TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/21 2004/09/0034

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Veröffentlicht am 21.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
91/02 Post;

Norm

ArbVG §89;
AVG §68 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs3;
BDG 1979 §94 Abs1 Z1;
BDG 1979;
PBVG 1996 §72 idF 1999/I/161;
PTSG 1996 §17 Abs1 idF 2003/I/071;
PTSG 1996 §17 Abs9 idF 2003/I/071;
PTSG 1996 §17a Abs9a idF 2003/I/071;
PTSG 1996 §17a idF 2003/I/071;
PTSG 1996 §72 Abs4 Z1 idF 1999/I/161;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2006/09/0089 E 26. Juni 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des W in O, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 20. Jänner 2004, Zl. 76/7-DOK/03, betreffend Suspendierung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberoffizial in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war bis zum Ablauf des 30. April 1996 Beamter der Post- und Telegraphenverwaltung; am 1. Mai 1996 trat an deren Stelle im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Post- und Telecom Austria AG (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Poststrukturgesetzes, Art. 95 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 2001/1996 - PTSG 1996). Mit 31. Dezember 1998 trat an deren Stelle im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Österreichische Post AG. Der Beschwerdeführer stand daher seit diesem Zeitpunkt (31. Dezember 1998) bei der Österreichischen Post AG im Bereich der Direktion I beim Postamt H im Paketzustelldienst in Verwendung.

Mit Disziplinaranzeige des Personalamtes der Postdirektion I vom 19. April 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren anhängig gemacht, weil er im Verdacht stand, in seiner dienstlichen Tätigkeit als Paketzusteller während eines näher bezeichneten Zeitraumes Paketzustellgebühren zu Unrecht eingehoben bzw. nicht abgeführt und sich diese Gelder unrechtmäßig angeeignet zu haben.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 12. Juli 1999 wurde er der angelasteten Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt und über ihn nach § 43 Abs. 1 und 2 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von S 70.000,-- verhängt.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Disziplinaranwalt Berufung, welcher mit Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 18. November 1999 Folge gegeben wurde; über den Beschwerdeführer wurde im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgesprochen.

Dieser Bescheid wurde infolge der Beschwerde des Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 2000/09/0026, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, die belangte Behörde habe es unterlassen, zu prüfen und festzustellen, ob die Disziplinarbehörde erster Instanz im Sinne des § 17 Abs. 9 Z. 4 PTSG ein von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldemeldebediensteten entsandtes Mitglied aufgewiesen habe.

Die - nunmehr richtig zusammengesetzte - Disziplinarkommission fasste daraufhin am 24. November 2003 den Verhandlungsbeschluss sowie den Beschluss, den Beschwerdeführer wegen der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 vom Dienst zu suspendieren. Die Disziplinarbehörde erster Instanz führt dabei nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer befinde sich seit der Zustellung des nunmehr aufgehobenen Bescheides der belangten Behörde (gemeint: vom 18. November 1999) betreffend die Entlassung (am 3. Jänner 2000) nicht im Dienst.

Der Beschwerdeführer sei verdächtig und geständig, im Zeitraum vom Jänner 1995 bis Februar 1999 bei zwei namentlich genannten Unternehmen 1. zu Unrecht Paketzustellgebühren und

2. freie Pakete zu unfreien Paketen gemacht

und dafür Gebühren eingehoben zu haben, sodass bis zum Februar 1999 in dem einen Fall ein Schaden in der Höhe von 68.004 S (EUR 4.942,05), im anderen Fall ein Schaden in der Höhe von 36.700 S (EUR 2.667,10), insgesamt sohin ein Schaden von S 104.704,-- (EUR 7.609,15) entstanden sei. Ende Jänner 1999 sei das Postamt H durch eines der Unternehmen verständigt worden, dass es bei den Zustellgebühren zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Vor allem sei aufgefallen, dass bei Abwesenheit des Beschwerdeführers weniger an Zustellgebühren zu zahlen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe sein Fehlverhalten zugegeben. Mit Postanweisungen vom 1. April 1999 und 28. April 1999 sei der Schaden zur Gänze wieder gutgemacht worden. Dennoch sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über den überaus langen Zeitraum von über vier Jahren seine dienstliche Stellung dazu ausgenutzt habe, um die oben angeführten Dienstpflichtverletzungen zu begehen, zumal er gewusst habe, dass er mit diesen Handlungen Kunden seines Dienstgebers schädige und damit das Ansehen des Amtes gefährde und wesentliche dienstliche Interessen beeinträchtigt würden. Er stehe damit dringend im Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, die ihrer Art nach geeignet seien, das Ansehen des Amtes sowie wesentliche Interessen des Dienstes zu gefährden. Dies umso mehr, als bei einer Belassung im Dienst, auch wenn der Beschwerdeführer nicht mehr im Paketzustelldienst eingesetzt werden würde und damit keinen Zugriff auf Kundengelder mehr hätte, er weiterhin Zugriff auf Wertsendungen hätte. Entscheidend sei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit eines Beamten verlassen müsse, da eine lückenlose Kontrolle im Dienstbetrieb nicht möglich sei. Das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erscheine damit in einem Maß beeinträchtigt, dass das Ansehen des Amtes bei einem Weiterbelassen im Dienst leiden würde. Auch aus Gründen der Betriebssicherheit und des Betriebsfriedens wäre ein Weiterbelassen im Dienst nicht denkbar, solange ein derart schwerer Verdacht auf dem Beamten laste. Die Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes zähle jedenfalls zu den wesentlichen dienstlichen Interessen. Gemäß § 17a Abs. 9 PTSG gälten betriebliche Interessen (betriebliche Gründe) als dienstliche Interessen.

