TE OGH 1988/1/21 7Ob696/87

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Veröffentlicht am 21.01.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** O*** A*** Aktiengesellschaft, Wien 1., Schwarzenbergplatz 3, vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ernest R***, Kaufmann, Deutschlandsberg, Schwanbergerstraße 8, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 707.010,-- s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. Mai 1987, GZ 4 R 77/87-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11. Dezember 1986, GZ 16 Cg 122/84-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 707.010,-- samt 13 % Zinsen aus S 42.534,50 vom 23. Dezember 1983 bis 29. Jänner 1985 und aus S 664.475,50 ab 30. Jänner 1985 zu bezahlen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 183.626,90 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 15.570,-- Barauslagen und S 15.277,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Hans K*** hatte der klagenden Partei am 27. Juni 1978 eine Option zum Abschluß eines Unterbestandvertrages über die Liegenschaft EZ 503 der KG Kalsdorf zum Zwecke der Errichtung einer Tankstelle mit Servicestation und Nebenanlagen eingeräumt. Die Ausübung der Option war davon abhängig, daß die klagende Partei einen Vertragspartner für die Errichtung und für den Betrieb der Tankstelle findet. Am 15. Juli 1980 machte der Beklagte der klagenden Partei ein schriftliches Anbot zum Abschluß einer diesbezüglichen Vereinbarung (Beilage A). Danach oblag die Errichtung der Anlagen und Betriebseinrichtungen nach Maßgabe der bereits vorliegenden Baupläne und der einvernehmlich zu erstellenden Änderungspläne dem Beklagten. Die Errichtung der Tankstellenanlage sollte im März 1981 begonnen und binnen 6 Monaten abgeschlossen werden. Die klagende Partei verpflichtete sich, dem Beklagten für ein von diesem aufzunehmendes Darlehen von S 4 Mill. einen Zinsenzuschuß von 10 % p.a., berechnet vom fallenden Kapital, maximal jedoch bis zu einer Gesamthöhe von S 2,3 Mill. zu leisten. Ab Inbetriebnahme der Tankstelle war ein Pachtverhältnis zwischen den Streitteilen vorgesehen. Der Beklagte hatte der klagenden Partei als Pachtzins jenen Betrag zu bezahlen, den die klagende Partei an ihren Bestandgeber zu entrichten hatte, zuzüglich 0,5 % des Verkaufswertes der an der Tankstelle erzielten Schmiermittelumsätze. Für das erste Betriebsjahr sollte jedoch eine Refundierung der von der klagenden Partei zu zahlenden Bestandzinse durch den Beklagten entfallen, für das zweite Betriebsjahr sollte dieser Betrag vom Beklagten nur zur Hälfte getragen werden.

Die klagende Partei nahm das Anbot des Beklagten am 12. November 1980 an. Der Beklagte hielt den vorgesehenen Baubeginn März 1981 nicht ein, sodaß der Baubeginn einvernehmlich auf den 1. Februar 1982 verlegt wurde. Der Beklagte hat das Darlehen nicht erhalten und die Anlage bisher nicht hergestellt.

