe, weshalb seiner Tochter kein Schreibtisch und kein Kasten zur Unterbringung ihrer Schulsachen zur Verfügung stehen. Diese "Mängel" betreffen aber nicht die Ersatzunterkunft an sich, sondern deren Einrichtung. Daß es ihm nicht möglich wäre, alle erforderlichen Einrichtungsgegenstände für die Ersatzunterkunft zu beschaffen, hat der Kläger gar nicht behauptet. Wegen des Fehlens einzelner Einrichtungsgegenstände allein kann aber die zur Verfügung stehende Ersatzunterkunft nicht als unzureichend qualifiziert werden. Der geltend gemachte, die vorhandenen Einrichtungsgegenstände betreffende Feststellungsmangel liegt daher nicht vor. Da eine einstweilige Verfügung nach § 382 Z 8 lit b EO nur für die Dauer der dort näher bezeichneten Ehestreitigkeiten erlassen werden kann, genügt bei der Beurteilung der (rechtlichen) Gleichwertigkeit der anderweitigen Unterkunft, daß das eigene Recht des Ehegatten, die anderweitige Unterkunft zu bewohnen, für die Dauer des Prozesses in gleicher Weise gesichert ist wie das Recht auf Benützung der Ehewohnung. Unter diesem Gesichtspunkt ist aber entgegen der vom Revisionsrekurs vertretenen Auffassung die Mietwohnung des Klägers wegen des Kündigungsschutzes, den er gemäß § 30 MRG genießt - Ausnahmen vom Anwendungsbereich des MRG hat der Kläger nicht behauptet -, gegenüber dem Wohnen im eigenen Haus als gleichwertig anzusehen.

Da die Sache schon aus den dargelegten Gründen im Sinne der Bestätigung der Entscheidung des Rekursgerichtes spruchreif ist, muß auf die Frage, ob die Beklagte dem Kläger durch das festgestellte Fehlverhalten das weitere Zusammenleben unerträglich gemacht hat, nicht eingegangen werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Bemessungsgrundlage war nur der Streitwert der vorliegenden Klage, nicht jedoch auch der von der Beklagten inzwischen erhobenen Widerklage.

Anmerkung

E13545

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00608.87.0119.000

Dokumentnummer

JJT_19880119_OGH0002_0040OB00608_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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