TE OGH 1988/1/26 8Ob676/87

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Veröffentlicht am 26.01.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 15. Juli 1986 verstorbenen Eva Susanne Z***, infolge Revisionsrekurses des Witwers Guido Z***, 1190 Wien, Glanzinggasse 38, vertreten durch Dr. Robert Hein, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 22. Oktober 1987, GZ 47 R 774, 775/87-31, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 20. August 1987, GZ 3 A 364/86-25, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin hinterließ drei aus ihrer ersten Ehe stammende Kinder, nämlich Veronika B***, Barbara B***-B*** und Thomas B*** sowie zwei minderjährige Kinder Ira und Dina aus zweiter Ehe mit Guido Z***. Mit Testament vom 10. Juni 1986 setzte sie ihre drei oben genannten Kinder aus erster Ehe zu Erben ein und beschränkte die Kinder aus zweiter Ehe auf den Pflichtteil. Die von den Kindern Thomas, Veronika und Barbara B*** zum gesamten Nachlaß abgegebenen bedingten Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen und ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Nach der Todfallsaufnahme war der letzte Wohnsitz der Erblasserin in 1190 Wien, Glanzinggasse 38, wo der Witwer und die beiden mj. Kinder aus der zweiten Ehe wohnhaft sind. Am 1. Juli 1987 verwehrte der Witwer der Gerichtskommission, die die Inventarisierung und Schätzung in der Wohnung in der Glanzinggasse 38 durchführen wollte, den Zutritt.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 20. Juli 1987, ON 21, wurde die Schätzung der im Besitze der Erblasserin im Hause 1190 Wien, Glanzinggasse 38, befindlichen Nachlaßgegenstände unter Beiziehung des Gerichtsvollziehers angeordnet, der Gerichtskommissär wurde ersucht, nach Terminvereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher die Schätzung, insbesondere der in der letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 1. Juli 1986 genannten Gegenstände vorzunehmen. Gleichzeitig wurde angeordnet, daß den erbl. Kindern dabei Eintritt in das Haus zu gewähren sei (Punkt 1.). Für den Fall der Verweigerung des Eintrittes in die Wohnung wurde Guido Z*** die Verhängung einer Ordnungsstrafe in der Höhe von S 5.000,-- angedroht (Punkt 2.).

Gegen die Anordnung der Schätzung im Haus Glanzinggasse 38 unter Anwesenheit der erbl. Kinder aus erster Ehe, sowie die Androhung der Ordnungsstrafe richtete sich die Vorstellung des Rekurswerbers. Mit Beschluß vom 20. August 1987, ON 25, wies das Erstgericht die Vorstellung des Einschreiters hinsichtlich der Androhung einer Ordnungsstrafe zurück. Im übrigen wurde der Vorstellung nicht Folge gegeben.

Das Erstgericht begründete diesen Beschluß damit, daß gegen die Androhung der Verhängung einer Ordnungsstrafe kein Rechtsmittel zulässig sei, und führte weiter aus, daß das Haus in der Glanzinggasse Nr. 38 bis zum Ableben der Erblasserin ungeachtet des Umstandes, daß diese die Absicht gehabt hat die häusliche Gemeinschaft aufzuheben, die gemeinsame Ehewohnung gewesen sei. Daß die Zuziehung der Erben bei der Inventarisierung notwendig sei, wurde nochmals betont.

Der Rekurs des Guido Z*** gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 25 blieb erfolglos.

