TE OGH 1988/1/21 7Ob504/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Ines Verena H***, geboren am 2. März 1979,

infolge Revisionsrekurses der Mutter Elfriede H***, Masseurin, Eberspoint/Vils, Rosenstraße 18, vertreten durch Dr. Bruno Binder und Dr. Helmut Blum, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 23. November 1987, GZ R 245/87-66, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neuhofen/Krems vom 24. September 1987, GZ P 12/87-63, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der mj. Ines Verena H*** ist

seit 15. Februar 1983 geschieden. Die Minderjährige befindet sich in der Pflege und Erziehung des Vaters. Das Besuchsrecht der Mutter wurde mit dem Beschluß des Erstgerichts vom 7. November 1984 (ON 35) in der Form festgelegt, daß sie die Minderjährige an jedem zweiten und vierten Wochende eines jeden Monats in der Zeit von Samstag 8 Uhr bis Sonntag 20 Uhr zu sich nehmen konnte. Auf Grund des Antrags des Vaters vom 31. Dezember 1986 (ON 51) beschränkte das Erstgericht dieses Besuchsrecht ab Juni 1987 auf jedes erste Wochenende jedes zweiten Monats in der Zeit von Samstag 8 Uhr bis Sonntag 20 Uhr. Den Antrag der Mutter, die bisherige Besuchsregelung beizubehalten und darüber hinausgehende Besuchszeiten für die Sommer- und Weihnachtsferien festzulegen, wies es ab. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Beschluß vom 1. Juni 1987 (ON 61) und führte im wesentlichen aus, daß die Beschränkung des Besuchsrechts wegen der unterschiedlichen Lebensauffassung der Eltern (die Mutter ist Anhängerin der Baghwan-Bewegung) dem Wohl des Kindes entspreche, auch wenn das Verhältnis des Kindes zu seiner Mutter gut sei und das Kind seine Mutter öfter sehen möchte. Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Am 22. September 1987 (ON 62) beantragte die Mutter, das Besuchsrecht dahin zu regeln, daß sie berechtigt werde, die Minderjährige an jedem ersten Wochenende eines jeden Monats in der Zeit zwischen Samstag 9 Uhr und Sonntag 20 Uhr (verschiebbar jeweils auf das zweite oder dritte Wochenende eines jeden Monats) und in den Sommerferien in der Zeit vom 16. Juli bis 5. August sowie in den Weihnachtsferien in der Zeit vom 26. Dezember bis 2. Jänner zu sich zu nehmen. Die bestehende Besuchsrechtsregelung sei unangemessen kurz und entspreche nicht dem Alter und dem Wohl des Kindes. Für ein 8-jähriges Kind gewähre die Rechtsprechung einem Elternteil regelmäßig ein 14-tägiges Besuchsrecht. Die Minderjährige wünsche selbst häufigeren Kontakt mit der Mutter.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Eine rechtskräftige Entscheidung über das Besuchsrecht könne zwar grundsätzlich abgeändert werden, wenn sich die Lebensumstände geändert hätten. Die Mutter habe aber keine solche Änderung behauptet. Das Rekursgericht sei auf den von der Mutter behaupteten Wunsch des Kindes bereits in seinem Beschluß vom 1. Juni 1987 eingegangen. Wegen der Rechtskraft dieser Entscheidung hätte ohne konkret behauptete Sachverhaltsänderung keine neue Entscheidung über das Besuchsrecht getroffen werden können.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und teilte die Auffassung des Erstgerichts, daß die Mutter keine konkrete Änderung der Entscheidungsgrundlagen behauptet habe.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluß des Rekursgerichts ist nicht zulässig.

Die Mutter vertritt in ihrem Revisionsrekurs die Auffassung, der Beschluß des Rekursgerichts sei deshalb offenbar gesetzwidrig, weil sie in ihrem Antrag mit der Behauptung, daß die bisherige Praxis nicht dem Wohl des Kindes entspreche und die Minderjährige selbst eine intensivere Ausübung des Besuchsrechts wünsche, eine Änderung der maßgeblichen Lebensumstände behauptet hätte, auf die die Vorinstanzen eingehen hätten müssen.

Aus § 18 AußStrG folgt, daß auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren der materiellen und formellen Rechtskraft fähig sind (SZ 23/276; SZ 38/194; JBl. 1974, 268; NZ 1982, 77; ÖAV 1984, 44). Ein Verstoß gegen sie bildet einen Nichtigkeitsgrund (ÖAV 1984, 44). Hat sich allerdings nachträglich der maßgebliche Sachverhalt später geändert, kann auch die Entscheidung abgeändert oder widerrufen werden (EvBl. 1968/32; JBl. 1974, 268; ÖAV 1984, 44; 1 Ob 546/87). Die Frage der Rechtskraftwirkung einer vorausgegangenen Entscheidung ist eine Verfahrensfrage (6 Ob 199/73). Die Vorinstanzen haben ihre Entscheidungen damit begründet, daß die Mutter keinen neuen Sachverhalt behauptet habe, weshalb die Rechtskraft des vorangegangenen Beschlusses der Entscheidung über den neuen Antrag der Mutter entgegenstehe. Tatsächlich ist das einzige Sachvorbringen der Mutter im neuerlichen Antrag, die Minderjährige selbst wünsche ein intensiveres Besuchsrecht, schon in der vorausgehenden Entscheidung behandelt worden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem anders entschieden wurde (SZ 21/10 und 131 uva). Eine Ermessensentscheidung, nämlich eine nach den gegebenen Umständen zu treffende Regelung, begründet noch keine offenbare Gesetzwidrigkeit, wenn der eine oder andere dieser Umstände nicht gebührend bewertet wurde, es sei denn, daß letzteres ein Verstoß gegen eine eindeutige Gesetzeslage (SZ 24/6) oder gegen die Grundprinzipien des Rechts (SZ 23/289) bedeutet: Ein solches Grundprinzip wäre im Pflegschaftsverfahren die Außerachtlassung des Wohles des pflegebefohlenen Kindes (1 Ob 249/71 uva). Daß das Besuchsrecht der Mutter wegen seiner negativen Auswirkungen auf die Pflegebefohlene einzuschränken ist, haben die Vorinstanzen im vorangegangenen Verfahren aber gerade mit dem Wohl des Kindes begründet. Da die Mutter in ihrem neuerlichen Antrag auf Besuchsrechtsregelung in Wahrheit keinen neuen Sachverhalt behauptete, macht sie im Revisionsrekurs entgegen ihrer wörtlichen Ausführung keine offenbare Gesetzwidrigkeit geltend, weil diese dann nicht vorliegen kann, wenn bloß gegen Verfahrensvorschriften verstoßen worden ist (JBl. 1961, 357 uva). Sie bekämpft auch nur die Annahme der Vorinstanzen, daß die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung einer neuerlichen Entscheidung entgegenstehe. Diese Revisionsrekursausführungen stellen somit in Wahrheit die Behauptung einer Nichtigkeit dar, welche aber nicht vorliegt, weil der Beurteilung der Vorinstanzen zuzustimmen ist.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E12843

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00504.88.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19880121_OGH0002_0070OB00504_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten