TE Vwgh Beschluss 2005/9/21 2005/16/0176

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Veröffentlicht am 21.09.2005
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
L34003 Abgabenordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art132;
GdO NÖ 1973 §36;
LAO NÖ 1963 §48;
VwGG §27;
VwGG §28 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs3;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2005/16/0181 B 21. September 2005 2005/16/0182 B 21. September 2005 2005/16/0157 B 21. September 2005 2005/16/0183 B 21. September 2005 2005/16/0189 B 21. September 2005 2005/16/0180 B 21. September 2005 2005/16/0179 B 21. September 2005 2005/16/0178 B 21. September 2005 2005/16/0177 B 21. September 2005 2005/16/0151 B 21. September 2005 2005/16/0161 B 21. September 2005 2005/16/0188 B 21. September 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., in der Beschwerdesache der J AG in W, vertreten durch die Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1013 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde M wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Getränkesteuer, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Bürgermeister der Stadtgemeinde M wies den Antrag der Beschwerdeführerin vom 8. Mai 1998 auf Festsetzung der Getränkesteuer sowie auf Rückerstattung der in den Jahren 1995 bis 1997 abgeführten Getränkesteuer (Filiale W) mit Bescheid vom 22. Mai 1998 als unbegründet ab.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2004 gab die NÖ Landesregierung der in dieser Sache erhobenen Vorstellung Folge, behob den bekämpften Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 7. Mai 2001 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadtgemeinde M.

Mit Schriftsatz vom 29. Juni 2005 brachte die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Als belangte Behörde wird der Gemeinderat der Stadtgemeinde M bezeichnet.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde.

Sinn dieser Bestimmung ist es, in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird.

Welche Behörde belangte Behörde des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, kann allerdings - wie der Verwaltungsgerichtshof für das Bescheidbeschwerdeverfahren ausgesprochen hat - nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch die Beschwerdeführerin ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welche bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist. Dies gilt auch in Säumnisbeschwerdefällen, wenn aus der Beschwerde in ihrem Gesamtzusammenhang (einschließlich allfälliger Beilagen, wie z.B. Berufung an die säumige Behörde) zweifelsfrei hervorgeht, welcher obersten Behörde im Sinne des Art. 132 B-VG die Verletzung der Entscheidungspflicht vorgeworfen wird (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 30. September 1993, Zl. 92/17/0223, und das dort angeführte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Zl. 85/18/0078, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. N.F. Nr. 12.088/A, wo fallbezogen ausgesprochen wurde, es sei nach der damaligen Aktenlage eindeutig erkennbar, dass sich die Beschwerde nicht gegen den in ihr bezeichneten "Hilfsapparat" des Amtes der Landesregierung, sondern gegen die Landesregierung selbst richte).

Es ist freilich unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes und der belangten Behörde ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dessen Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Jänner 1989, Zl. 88/17/0183, und die dort zitierte Rechtsprechung, sowie den hg. Beschluss vom 20. Februar 1992, Zl. 92/08/0005). Diese Beurteilung gilt angesichts desselben dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 VwGG als auch für die Bezeichnung der belangten Behörde in Säumnisbeschwerden gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. (hg. Beschlüsse vom 22. Februar 1991, Zl. 90/17/0181, und vom 25. August 2005, Zl. 2005/16/0211).

Gemäß § 48 NÖ AO in der geltenden Fassung iVm § 36 NÖ GemO ist in den Angelegenheiten der Gemeindeabgaben in zweiter Instanz der Stadtsenat (Gemeindevorstand) sachlich zuständig.

Der Stadtsenat der Stadtgemeinde M hat daher über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M vom 22. Mai 1998 zu entscheiden.

Im Beschwerdefall hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich dem Gemeinderat der Stadtgemeinde M eine Säumnis bei der Entscheidung über die von ihr erhobene Berufung gegen den Bescheid erster Instanz in einer Getränkesteuersache zum Vorwurf gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin mit der so bezeichneten belangten Behörde in Wahrheit den gemäß § 48 NÖ AO iVm § 36 NÖ GemO zuständigen Stadtsenat der Stadtgemeinde M gemeint hat, sind weder der Beschwerde noch der dieser angeschlossenen Beilagen zu entnehmen. Auch die Berufung enthält nämlich keine ausdrückliche Bezeichnung der Berufungsbehörde. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Eine Umdeutung der in der Beschwerde ausdrücklich bezeichneten belangten Behörde in den Stadtsenat der Stadtgemeinde M kommt daher nicht in Betracht (vgl. die oben schon zitierten hg. Beschlüsse vom 30. September 1993, Zl. 92/17/0223, und vom 25. August 2005, Zl. 2005/16/0211).

Unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG ist es, dass jene Behörde, der Säumnis zur Last gelegt wird, verpflichtet war, über den betreffenden Antrag zu entscheiden

Da der im Beschwerdefall belangte Gemeinderat der Stadtgemeinde M zur Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung gar nicht zuständig ist, fehlte der Beschwerdeführerin ihr gegenüber die Beschwerdelegitimation, weil diese Behörde, entgegen der Behauptung in der Säumnisbeschwerde, nicht zur Entscheidung über die Berufung berufen und daher auch nicht diejenige Behörde gewesen ist, durch deren Säumnis die Beschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt werden konnte.

Die Säumnisbeschwerde war daher wegen des Fehlens der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 21. September 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005160176.X00

Im RIS seit

20.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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