Das Disziplinarverfahren sei mit dem seit 24. Juni 1999 rechtskräftigen Einleitungsbeschluss wiederum bei der Disziplinarkommission anhängig, weshalb die Suspendierung zu verfügen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in der er im Wesentlichen vorbrachte, es läge nach wie vor kein ordnungsgemäßer Einleitungsbeschluss vor, da der innerhalb der Verjährungsfrist gefasste Einleitungsbeschluss von einer verfassungswidrig zusammengesetzten Disziplinarkommission und damit von einer "nicht existenten Behörde" erlassen worden sei. Nunmehr seien vier Jahre vergangen, ohne dass entsprechende Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien. Er habe den Schaden bereits zur Gänze wieder gutgemacht. Diesbezüglich sei auch Verjährung eingetreten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 2004 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid nach Darlegung der Rechtslage in Erwiderung der Berufungsbehauptung des Beschwerdeführers dahingehend, dass der hinsichtlich des Beschwerdeführers gefasste Einleitungsbeschluss vom 2. Juni 1999 innerhalb der Frist des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG gefasst worden sei. Dem Beschwerdeführer sei dabei zuzugestehen, dass dieser Einleitungsbeschluss in Hinblick auf das vom Zentralausschuss bestellte Senatsmitglied von einer unrichtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen worden sei. Dennoch sei der Bescheid dieser Behörde zuzurechnen und nicht "rechtlich nicht existent" oder von einer "rechtlich nicht existenten Behörde" erlassen worden. Auch ein von einer falsch zusammengesetzten Disziplinarkommission erlassener Einleitungsbeschluss sei geeignet, die Verjährung der dem Beschuldigten angelasteten Dienstpflichtverletzungen auszuschließen. Damit sei die Frist des § 94 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 BDG 1979 jedenfalls gewahrt. Hinsichtlich der Erlassung des erstinstanzlichen Suspendierungsbescheides sei anzumerken, dass das Senatsmitglied M.B. nunmehr - wie aus der beigeschafften Bestellungsurkunde hervorgehe - von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten bestellt worden und daher eine Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde auszuschließen sei.