Das Rekursgericht führte aus, der Rekurswerber erachte sich dadurch beschwert, daß das Erstgericht die Schätzung insbesondere auch von Fahrnissen der Erblasserin in der früheren Ehewohnung in 1190 Wien, Glanzinggasse 38, angeordnet habe. Daß die Errichtung eines Inventars erforderlich sei, stehe nicht in Frage (§ 92 AußStrG). Das Inventar müsse aber ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitze sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden habe, enthalten und den damaligen Wert und Beitrag desselben klar anzeigen (§ 97 Abs 1 AußStrG). Die Frage, inwieweit die Aufhebung der ehelichen (gemeint wohl: häuslichen) Gemeinschaft zwischen der Erblasserin und dem Rekurswerber tatsächlich durchgeführt wurde, könne derzeit auf sich beruhen. Der Rekurswerber habe in der von ihm erhobenen Vorstellung vom 19. August 1987, (ON 27/AS 75) ausgeführt, daß sich noch verschiedene zur Verlassenschaft gehörige Gegenstände in seiner Gewahrsame befinden, die "jederzeit (nach Vereinbarung eines Termins) bei mir geschätzt werden können .....". Auch in dem Rekurs gebe der Rekurswerber zu, daß noch gewisse Sachen in der Glanzinggasse 38 verblieben seien. Damit sei aber klargestellt, daß eine Schätzung und Inventarisierung von Gegenständen im Hause Glanzinggasse notwendig sei. Um welche Gegenstände es sich dabei handle, sei für die Entscheidung ohne Bedeutung. Die rechtliche Möglichkeit einer Einflußnahme des Witwers auf die "angemessene" Zahl der Personen der Gerichtskommission bestehe nicht. Daß bei Schätzungen neben dem Gerichtskommissär auch Sachverständige anwesend sind, liege in der Natur der Sache. Die Kinder aus erster Ehe der Erblasserin hätten als Erben das Recht, bei der Schätzung von Nachlaßteilen im Zuge der Inventierung anwesend zu sein. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden - und werde im übrigen auch nicht behauptet -, daß es im Rahmen der Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Rekurswerber und den Erben kommen würde.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes, soweit mit dieser Entscheidung dem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 25 nicht Folge gegeben wurde, jedoch nur hinsichtlich der beiden letzten Sätze des Punktes 1. des erstgerichtlichen Beschlusses ON 21, richtet sich der Revisionsrekurs des Gudio Z*** mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß im Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses ON 21 die nachstehenden Sätze zu entfallen haben: "Der Gerichtskommissär wird ersucht, nach Terminvereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher die Schätzung insbesondere der in der letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 1. Juli 1986 genannten Gegenstände vorzunehmen. Den erblasserischen Kindern ist dabei Eintritt in das Haus zu gewähren."

Der Revisionsrekurswerber führt aus, für die Aufnahme einer beweglichen Sache in das Abhandlungsinventar sei der Besitz (die Gewahrsame) maßgebend. Besitz setze nicht nur ein tatsächliches Verhältnis voraus, sondern auch den Willen, eine Sache als die seinige innezuhaben. Hätten daher Ehegatten, wie im vorliegenden Falle, einverständlich beschlossen, die eheliche Gemeinschaft aufzuheben, die vorhandenen Fahrnisse untereinander aufgeteilt und ein Teil die eheliche Wohnung mit dem überwiegenden Teil seiner Sachen verlassen, so hätten sie auch den gemeinschaftlichen Besitz aufgehoben, weil hiedurch der Wille, die Sachen des jeweils anderen als die ihrigen innezuhaben, nicht mehr vorhanden sei. Die Untergerichte hätten diese von ihm vorgebrachten Umstände aber nicht geprüft, sondern beharrten auf Grund rein formeller Gesichtspunkte ohne Prüfung der tatsächlichen Besitzlage auf der Schätzung und Inventarisierung von Sachen, die sich ausschließlich in seiner Gewahrsame und auch in seinem Eigentum befänden. Das Abhandlungsverfahren sei als außerstreitiges Verfahren zur geordneten Inbesitznahme der Verlassenschaft durch den oder die Erben bestimmt. In die Rechte Dritter könne hiebei nicht eingegriffen werden. Es seien daher Sachen, deren Zugehörigkeit zur Verlassenschaft strittig sind, nicht in das Verlassenschaftsinventar aufzunehmen. Die Trennung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren sei ein Grundprinzip der österreichischen Verfahrensordnung, weil nur im streitigen Verfahren eine prozeßordnungsgemäße Klärung strittiger Sach- und Rechtsfragen möglich sei. Es liege aber auch Nullität vor, weil der Außerstreitrichter über eine auf den Rechtsweg gehörige Sache entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß bestätigt hat, ist die Anfechtung dieser Entscheidung gemäß § 16 AußStrG nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität (Nichtigkeit) zulässig.

