TE OGH 1988/1/21 7Ob694/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** T*** Aktiengesellschaft, Bludenz, Bleichestraße 1, vertreten durch Dr.Roland Piccolruaz, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei K*** & N*** Aktiengesellschaft, Embrach/Embraport, Schweiz, vertreten durch Dr.Othmar Simma, Dr.Alfons Simma und Dr.Ekkehard Bechtold, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen CFA 81,800.000,-- s.A., infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30.Juni 1987, GZ 1 R 77/87-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 23.Dezember 1986, GZ 7 Cg 2525/85-25, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen CFA 81,800.000,-- samt 9,25 % Zinsen aus CFA 68,856.220,-- vom 4.April 1984 bis 11.Februar 1985, 9,25 % Zinsen aus CFA 81,800.000,-- vom 12.Februar 1985 bis 30. Juni 1985 sowie 8,75 % Zinsen aus CFA 81,800.000,-- seit 1. Juli 1985 im Schillinggegenwert zum Warenkurs der Wiener Börse am Zahlungstag zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 605.681,55 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 145.476,20 Barauslagen und S 41.836,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Sidi DA S*** M*** kaufte im November 1983 bei der klagenden Partei Damast zum Preise von CFA (westafrikanische Franc) 81,800.000,-- und beauftragte die beklagte Partei zur Versendung der Ware nach Cotonou in Benin (Afrika). Gottfried K*** richtete im Namen der beklagten Partei am 16.November 1983 an die klagende Partei ein (irrtümlich an die Firma G***, M*** & C***. adressiertes) Schreiben (Beilage B) mit folgendem Inhalt: "Die Firma K*** & N*** übernimmt eine vorläufige Zahlungsgarantie über den Betrag von CFA 81,900.000,--.... für die Sendung von Mme DA S***, Cotonou/Benin und behält sich das Recht vor, diese Waren nach Übernahme bis anfangs Dezember entweder hier oder im Verschiffungshafen auf unsere Kosten zu lagern. Dies ist deshalb notwendig, als bis spätestens zu diesem Termin der in Lagos oder Contonou übergebene Geldbetrag hier eintreffen muß. Sollte aus welchem Grunde auch immer, der Transfer nicht eingehen, werden Ihnen die Waren ohne Speditionskosten zurückgegeben." Die Ware wurde der Empfängerin ausgefolgt, der Kaufpreis ist bei der klagenden Partei nicht eingelangt. Die klagende Partei begehrt gestützt auf das obgenannte Schreiben von der beklagten Partei den Schillingwert des Kaufpreises s.A.

Das Erstgericht verwarf mit dem in die Endentscheidung aufgenommenen Beschluß die Einreden der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Es gab dem Klagebegehren samt stufenweisen Zinsen statt und wies lediglich (rechtskräftig) ein Zinsenmehrbegehren ab. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hatte die beklagte Partei bis zum Jahre 1976 eine Niederlassung in Lustenau, in der Gottfried K*** von 1974 bis 1976 als Angestellter mit Abschlußvollmacht für den Bereich der Luftfrachtgeschäfte tätig war. Die beklagte Partei schloß dann mit der Speditionsfirma F*** einen Kooperationsvertrag. Die bisherigen Angestellten der beklagten Partei und ihre Büroräumlichkeiten wurden von der Firma F*** übernommen. Die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis blieb jedoch bei der beklagten Partei. Es wurden auch weiterhin von Gottfried K*** Speditionsgeschäfte ausschließlich für die beklagte Partei abgeschlossen. Im Jahre 1981 übernahm die Stellung der Firma F*** die Firma S*** & Co. Das Büro für Luft- und Seefrachtgeschäfte war von den Geschäftsräumlichkeiten der Firma S*** & Co. vollkommen getrennt. Die in dem Büro tätigen 5 Angestellten erhielten ihre Anweisungen ausschließlich von der beklagten Partei, die auch die Büroeinrichtung finanzierte und der Firma S*** & Co. den Personal- und Sachaufwand für das Büro ersetzte. Die Aufschrift am Geschäftseingang "Firma S*** & Co." erhielt den Zusatz:

Repräsentanz der Firma K*** & N***. Gottfried K*** war von der beklagten Partei weiterhin als Leiter des BÜros für Luft- und Seefrachtgeschäfte bestellt worden. Es war zum Abschluß von Speditionsgeschäften für die beklagte Partei berechtigt und konnte auch im normalen Rahmen liegende Preisnachlässe gewähren. In Vorarlberg, insbesondere in den Kreisen der Textilunternehmer war es seit 1976 bekannt, daß Gottfried K*** die Speditionsgeschäfte für die beklagte Partei abschloß und die Firmen F*** und S*** & Co. nur als Konzessionsträger auftraten. Dem Prokuristen der beklagten Partei Wilhelm B*** war auch bekannt, daß Gottfried K*** aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit von den Kunden in Vorarlberg als der kompetente Geschäftsführer der beklagten Partei angesehen wurde. Die beklagte Partei hatte bis Mitte des Jahres 1983 in Vorarlberg einen hohen Marktanteil am Luftfrachtgeschäft, insbesondere bei Stickereiexporten nach Afrika. Mit Wirkung vom 1.April 1976 wurde von Nigeria ein Einfuhrverbot für Stickereiwaren erlassen und der Devisentransfer für solche Geschäfte untersagt. In der Praxis wurden diese Verbote in der Regel durch Bestechung von Zoll- und Polizeibeamten umgangen. Es kam wiederholt vor, daß illegale Wareneinfuhren und Geldtransporte von den afrikanischen Behörden aufgedeckt wurden und der Kaufpreis dann nicht in Österreich einlangte. Dieses Risiko war den Vorarlberger Textilunternehmen allgemein bekannt. Eine Verschärfung der Situation trat ab dem 30.Dezember 1983 nach einem Militärputsch ein, nach dem ein Großteil der Polizei- und Zollbeamten ausgewechselt wurde. Ob auch für Benin ein Einfuhrverbot für Stickereiwaren bestand, konnte nicht festgestellt werden. Die Ausfuhr von Zahlungsmitteln in der Größenordnung von mehreren Millionen westafrikanischen Franc bedurfte jedoch der behördlichen Bewilligung. Dies war dem Prokuristen der klagenden Partei Wolfgang K*** bekannt. Illegale Geldtransporte in das Ausland wurden bis zum Jahre 1983 von den afrikanischen Käufern in der Regel selbst besorgt. Infolge einer rückläufigen Entwicklung der Textilexporte nach Afrika setzten die afrikanischen Kunden ihre ausländischen Lieferanten dahin unter Druck, daß diese teilweise den Geldtransfer und das Risiko des Geldtransportes selbst übernehmen mußten. Unter den Textilexporteuren in Vorarlberg war es teilweise üblich, bei Exporten nach Afrika der Auslieferung der Ware an den Kunden erst zuzustimmen, wenn der Kaufpreis in Vorarlberg eingelangt war. Schon ab dem Jahre 1983 war es bei den Spediteuren in Vorarlberg allgemein üblich, für den Kaufpreis eine Inkasso- und Treuhandfunktion in der Weise zu übernehmen, daß aufgrund einer Vereinbarung mit den Vertragspartnern des Kaufvertrages die Ware an den afrikanischen Käufer erst ausgeliefert wird, wenn der Kaufpreis beim Spediteur im Inland eingelangt ist. Die Übernahme von Zahlungsgarantien durch Spediteure war jedoch nicht üblich. Da ab dem Jahre 1983 von konkurrierenden Spediteuren in Vorarlberg illegale Geldtransporte für ihre Kunden aus Afrika nach Österreich durchgeführt wurden, versuchte auch Gottfried K***, um an die entsprechenden Speditionsaufträge heranzukommen, von der beklagten Partei die Genehmigung zu solchen Geldtransporten zu erhalten. Diese Genehmigung wurde jedoch nicht erteilt. Der Geschäftsführer der beklagten Partei brachte Gottfried K*** gegenüber eindeutig zum Ausdruck, daß eine solche Vorgangsweise den Geschäftsprinzipien der beklagten Partei widerspreche und illegale Geldtransporte von der beklagten Partei nicht durchgeführt werden.