In der Sache selbst sei dem Beschwerdeführer durchaus zuzugestehen, dass die Wiedergutmachung des von ihm verursachten Schadens, seine geständige Verantwortung, eine anstandslose Dienstverrichtung für die Post AG auf einem anderen Arbeitsplatz nach Begehung der ihm angelasteten Taten und ein Wohlverhalten in den letzten vier Jahren zuzubilligen seien. Dennoch erweise sich der gegen ihn im Raum stehende Tatverdacht hinsichtlich der objektiven Schwere der ihm angelasteten Tathandlung als derart gravierend, dass die Suspendierung gerechtfertigt sei und eine weitere Dienstverrichtung durch den Beschwerdeführer dem Dienstgeber bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens nicht zuzumuten sei, da dadurch wesentliche dienstliche Interessen berührt würden. Dabei sei auch nicht zu berücksichtigen, ob hinsichtlich des Beschwerdeführers Wiederholungsgefahr bestehe oder ihm eine positive Zukunftsprognose zuzubilligen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Beschwerdeführer erstattete hierauf eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, auf ihn als öffentlich-rechtlichen Bediensteten sei das Postbetriebsverfassungsgesetz (PBVG) anzuwenden, zumal dieses in seinem § 5 keinen Unterschied zwischen den im Betrieb beschäftigten Personen mache, daher auch die öffentlichrechtlichen Bediensteten davon umfasst seien. Gemäß § 1 PBVG gälten die allgemeinen Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) für Arbeitsverhältnisse aller Art - daher auch für Beamte. Gemäß § 72 PBVG seien die Bestimmungen des 3. Hauptstücks des ArbVG (mit hier nicht in Rede stehenden Ausnahmen) und damit auch die Regelungen dieses Gesetzes betreffend Disziplinarmaßnahmen auf die öffentlich-rechtlichen Bediensteten anzuwenden. Das habe zur Folge, dass die §§ 91ff BDG 1979 durch die Bestimmungen des PBVG bzw. des ArbVG ergänzt würden. § 102 ArbVG sehe Disziplinarmaßnahmen nur vor, sofern sie in Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung vorgesehen seien; überdies habe der Betriebsrat der zu verhängenden Maßnahme zuzustimmen. Weder Kollektivvertrag noch Betriebsvereinbarung liege für Beamte im Postbereich vor. Die ausgesprochene Suspendierung sei rechtsunwirksam, weil weder die Disziplinarkommission ein mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtetes Gremium darstelle noch die Personalvertretung an dieser Entscheidung mitgewirkt (zugestimmt) habe. Die belangte Behörde habe übersehen, ihrem Disziplinarverfahren ein betriebliches Disziplinarverfahren vorzulagern und dessen Ergebnis abzuwarten. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen für eine Suspendierung nach dem BDG im Hinblick auf die gänzliche Schadensgutmachung, sowie die über vier Jahre dauernde anstandslose Weiterbeschäftigung des Beschwerdeführers nach Aufdecken der Tat sowie das Vorliegen der Verjährung nicht mehr gegeben.

Die Absätze 1 und 9 des § 17 des Poststrukturgesetzes - PTSG, BGBl. Nr. 216/1996 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003, lauten:

"(1) Die bisher bei der Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigten aktiven Beamten werden auf die Dauer ihres Dienststandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolgerin oder einem der Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft hervorgegangen sind und an denen sie oder die Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft direkt oder indirekt einen Anteil von mehr als 25% hält, zur Dienstleistung zugewiesen. Der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes in ihrer jeweils geltenden Fassung, die auf Rechtsverhältnisse dieser Beamten abstellen, bleibt mit der Maßgabe unberührt, dass im § 24 Abs. 5 Z 2 sowie im ersten Satz des § 229 Abs. 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und jeweils im letzten Satz des § 105 Abs. 3 und 6 des Gehaltsgesetzes 1956 die Worte 'im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler', und die Zustimmung des Bundeskanzlers oder des Bundesministers für Finanzen im § 15 des Gehaltsgesetzes 1956, im § 75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 und im § 68 der Reisegebührenvorschrift 1955 entfallen, soweit damit nicht Belastungen des Bundeshaushaltes verbunden sind.

....

(9) Auf die Zuständigkeit und das Verfahren in den Beamte gemäß Abs. 1a betreffenden Disziplinarangelegenheiten sind die Bestimmungen des 9. Abschnittes des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 mit der Maßgabe anzuwenden, dass

1. zur Durchführung des Disziplinarverfahrens die beim Bundesministerium für Finanzen einzurichtende Disziplinarkommission zuständig ist,

2. für die einem Unternehmen nach Abs. 1a Z 1 bis 3 zugewiesenen Beamten jeweils eigene Senate einzurichten sind, deren Mitglieder diesem Unternehmen zugewiesene Beamte sein müssen,

3. die Bestellung dieser Mitglieder der Disziplinarkommission durch den Bundesminister für Finanzen zu erfolgen hat,

4. ein Mitglied des zuständigen Senates der Disziplinarkommission statt vom Zentralausschuß von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten oder gemäß § 98 Abs. 4 des Beamten Dienstrechtsgesetzes 1979 bestellt worden sein muss,

5. ein Mitglied des zuständigen Senates der Disziplinaroberkommission ein demselben Unternehmen, dem der Beschuldigte zugewiesen ist, zugewiesener Beamter sein muss,

6. zu Mitgliedern der Senate nach Z 2 und 5 nach Möglichkeit rechtskundige Beamte der Verwendungsgruppen PT1 oder PT2 bestellt werden sollen, und

7. vom jeweiligen Vorstand Disziplinaranwälte zu bestellen sind, die nach Möglichkeit rechtskundige Beamte der Verwendungsgruppen PT1 oder PT2 sein sollen."

