TE OGH 1988/2/10 1Ob511/88

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Veröffentlicht am 10.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander O***, geboren am 3. September 1974, infolge Revisionsrekurses der Mutter Sonja O***, Arbeiterin, Klagenfurt, St. Ruprechter Straße 78, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 18. Dezember 1987, GZ 1 R 605/87-85, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 23. November 1987, GZ 2 P 152/83-82, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde am 27. November 1984 geschieden. Die elterlichen Rechte und Pflichten wurden in bezug auf den älteren, am 25. Mai 1971 geborenen Sohn Mario der Mutter und bezüglich des jüngeren Sohnes Alexander dem Vater Siegfried O*** übertragen (ON 31). Tatsächlich lebt Alexander, der das Gymnasium (zweite Klasse) in Klagenfurt besucht, auch im Haushalt seines Vaters. Beide Elternteile sind zu Unterhaltsleistungen für den jeweils beim anderen Teil lebenden Sohn verpflichtet. Der Vater ist Maschinenschlosser und bewohnt sein eigenes Haus in Klagenfurt; er hat eine Lebensgefährtin, die als Kindergärtnerin beschäftigt ist. Die Mutter lebt in einer Mietwohnung gemeinsam mit dem älteren Sohn und einem Lebensgefährten, der zwar gelernter Bäcker, aber beschäftigungslos ist.

Am 23. Juni 1987 beantragte die Mutter die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten auch in bezug auf Alexander an sie. Das Kind sei sich sehr viel selbst überlassen und finde im Haus des Vaters Zugang zu pornographischen Darstellungen. Die Schulerfolge seien derart schlecht, daß er die zweite Klasse des Gymnasiums habe wiederholen müssen. Der Vater beschimpfe und schlage das Kind, das selbst in Hinkunft bei seiner Mutter zu leben wünsche. Der Vater bestritt diese Behauptungen und sprach sich gegen den Antrag aus. Die Mutter sei Alkoholikerin und habe sich schon 1986 einer Entziehungskur unterziehen müssen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach den Erhebungen des Jugendamtes des Magistrates der Stadt Klagenfurt weise das Kind nun in der Schule gute Erfolge auf. Der Vater bemühe sich um seinen Sohn. Das Verhältnis zwischen Vater und Kind habe sich wesentlich gebessert, seit die Kontakte zu der Mutter eingeschränkt worden seien. Der Vater richte sich in seinem Privatleben weitgehend nach den Interessen des Kindes und lasse ihm eine konsequente und liebevolle Erziehung angedeihen. Die Mutter lebe nach wie vor nicht alkoholabstinent und meide auch die Nachbetreuung nach einer Entziehungskur. Ihre Wohnverhältnisse seien beengt. Rechtlich meinte das Erstgericht, die beantragte Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten sei nach § 176 Abs 1 ABGB trotz des vom Kind geäußerten Wunsches, zur Mutter zu ziehen, nur dann zu verfügen, wenn der Elternteil, dem die elterlichen Rechte zustünden, das Wohl des Kindes gefährde. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein; die Verhältnisse beim Vater seien vielmehr für das Kind sogar günstiger als jene bei dessen Mutter.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Maßnahmen nach § 176 Abs 1 ABGB seien nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die Erziehung durch den anderen Elternteil besser wäre als die an sich ordnungsgemäße Erziehung seitens des berechtigten Elternteils. Vielmehr hätten solche Maßnahmen die gröbliche Vernachlässigung bzw die Nichterfüllung der elterlichen Pflichten oder überhaupt die Gefährdung des Kindeswohls zur Voraussetzung. Der Wunsch des Minderjährigen, lieber bei seiner Mutter zu leben, sei nicht ausschlaggebend. Selbst nach den Angaben des Kindes sei dessen Wohl beim Vater nicht gefährdet. Der Minderjährige strebe lediglich deshalb zur Mutter, weil er hoffe, daß sich dort die Erziehung laxer gestalte. Soweit die Mutter im Rekurs die Unterbringung bei ihr als günstiger hinzustellen versuche als den Verbleib des Kindes beim Vater, genüge der Hinweis, daß es darauf nicht ankomme. Im übrigen könnten ihre Behauptungen im Hinblick auf den Bericht des Jugendamtes nicht überzeugen. Das gelte sowohl für die beengten Wohnverhältnisse als auch für die offenbar nicht gänzlich überwundene Alkoholsucht der Mutter sowie für die Position ihres angeblich als Hausmann tätigen Lebensgefährten.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Mutter gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Da das Gericht zweiter Instanz die erstgerichtliche Entscheidung bestätigt hat, ist das gegen den rekursinstanzlichen Beschluß gerichtete Rechtsmittel nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilen, somit nur zulässig, wenn es sich auf die dort genannten Anfechtungsgründe stützen kann, und zurückzuweisen, wenn aus dem Schriftsatz nicht erkennbar ist, worin eine offenbare Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität gelegen sein soll. Die Ausführungen der Mutter im Revisionsrekurs beschränken sich im wesentlichen auf die Bekämpfung der vorinstanzlichen Feststellungen, deren Anfechtung mit einem nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilenden Rechtsmittel jedoch ausgeschlossen ist (EFSlg 49.922 uva). Im übrigen behauptet die Mutter, daß die vorinstanzlichen Beschlüsse nicht dem Wohl des Minderjährigen gerecht würden. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 51/136 uva) dürfen die einem Elternteil zugewiesenen Elternrechte nur dann auf den anderen übertragen werden, wenn die Voraussetzungen des § 176 Abs 1 ABGB vorliegen, also das Wohl des Kindes gefährdet ist. Das Verfahren hat keine Vernachlässigung der elterlichen Pflichten seitens des Vaters ergeben; es ist nicht einmal hervorgekommen, daß die für die Pflege und Erziehung des Minderjährigen maßgeblichen Verhältnisse bei der Mutter günstiger wären als beim Vater. Eine Entscheidung nach § 176 Abs 1 ABGB beruht weitgehend auf Ermessensübung und könnte deshalb mit einem nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilenden Rechtsmittel nur dann mit Erfolg bekämpft werden, wenn die Vorinstanzen das Wohl des Kindes außer acht gelassen hätten und deshalb willkürlich vorgegangen wären (EFSlg 44.660 ua). Nach den Verfahrensergebnissen kann von einer solchen Vorgangsweise keine Rede sein; das Rekursgericht hat vielmehr eingehend erwogen, weshalb Maßnahmen nach § 176 Abs 1 ABGB nicht in Betracht zu ziehen seien. Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E13122

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00511.88.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19880210_OGH0002_0010OB00511_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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