Der Rechtsmittelwerber behauptet das Vorliegen einer Nullität, weil der Außerstreitrichter über eine auf den Rechtsweg gehörende Sache entschieden habe.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß das Rekursgericht die Schätzung von in der Wohnung Glanzinggasse 38 verbliebenen Nachlaßgegenständen für gerechtfertigt erachtete, da der Rechtsmittelwerber in seiner Vorstellung gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 21 zugegeben habe, daß sich noch verschiedene zur Verlassenschaft gehörige Gegenstände in dieser Wohnung befänden. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG muß das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis alles beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zur Zeit seines Todes befunden hat, enthalten. Maßgeblich für die Aufnahme in das Inventar ist also nur der Besitz, über den allein im Verlassenschaftsverfahren zu entscheiden ist (vgl. SZ 47/12 ua.). Das Rekursgericht hat daher lediglich über die im Verlassenschaftsverfahren zu entscheidende Frage des Besitzes der Erblasserin an Gegenständen, die sich zum Zeitpunkt ihres Todes in der Wohnung Glanzinggasse 38 befanden und zum Teil noch befinden, abgesprochen und damit die Grenzen der Zuständigkeit des Außerstreitrichters nicht überschritten. Der Anfechtungsgrund der Nullität liegt daher nicht vor.

Soweit der Rechtsmittelwerber dem Sinne nach die Anordnung der Schätzung auch unter dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit bekämpft, ist ihm zu erwidern, daß eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur dann gegeben ist, wenn die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetz so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 44/180 ua.). Eine bloß unrichtige rechtliche Beurteilung kann diesem Anfechtungsgrund nicht unterstellt werden (vgl. EFSlg 49.934 ua.). Die Frage, welche Vermögenswerte im Einzelnen in die Abhandlung einzubeziehen und in das Inventar aufzunehmen sind, ist im Gesetz selbst ebensowenig ausdrücklich oder in so klarer Weise geregelt, daß kein Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann (7 Ob 574/87 ua.), wie die Frage, ob der Besitzbegriff der §§ 97 und 104 AußStrG mit jenem des § 309 ABGB identisch ist (SZ 47/12; 3 Ob 543/87 ua.).

Wenn das Rekurgericht insbesondere auch auf Grund der Ausführungen des Revisionsrekurswerbers in seiner Vorstellung (ON 27) bzw. in seinem Rekurs (ON 26) den Besitz der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes an Gegenständen, die sich in der Wohnung Glanzinggasse 38 befanden und zum Teil noch befinden, angenommen und daher die Schätzung für gerechtfertigt erachtet hat, kann darin weder eine offenbare Gesetzwidrigkeit noch ein Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nullität (vgl. EFSlg 47.240) erblickt werden. Soweit schließlich der Rechtsmittelwerber auf sein Eigentumsrecht an Sachen in der Wohnung Glanzinggasse 38, die von der Schätzung und Inventarisierung betroffen sein könnten, verweist, ist ihm zu entgegnen, daß strittige Eigentumsfragen nicht im Abhandlungsverfahren, sondern im Prozeßweg zu klären sind (SZ 47/12; EFSlg 50.947 ua.) und durch die Aufnahme von Vermögenswerten in das Inventar der Frage des Eigentums nicht vorgegriffen wird (EFSlg 47.323 ua.).

Mangels Vorliegens eines der im § 16 AußStrG genannten Anfechtungsgründe war der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E13338

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00676.87.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19880126_OGH0002_0080OB00676_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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