Mit der am 14. Dezember 1983 eingebrachten Klage begehrte die

klagende Partei Vertragserfüllung und Ersatz des ihr durch die

Verspätung entstandenen Schadens von S 142.534,50 sA, abzüglich

eines bereits durch Wechselklage gesondert geltend gemachten

Verspätungsschadens von S 100.000,--. In der Tagsatzung am

29. Jänner 1985 (ON 12) erklärte die klagende Partei den Rücktritt

vom Vertrag und änderte ihr Klagebegehren auf Zahlung des

Nichterfüllungsschadens von zuletzt (nach einer Klagseinschränkung

AS 204, ON 26) S 707,010,-- s.A. Dieser Betrag setzt sich zusammen

aus dem Optionsentgelt an Hans K*** für die

Zeit vom Juli 1980 bis einschließlich

Dezember 1980 von                        S  50.095,--,

dem Bestandzins an Hans K*** für die

Zeit vom Jänner 1981 bis Dezember 1983

von                                      S 301.414,--,

dem Bestandzins an Hans K*** für die

Zeit vom Jänner 1984 bis April 1984 von  S  35.622,--,

der Bestandzinsvorauszahlung an Hans

K*** von                               S 350.000,--,

den Kosten der Umplanung des Projektes

nach den Wünschen des Beklagten von      S  20.000,--,

dem Honorar für den Rechtsanwalt für

die Errichtung des Unterbestandvertrages

von                                      S  49.879,--

zusammen                                 S 807.010,--,

abzüglich des bereits mit Wechselklage

geltend gemachten Betrages von           S 100.000,--.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen sind in Vorgesprächen zwischen Dr. Gerhard S***, einem Außendienstmitarbeiter der klagenden Partei, und dem Beklagten die einzelnen Vertragspunkte besprochen worden. Zur Finanzierung der Errichtung der Tankstelle eröffnete Dr. Gerhard S*** dem Beklagten drei Möglichkeiten: Die Beistellung eines Barbetrages von S 1,3 Mill. durch die klagende Partei ohne Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten, die Beistellung von Geräten und Bestandteilen für die zu errichtenden Anlagen und schließlich die Aufnahme eines Darlehens durch den Beklagten und die Leistung eines Zinsenzuschusses durch die klagende Partei. Der Beklagte entschied sich für die dritte Variante und erklärte, daß die Darlehensaufnahme für ihn kein Problem sei, weil er genügend Sicherheiten habe. Bereits kurze Zeit, nachdem der Beklagte die Urkunde Beilage A unterfertigt hatte, teilte er dem Dr. Gerhard S*** mit, daß er von der Bank das Darlehen nicht erhalte. Dr. Gerhard S*** erklärte die Bereitschaft, bei der Beschaffung des Darlehens behilflich zu sein. Er setzte seinen Vorgesetzten Dr. Günter H*** davon in Kenntnis, daß der Beklagte Schwierigkeiten mit der Darlehensbeschaffung habe. Die klagende Partei ließ nach Unterfertigung der Urkunde Beilage A durch den Beklagten die Vereinbarung betriebsintern dahin prüfen, ob die Tankstelle aus kaufmännischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten für sie günstig sei, und holte eine Information über die Bonität des Beklagten ein, die positiv war. Aufgrund der positiven Prüfungsergebnisse unterfertigte die klagende Partei die Vereinbarung am 12. November 1980. Die klagende Partei ließ in der Folge durch die Firma I***-R***, einem Leasingunternehmen, zwei Finanzierungspläne für den Beklagten (auf Leasingbasis) ausarbeiten, die der Beklagte jedoch ablehnte.

Die klagende Partei hatte bereits am 23. August 1979 mit Hans K*** einen Unterbestandvertrag über die Liegenschaft mit einem monatlichen wertgesicherten Bestandzins von S 7.000,-- abgeschlossen, der sie zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle mit Servicestation berechtigte. Sie bezahlte an Hans K*** für das Objekt an Optionsentgelt für das dritte und vierte Quartal 1980 je S 50.095,--, an Bestandzins für die Zeit vom Jänner 1981 bis Dezember 1983 S 301.414,-- und für die Zeit vom Jänner 1984 bis April 1984 S 35.622,--. Die klagende Partei leistete auch aufgrund der Vereinbarung mit Hans K*** eine Bestandzinsvorauszahlung von S 350.000,--. Für die Umplanung des Tankstellenobjektes wendete sie an Architektenhonorar S 20.000,-- auf. Für die Errichtung des Unterbestandvertrages mit Hans K*** bezahlte die klagende Partei an Anwaltskosten S 49.879,--. Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei der Erhalt eines Darlehens durch den Beklagten nicht Geschäftsgrundlage gewesen und auch nicht ausdrücklich oder schlüssig zur Bedingung erhoben worden. Auch die Vermittlung eines Darlehens durch die klagende Partei sei nicht Vertragsbedingung gewesen. Nach der getroffenen Vereinbarung sei die Beschaffung des Darlehens ausschließlich Sache des Beklagten gewesen. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für eine Irreführung des Beklagten über die Möglichkeit der Darlehensgewährung vor. In der Geltendmachung der Schadenersatzansprüche knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist liege kein Verstoß gegen die guten Sitten. Der klagenden Partei falle auch keine Sorgfaltsverletzung zur Last. Sie habe bis zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Vertrages nicht erkennen können, daß der Beklagte das Darlehen nicht erhalten werde. Der klagenden Partei könne auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie nicht schon die Mitteilung des Beklagtenvertreters vom Juli 1982, daß der Beklagte die Vereinbarung als aufgelöst betrachte, nicht schon zum Anlaß genommen habe, vom Vertrag mit Hans K*** zurückzutreten. Die klagende Partei sei nämlich berechtigt gewesen, zunächst auf Vertragszuhaltung zu dringen. Die Vertragsbestimmung betreffend die Pauschalierung des Schadenersatzes mit S 100.000,-- betreffe lediglich das Tankstellenpachtüberkommen. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß die gesamten Baukosten den vorgesehenen Darlehensbetrag von S 4 Mill. überstiegen hätten, weil es seine Sache gewesen wäre, sich über die Kosten entsprechende Informationen zu beschaffen. Seine Behauptung, der klagenden Partei sei die Unwirtschaftlichkeit des Objektes bekannt gewesen, sei durch die Beweisergebnisse widerlegt. Da der Beklagte seiner Verpflichtung zur Errichtung der Tankstellenanlage nicht nachgekommen sei, sei die klagende Partei zum Vertragsrücktritt berechtigt gewesen und könne den Ersatz des ihr durch die Nichterfüllung des Vertrages verursachten Schadens begehren. Zu diesem Schaden gehörten nicht nur die Kosten für die Umplanung des Projektes, sondern auch die Kosten der klagenden Partei an Optionsgeldern und Bestandzinszahlungen sowie die Bestandzinsvorauszahlung an Hans K*** und schließlich auch die Kosten für die Errichtung des Unterbestandvertrages, da alle diese Zahlungen im Hinblick auf den mit dem Beklagten abgeschlossenen Vertrag erfolgt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Die klagende Partei macht Schadenersatzansprüche nach Vertragsrücktritt geltend. Nach § 921 ABGB läßt der Rücktritt vom Vertrag den Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Dieser Ersatzanspruch des Gläubigers ist nicht auf den bloßen Differenzschaden beschränkt, er umfaßt neben dem Differenzschaden auch alle Auslagen, die dem Zurücktretenden im Zusammenhang mit dem Rechtsgeschäft erwachsen sind (SZ 46/109; SZ 43/98; HS 8314/3; vgl. auch Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 921). Der Ersatzanspruch nach § 921 ABGB ist jedoch, wie auch das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, ein Schadenersatzanspruch und unterliegt daher den für solche Ansprüche geltenden Regeln. Voraussetzung eines Ersatzanspruches ist demnach ein Verschulden des Schuldners, wobei dem Verschulden an der Erfüllungsvereitlung ein vom Schuldner zu vertretender Zufall gleichzuhalten ist (RZ 1972, 14). Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall. Bei Beurteilung dieser Frage ist in Übereinstimmung mit der klagenden Partei davon auszugehen, daß es sich bei der Urkunde Beilage A um ein Anbot des Beklagten auf Vertragsabschluß handelte. Die Urkunde enthielt alle wesentlichen Punkte des abzuschließenden Vertrages und brachte den Bindungswillen des Beklagten zum Ausdruck. Durch bloße Unterfertigung der Urkunde durch die klagende Partei konnte der Vertrag perfektioniert werden. Mangels Fristsetzung war der Beklagte an dieses Anbot gemäß § 862 ABGB nur für die Zeit gebunden, die der Postlauf des Anbots, eine angemessene Überlegungsfrist der klagenden Partei und der Postlauf der Antwort erforderten (Rummel aaO Rz 3 zu § 862). Das Anbot ist der klagenden Partei jedenfalls noch im Juli 1980 zugegangen (AS 58), wurde von ihr aber erst am 12. November 1980 angenommen, weil die klagende Partei eine nochmalige Prüfung des Projektes in kaufmännischer, betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht vornahm (AS 58 f).