Der § 17a PTSG lautet:

"(1) Für die gemäß § 17 Abs. 1a zugewiesenen Beamten bleibt der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes, die auf Rechtsverhältnisse der Beamten abstellen, in ihrer jeweils geltenden Fassung mit den in den folgenden Absätzen enthaltenen Abweichungen unberührt.

(2) bis (9) ...

(9a) Bei einer Versetzung oder der einer Versetzung gleich zu haltenden Abberufung von nach § 17 Abs. 1a zugewiesenen Beamten von ihrer bisherigen Verwendung (§§ 38 und 40 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) hat das Personalvertretungsorgan nicht gemäß § 72 Abs. 1 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes in Verbindung mit § 101 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, sondern gemäß § 72 Abs. 3 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes mitzuwirken. Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen ist in diesen Angelegenheiten nicht zulässig."

§ 1 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 2 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes - PBVG, BGBl. Nr. 326/1996, in der Fassung BGBl. I Nr. 31/1999, lautet:

"Die Bestimmungen des I. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, gelten auch für Arbeitsverhältnisse aller Art, sofern die Arbeitnehmer bei Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft hervorgegangen sind und an denen die in Z 1 und 2 genannten Gesellschaften direkt oder indirekt eine Beteiligung von mehr als 25% halten, beschäftigt sind.

..

(2) Die Bestimmungen des 5. Hauptstückes des I. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, gelten für alle Betriebe und Unternehmen, die den Bestimmungen des II. Teiles dieses Bundesgesetzes unterliegen."

§ 3 Z. 3 PBVG lautet:

"Die Bestimmungen des II. Teiles gelten bei Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft hervorgegangen sind und an denen die in Z 1 und 2 genannten Gesellschaften direkt oder indirekt eine Beteiligung von mehr als 25% halten."

§ 5 Abs. 1 PBVG lautet:

"Arbeitnehmer im Sinne des II. Teiles sind alle im Rahmen des Betriebs bzw. Unternehmens beschäftigten Personen, einschließlich der Lehrlinge, ohne Unterschied des Alters. "

(Die in Abs. 2 leg. cit. genannten Ausnahmen liegen im Beschwerdefall nicht vor).

§ 72 Abs. 1, 3 und 4 PBVG in der Fassung BGBl. I Nr. 161/1999, lauten:

"(1) Das 3. Hauptstück des II. Teiles mit Ausnahme der §§ 113 und 114, die Abschnitte 2 und 3 des 1. Hauptstückes des III. Teiles sowie § 159 ArbVG finden Anwendung."

...

(3) Das Personalvertretungsorgan ist, soweit sich dies nicht bereits aus anderen Vorschriften ergibt, zur Mitwirkung in folgenden Angelegenheiten berufen:

1. bei der Gewährung von Vorschüssen und Aushilfen, bei anderen Maßnahmen der sozialen Betreuung der Arbeitnehmer;

2. bei der Gewährung von Sonderurlauben in der Dauer von mehr als drei Tagen und Karenzurlauben ohne gesetzlichen Anspruch;

3.

bei der Anordnung von Überstunden;

4.

bei der Versetzung in den Ruhestand, es sei denn, die Versetzung ist gesetzlich vorgeschrieben;

5.

bei der Untersagung einer Nebenbeschäftigung;

6.

bei der Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz von Übergenüssen und der Verpflichtung zum Schadenersatz;

              7.              bei der Festlegung der mit der Übernahme einer Planstelle (eines Arbeitsplatzes) verbundenen Aufgaben und der damit im Zusammenhang stehenden Ermittlung des künftigen Bedarfes an Arbeitnehmern;

              8.              bei der Erlassung der in § 17a Abs. 3 des Poststrukturgesetzes vorgesehenen Verordnungen.

Dabei sind beabsichtigte Maßnahmen vor ihrer Durchführung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalvertretungsorgan zu verhandeln. In den Angelegenheiten der Z 1 bis 7 können Betriebsvereinbarungen gemäß § 1 Abs. 2 abgeschlossen werden, auf die § 97 Abs. 2 ArbVG Anwendung findet

...

(4) Das Personalvertretungsorgan ist, soweit sich eine solche Verpflichtung nicht bereits aus anderen Vorschriften ergibt, schriftlich zu informieren über:

1. die beabsichtigte Erstattung einer Disziplinaranzeige oder die beabsichtigte Erlassung einer Disziplinarverfügung und die Art der Beendigung des Disziplinarverfahrens;

...."

§ 94 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 lautet:

"Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht

mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde."

§ 112 BDG 1979 lautet:

"§ 112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

(4) Jede durch Beschluß der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluß der Kinderzulage - auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) kann auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.

(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission), bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

(6) Die Berufung gegen eine Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung. Über die Berufung hat die Disziplinaroberkommission ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zwei Monaten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

(7) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam."

Den Beschwerdeausführungen ist zunächst zwar zuzugeben, dass das gemäß § 72 PBVG auf alle bei der Post und Telekom Austria AG beschäftigten Personen anzuwendende 3. Hauptstück des II. Teils des ArbVG - mit den dort genannten Ausnahmen - in seinen §§ 89ff die der Personalvertretung zustehenden Befugnisse beschreibt, zu welchen auch Zustimmungsrechte des Betriebsrates gehören; ihm ist aber entgegen zu halten, dass nach dem § 17 Abs. 1 und 9 iVm § 17a PTSG für bei der Österreichischen Post AG beschäftigte Beamte die Bestimmungen des 9. Abschnitts des BDG 1979 als leges specialis anzuwenden sind. In diesen Verfahren ist eine Mitwirkung der Personalvertretung analog § 17a Abs. 9a PTSG nicht vorgesehen. Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, es sei im Falle einer disziplinären Maßnahme die Personalvertretung zu befassen, spricht er offenkundig § 72 Abs. 4 Z. 1 PBVG an. Diese Bestimmung normiert jedoch lediglich ein bloßes Informationsrecht der Personalvertretung. Dass in der allfälligen Verletzung dieser Informationspflicht ein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender relevanter Verfahrensmangel zu erblicken gewesen wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

Insoweit der Beschwerdeführer die Verjährung der ihm angelasteten Taten und damit einen die Suspendierung hindernden Einstellungsgrund (vgl. etwa die schon zitierten hg. Erkenntnisse vom 28. Oktober 2004, Zl. 2002/09/0212, und vom 10. September 2004, Zl. 2004/12/0044) geltend macht, ist ihm entgegen zu halten, dass der - fristgerecht im Sinne des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG1979 erlassene - Einleitungsbeschluss vom 2. Juni 1999 mangels einer dagegen gerichteten Berufung in Rechtskraft erwachsen ist und als solcher - mag er auch mit einem Fehler behaftet gewesen sein (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0112) - dem Rechtsbestand angehört. Damit liegt aber auch ein die Verjährungsfrist unterbrechender Verfahrensschritt der Disziplinarbehörde vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 2002, Zl. 2001/09/0008).

Den Ausführungen des Beschwerdeführers, eine Suspendierung sei infolge der gänzlichen Schadensgutmachung und seines weiteren Wohlverhaltens nicht (mehr) zulässig, ist zu entgegnen, dass die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung allein in dem Bedürfnis liegt, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Suspendierung des Beschwerdeführers zutreffend und ausreichend damit begründet, dass außer Zweifel stehe, dass jene Fälle, in denen einem mit finanzieller Gebarung betrauten Beamten eine Veruntreuung von Geldern in nicht geringer Höhe zur Last gelegt wird, besonders geeignet sind, das Ansehen der Behörde zu gefährden und auch tatsächlich gefährdet. Aus diesem Grunde zeigt der Beschwerdeführer in der Beschwerde auch mit dem Hinweis auf sein den angelasteten Taten nachfolgendes Wohlverhalten und die gänzliche Schadensgutmachung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Suspendierungsbescheides auf, weil diese Umstände das Verschulden bzw. die Strafbemessung betreffen und - anders als im Disziplinarverfahren - im Suspendierungsverfahren nicht zu beurteilen waren (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2001/09/0133). Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer nach Mitteilung der belangten Behörde vom 17. Juni 2005 seit der mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 1999 verhängten Disziplinarstrafe der Entlassung - trotz erfolgter Aufhebung dieses Disziplinarerkenntnisses mit dem hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2000/09/0026, und der daraus folgenden Wiederaufnahme in den Dienststand per 17. November 2003 - seinen Dienst tatsächlich vor Ausspruch der Suspendierung nicht wieder angetreten, weshalb ein "Wohlverhalten" nicht ins Gewicht fällt.

Aus diesen Gründen war eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erkennen, die Beschwerde war vielmehr gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. September 2005

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090034.X00

Im RIS seit

31.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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