TE OGH 1988/2/16 2Ob694/87

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Veröffentlicht am 16.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 27. August 1984 verstorbenen, zuletzt in der Schlöglgasse 38/6/7, in Wien wohnhaft gewesenen Pensionistin Magdalena de M***, infolge Revisionsrekurses der

1) Renata B***, Selbständige, 1238 Wien, Silvester Früchtl-Gasse 42, und 2) Eugen de M***, kaufmännischer Angestellter, 1120 Wien, Schlöglgasse 38, beide vertreten durch Dr. Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10. September 1987, GZ 47 R 630/87-356, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 14. Mai 1987, GZ 1 A 609/84-323, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies Renata B*** und Eugen de M*** die Klägerrolle und Otto de M*** die Beklagtenrolle im anhängig zu machenden Erbrechtsstreit zu und beauftragte die beiden ersteren, binnen 6 Wochen ab Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses den Nachweis der Klagseinbringung zu erbringen. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erheben Renata B*** und Eugen de M*** Revisionsrekurs, den sie darauf stützen, daß der angefochtene Beschluß (richtig: offenbar) gesetzwidrig und aktenwidrig sei und in welchem sie beantragen, daß in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen Otto de M*** die Klägerrolle zugewiesen werden möge.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen von folgendem Sachverhalt aus:

Die am 27. August 1984 verstorbene Erblasserin Magdalena de M*** hinterließ vier Kinder. Die vom erblasserischen Sohn Prof. Dr. Hubert de M*** auf Grund des Testaments vom 6. Juli 1984 abgegebene Erbserklärung wurde mit dem Beschluß vom 22. Mai 1985 zurückgewiesen. Die übrigen Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen. Im Testament vom 15. Februar 1981 wurde im wesentlichen verfügt, daß der erblasserische Sohn Prof. Dr. Hubert de M*** auf den Pflichtteil gesetzt wird und Renata B***, Otto de M*** und Eugen de M*** zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt werden. Hingegen wurde im Testament vom 6. Juli 1984 festgelegt, daß sowohl Dr. Hubert de M*** als auch Renata B*** und Eugen de M*** auf den gesetzlichen Pflichtteil gesetzt werden, während sämtliche Liegenschaftsanteile der Erblasserin dem erblasserischen Sohn Otto de M*** vererbt werden. Renata B*** und Eugen de M*** äußerten sich im wesentlichen dahin, daß Bedenken gegen die Echtheit und Richtigkeit der letztwilligen Verfügung vom 6. Juli 1984 bestünden. Überdies sei zweifelhaft, ob die Erblasserin die letztwillige Verfügung ohne Zwang unterfertigte bzw. ob sie 1984 überhaupt noch testierfähig war. Weiters wurde ausgeführt, daß es sich bei der fraglichen Erklärung lediglich um ein Kodizill handle, worauf auch der Gerichtskommissär hingewiesen hätte. Überdies bestehe der Verdacht, daß die Erblasserin keines natürlichen Todes gestorben sei. Sollte sich der diesbezügliche Tatverdacht gegen Otto de M*** als richtig erweisen, wäre er erbunfähig und die von ihm vorgelegte Urkunde ohne Wirkung auf die Erbfolge. Otto de M*** brachte vor, daß er sich auf den stärkeren Erbrechtstitel stütze und beantragte, die Klägerrolle Renata B*** und Eugen de M*** zuzuweisen. Das Erstgericht vertrat rechtlich die Ansicht, daß sich Otto de M*** auf die jüngere letztwillige Verfügung berufe und somit auf den stärkeren Erbrechtstitel stütze, weshalb der Gegenseite die Klägerrolle zuzuteilen sei.