Nachdem Sidi DA S*** M*** die Ware bei der klagenden Partei ausgesucht hatte, fand etwa Mitte November 1983 zwischen ihr und dem Prokuristen der klagenden Partei Wolfgang K*** eine Besprechung in einem Hotel über die Abwicklung und Finanzierung des Kaufes statt. Wolfgang K*** bestand auf Barzahlung in CFA im voraus. Sidi DA S*** M*** erklärte, nur Nairas (nigerianische Zahlungsmittel) zur Verfügung zu haben. Gottfried K***, der zur Besprechung hinzugekommen war, machte das Anbot, die Umwechslung in CFA und den Transport des Geldes nach Vorarlberg zu übernehmen. Wolfgang K*** erklärte, die Ware nicht aus der Hand zu geben, bevor die klagende Partei nicht den Kaufpreis habe oder eine schriftliche Bestätigung der beklagten Partei vorliege, die Haftung für die Bezahlung des Kaufpreises zu übernehmen. Die Möglichkeit einer Haftungsübernahme wurde deshalb erörtert, weil Sidi DA S*** M*** auf eine Auslieferung der Ware vor Weihnachten drängte. Mit dem illegalen Geldtransfer war sie einverstanden. Auf welche Weise Gottfried K*** den Geldtransport durchführen sollte, wurde nicht erörtert. Zwischen Sidi DA S*** M*** und Wolfgang K*** war ein Kaufpreis von CFA 81,800.000,-- vereinbart worden. Bei einer weiteren Besprechung zwischen Gottfried K*** und Wolfgang K*** im Büro der beklagten Partei in Lustenau betonte Wolfgang K*** neuerlich, daß die Ware erst ausgeliefert werden dürfe, wenn der Kaufpreis bei der klagenden Partei eingelangt ist oder eine Haftungserklärung vorliegt. Gottfried K*** stellte eine schriftliche Bestätigung in Aussicht. Der Wortlaut dieser Bestätigung wurde nicht erörtert. Vor seiner Abreise nach Afrika verfaßte Gottfried K*** auf Briefpapier der beklagten Partei die Erklärung Beilage B und deponierte sie im Büro. Einige Tage später teilte Gottfried K*** dem Wolfgang K*** telefonisch aus Afrika mit, daß er das Geld habe. Nach Erwiderung, daß das Geld noch nicht bei der klagenden Partei eingelangt sei, veranlaßte Gottfried K***, daß die Urkunde Beilage B der klagenden Partei ausgefolgt wurde. Die beklagte Partei erhielt keine Durchschrift der Urkunde und wurde auch sonst nicht über den Inhalt des Geschäftes informiert. Nach Erhalt der Urkunde Beilage B war die klagende Partei mit der Übergabe der Ware an die Vertreter der beklagten Partei in Lustenau einverstanden. Die Ware wurde zunächst in der Lagerhalle beim Büro deponiert. Sidi DA S*** M***, die dem Gottfried K*** den Kaufpreis Ende

November 1983 ausgehändigt hatte, drängte auf Übergabe der Waren. Gottfried K*** veranlaßte daraufhin den Versand an den Bestimmungsort. Den Kaufpreis übergab er einem Mittelsmann zum Weitertransport. Aus welchen Gründen das Geld in Österreich nicht eingelangt ist, konnte nicht festgestellt werden.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs. 1 JN gegeben, weil die beklagte Partei in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung der Klage Forderungen gegen Kunden in Vorarlberg in Höhe von sfr 250.000,-- bis 300.000,-- gehabt habe. Es liege aber auch der Gerichtsstand der Niederlassung nach § 87 Abs. 1 JN und der Gerichtsstand nach § 99 Abs. 3 JN vor. Außerdem sei auch eine hinreichende Inlandsbeziehung gegeben. Die Vereinbarung der Streitteile sei nach inländischem Sachrecht zu beurteilen. Danach sei Gottfried K*** als zur Abgabe der Erklärung laut Beilage B namens der beklagten Partei als bevollmächtigt anzusehen. Mit der Verpflichtung der beklagten Partei, die Ware erst nach Einlangen des Kaufpreises auszuliefern, sei kein besonderes Risiko verbunden gewesen. Die Übernahme einer solchen Treuhandfunktion habe der Übung im Speditionsgewerbe im Jahre 1983 in Vorarlberg entsprochen. Durch die Auslieferung der Ware vor Einlangen des Kaufpreises habe Gottfried K*** als Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei gegen die vertraglich übernommene Schutz- und Sorgfaltspflicht verstoßen. Ein solcher Verstoß mache unabhängig von der Gültigkeit des Grundgeschäftes schadenersatzpflichtig. Die allgemeinen Bedingungen des Schweizer Speditionsverbandes seien nicht Vertragsinhalt geworden, sodaß sich die beklagte Partei nicht auf die dort enthaltene Verjährungsbestimmung berufen könne.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß der Berufung der klagenden Partei, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Einreden der örtlichen Unzuständigkeit und des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit richtete, nicht Folge, hob im übrigen das Ersturteil, soweit es nicht in seinem das Zinsenmehrbegehren abweisenden Teil in Rechtskraft erwachsen ist, unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Zur Beurteilung der Frage, ob im Rahmen des zwischen der beklagten Partei und Sidi DA S*** M*** abgeschlossenen Speditionsvertrages wirksam die Nebenabrede betreffend die Auslieferung des Speditionsgutes getroffen worden sei, hielt das Berufungsgericht ergänzende Feststellungen darüber für erforderlich, ob Sidi DA S*** M*** dieser Nebenabrede zugestimmt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Dem Rekurs der beklagten Partei kommt Berechtigung zu.