Selbst unter Berücksichtigung der Wichtigkeit des Geschäftes war mit

Rücksicht darauf, daß die klagende Partei den Bestandvertrag mit

Hans K*** über die Liegenschaft zwecks Errichtung einer Tankstelle

bereits am 23. August 1979 abgeschlossen, demnach bereits damals die

Errichtung einer Tankstelle auf der Liegenschaft in Aussicht

genommen hatte, und eingehende Vorverhandlungen stattfanden, eine

Überlegungsfrist von mehr als 3 Monaten nicht gerechtfertigt, weil

die klagende Partei aufgrund der dargelegten Umstände bereits vor

Erhalt des Anbots hinreichend Zeit hatte, die kaufmännischen,

betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu erwägen,

unter denen ein Vertragsabschluß für sie vertretbar erschien. Daraus

folgt, daß im Zeitpunkt der Anbotsannahme durch die klagende Partei

das Anbot des Beklagten bereits erloschen war und sich die Annahme

daher in Wahrheit als neuer Antrag zum Vertragsabschluß darstellte,

der dann auch vom Beklagten angenommen wurde (Beilage C). Zum

Zeitpunkt des neuen Antrages hatte der Beklagte die klagende Partei

aber bereits darüber aufgeklärt, daß ein Umstand vorliegt, der dem

vorgesehenen Leistungsaustausch entgegensteht, nämlich der

Nichterhalt eines Darlehens für die Errichtung der Anlagen. Wenn der

Beklagte dann dennoch bereit war, den Antrag der klagenden Partei

nach Vorlage einer Zusage seitens der klagenden Partei, sich für den

Erhalt eines Darlehens zu verwenden, anzunehmen, kann ihm kein

Vorwurf gemacht werden. Die Finanzierung der Tankstellenanlage in

Leasingform wurde nie in Erwägung gezogen, sodaß es dem Beklagten

auch nicht als Schuldvorwurf angelastet werden kann, wenn er das

Anbot der Leasinggesellschaft ablehnte. Die Erfolglosigkeit der Bemühungen der klagenden Partei zum Erhalt eines Darlehens sind einem Zufall gleichzuhalten, den aber die klagende Partei und nicht der Beklagte zu vertreten hat. Mangels eines Verschuldens des Beklagten oder eines von ihm zu vertretenden Zufalls an der Erfüllungsvereitlung kann der Beklagte daher nicht zur Haftung für den Schaden der klagenden Partei herangezogen werden. Demgemäß erübrigt sich eine Erörterung der übrigen von der Revision aufgeworfenen Fragen, weshalb der Revision Folge zu geben ist. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13228

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00696.87.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19880121_OGH0002_0070OB00696_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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