Das Rekursgericht teilte diese Auffassung. Bedenken gegen die Echtheit der letztwilligen Verfügung vom 6. Juli 1984 bestünden nicht; zumindest seien solche nicht eindeutig erkennbar, weshalb die Bestreitenden auf den Rechtsweg zu verweisen seien, wo auch die Frage einer allfälligen Erbunwürdigkeit Otto de M*** zu entscheiden sein werde. Die Erblasserin habe mit der letztwilligen Verfügung vom 6. Juli 1984 die Bestreitenden und Dr. Hubert de M*** ausdrücklich auf den Pflichtteil gesetzt und alle bisherigen Verfügungen - somit auch diese vom 15. Februar 1981 - außer Kraft gesetzt. Die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 6. Juli 1984 sei von dieser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden, sie sei mit "Mein letzter Wille" betitelt, habe von den vier Kindern drei auf den Pflichtteil verwiesen und lediglich Otto de M*** letztwillig bedacht. Ob es sich dabei nur um ein Kodizill gehandelt haben sollte, werde im Zweifelsfall auf dem Rechtsweg zu klären sein. Demgegenüber stellen sich die Revisionsrekurswerber Renata B*** und Eugen de M*** auf den Standpunkt, daß es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 6. Juli 1984 nur um ein Kodizill gehandelt habe, weshalb die frühere letztwillige Verfügung zu ihren Gunsten vom 15. Februar 1981 der stärkere Erbrechtstitel sei. Außerdem habe das Rekursgericht aktenwidrig nicht geklärt, "warum von der Erblasserin offenbar bewußt anläßlich der Verfügung vom 6. Juli 1984 Otto de M*** über ihren Liegenschaftsbesitz hinausgehende Werte nicht zugesprochen" wurden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit - welcher keinesfalls der bloßen unrichtigen rechtlichen Beurteilung gleichgehalten werden darf (SZ 39/103; EvBl 1972/72 uva) - liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers entstehen kann, trotzdem aber eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 21/10;

SZ 25/185; SZ 40/11 uva). Davon kann hier nicht gesprochen werden:

Gemäß § 126 Abs 2 AußStrG hat das Gericht bei widersprüchlichen Erbserklärungen mehrerer Testamentserben "denjenigen der streitenden Erben zur Überreichung der Klage anzuweisen, welcher, um sein Erbrecht geltend machen zu können, den stärkeren Erbrechtstitel seines Gegners vorerst entkräften müßte". Im konkreten Fall stützt sich Otto de M*** auf eine jüngere letztwillige Verfügung, in welcher die drei anderen Erbanwärter, die sich auf ein früheres Testament berufen, auf den Pflichtteil verwiesen wurden. Welcher Erbrechtstitel bei dieser Sachlage im Sinne des § 126 Abs 2 AußStrG der "stärkere" ist und daher vom anderen Teil im Erbrechtsstreit entkräftet werden muß, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vom Fehlen einer in der gehörigen Form errichteten letztwilligen Verfügung - und damit von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der vorinstanzlichen Ansicht, daß sich Otto de M*** auf den stärkeren Erbrechtstitel stütze - könnte nur dann gesprochen werden, wenn sich aus der Anordnung des Erblassers nicht einmal Anhaltspunkt für eine Verfügung von Todes wegen ergäben, nicht aber schon dann, wenn solche Anhaltspunkte vorhanden sind und nur ihre Tragweite und Bedeutung strittig ist (6 Ob 107/58; 7 Ob 235/64; 4 Ob 535/76; 4 Ob 593/81 ua). Liegt wie hier eine ihrer Form nach gültige letztwillige Anordnung vor, die nach ihrem Inhalte die Auslegung als Testament zuläßt, so ist sie im Hinblick auf den favor testamenti solange als solches zu betrachten, als nicht erwiesen wird, daß der Erblasser eine Erbseinsetzung nicht gewollt hat (EvBl 1967/152, 1 Ob 27/72, 5 Ob 94, 146/74). Die oft nicht einfach zu entscheidende Frage, ob ein Testament oder ein Kodizill vorliegt, ist hiebei im Zweifel im ordentlichen Rechtsweg und nicht im außerstreitigen Verfahren zu klären (EvBl 1958/106; 7 Ob 520/76). Wenn daher die Vorinstanzen unter Bedachtnahme auf die hier zusammengefaßt dargestellte ständige Judikatur den beiden Revisionsrekurswerbern die Klägerrolle zuteilten, vermögen sie dagegen keine stichhältigen Gründe vorzubringen, die eine offenbare Gesetzwidrigkeit oder Aktenwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzeigen würden. Ihr Rechtsmittel war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E13146

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00694.87.0216.000

Dokumentnummer

JJT_19880216_OGH0002_0020OB00694_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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