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß in den Anwendungsbereich des Stellvertretungsstatuts des § 49 IPRG nicht nur die Frage fällt, ob eine Vollmacht besteht, sondern insbesondere auch die Frage nach dem Umfang der Vollmacht. Die Richtigkeit der Lösung dieser kollisionsrechtlichen Frage im Sinne der Anwendung österreichischen Sachrechtes durch das Berufungsgericht wird von den Rechtsmittelwerbern nicht in Zweifel gezogen, sodaß insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann.

Nach § 54 Abs. 1 HGB erstreckt sich die Vollmacht desjenigen, der ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt ist (Handlungsvollmacht), auf alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Daß dem Gottfried K*** Handlungsvollmacht im Sinne des § 54 Abs. 1 HGB zukam, kann nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zweifelhaft sein, war er doch von der beklagten Partei zum Leiter des Büros für Luft- und Seefrachtgeschäfte in Lustenau bestellt und befugt, für die beklagte Partei Speditionsgeschäfte abzuschließen. Dies ist auch zwischen den Parteien nicht mehr strittig. Meinungsverschiedenheit besteht aber noch darüber, ob die Erklärungen des Gottfried K*** laut Beilage B vom Umfang seiner Vollmacht gedeckt waren. Diese Entscheidung hängt davon ab, ob es sich bei dieser Erklärung um ein gewöhnliches oder ungewöhnliches Geschäft im Sinne des § 54 Abs. 1 HGB handelt. Die Frage der Ungewöhnlichkeit eines Geschäftes ist nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu beurteilen (Friedl-Schinko in Straube HGB Rdz 10 zu § 54 mwN; Würdinger in Großkommentar HGB3 I Anm. 3 zu § 54). Ein ungewöhnliches Geschäft liegt dann vor, wenn mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Unternehmens ungewöhnlich große Verpflichtungen eingegangen oder besondere Bedingungen, wie sie im betreffenden Geschäftszweig nicht üblich sind, gewährt werden. Die Grenze zur Ungewöhnlichkeit kann nicht bloß unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit der vertragsmäßigen Erfüllung geprüft werden, vielmehr müssen auch die mit dem Geschäft verbundenen Risken und die Folgen allenfalls auftretender Hindernisse bei der Erfüllung in Betracht gezogen werden (Friedl-Schinko aaO). Es kann somit, wenn ein Geschäft oder eine Rechtshandlung der Art nach zwar in den Vollmachtsrahmen fällt, das einzelne Geschäft dennoch wegen seiner Eigenart, wie etwa seiner besonderen Tragweite, des spekulativen Einschlages und dgl. durch die Vollmacht nicht gedeckt sein (Würdinger aa0). Nach diesen Grundsätzen haben die Vorinstanzen zu Recht die Übernahme der Zahlungsgarantie als ungewöhnliches Rechtsgeschäft beurteilt. Solche Zahlungsgarantien waren auch nach den Feststellungen der Vorinstanzen am Ort des Abschlusses des Speditionsvertrages im Geschäftsverkehr der Spediteure nicht üblich. Die Einziehung von Nachnahmen gehört dagegen zu jenen Nebenleistungen, die ein Spediteur üblicherweise übernimmt. Es handelt sich hiebei darum, daß der Spediteur es übernimmt, bestimmte Geldbeträge wie etwa den Kaufpreis oder die Fracht für Rechnung des Versenders beim Empfänger einzubeziehen. Ist der Spediteur selbst mit der Auslieferung an den Empfänger betraut, darf er das Gut an den Empfänger nur übergeben, wenn er den entsprechenden Nachnahmebetrag erhalten hat. Sonst muß er die von ihm beauftragten Frachtführer etc. entsprechend anweisen, die Nachnahme einzuheben (Schütz in Straube aa0 Rdz 34 zu § 407). Den Vorinstanzen ist darin zu folgen, daß die Urkunde Beilage B nicht nur eine Zahlungsgarantie, sondern auch die Verpflichtung enthält, die Ware erst nach Einlangen des EFA-Betrages in Lustenau auszufolgen. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, sollte das Einlangen des Geldbetrages bei der klagenden Partei maßgeblich sein. Diese Vereinbarung diente offensichtlich demselben Zweck, wie ein Nachnahmeauftrag. Gleichwohl ist sie als ungewöhnliches Rechtsgeschäft zu beurteilen, auch wenn nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Übernahme von Inkasso- und Treuhandfunktionen durch Spediteure bei Exporten nach Afrika jedenfalls in Vorarlberg üblich war. Nach den obigen Darlegungen kommt nämlich erhebliche Bedeutung den Umständen des Einzelfalles und der Eigenart des Rechtsgeschäftes zu. Im vorliegenden Fall war die klagende Partei nicht Versender der Ware, es handelte sich nicht um die Übernahme eines Auftrages des Versenders durch den Spediteur. Die Ausfuhr eines CFA-Betrages in Höhe des Kaufpreises aus dem Staate Benin bedurfte der behördlichen Bewilligung. Eine solche Bewilligung lag nicht vor. Es handelte sich somit unbestritten um einen gesetzwidrigen (illegalen) Geldtransport, dessen Besorgung Gottfried K*** im eigenen Namen übernommen hatte. Im Verhältnis zwischen der klagenden Partei und Sidi DA S*** M*** sind jedenfalls zwingende devisenrechtliche Bestimmungen des Staates Benin beachtlich, weil dort gelegene Vermögenswerte betroffen sind und insoweit auch der Erfüllungsort in diesem Staat liegt (vgl. Schwimann in Rummel ABGB Rdz 10 vor § 35 IPRG mwN). Die Vereinbarung des Gottfried K*** mit der klagenden Partei diente demnach der Abwicklung eines gesetzwidrigen Geldtransportes. Die Auffassung der Vorinstanzen, daß mit dieser Vereinbarung für die beklagte Partei kein Risiko verbunden war, kann nicht geteilt werden. Es war von vornherein klar, daß die beklagte Partei im Falle eines Mißlingens des Geldtransportes und einer Fehldisposition auf ihrer Seite zwar für den Schaden der klagenden Partei einzustehen, aber kaum eine Möglichkeit hat, allfällige Regreß- oder Bereicherungsansprüche gegen Dritte mit Erfolg geltend zu machen. Eine Vereinbarung, durch die ein gesetzwidriger Geldtransport abgesichert werden soll und mit der auch ein erhebliches Risiko verbunden sein kann, fällt nicht unter die Rechtsgeschäfte, die der Abschluß eines Speditionsvertrages im Luft- bzw. Seefrachtbereich gewöhnlich mit sich bringt. Daraus ergibt sich, daß die Vereinbarung des Gottfried K*** mit der klagenden Partei von dessen Handlungsvollmacht nicht gedeckt und mangels nachträglicher Genehmigung durch die beklagte Partei für diese nicht verbindlich waren. Der beklagten Partei fällt dann aber auch keine Vertragsverletzung als Voraussetzung einer Ersatzpflicht zur Last.

Demgemäß ist dem Rekurs der beklagten Partei Folge zu geben und gemäß § 519 Abs. 2 ZPO in der Sache selbst durch Urteil, im Sinne einer Abweisung der noch strittigen Klagsforderung, zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13331

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00694.87.0121.000

Dokumentnummer

JJT_19880121_OGH0002_0070OB00694_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten