TE OGH 1988/3/15 2Ob657/87

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma B*** Produktionsanlagen Verpachtungs-Gesellschaft mbH, 6700 Bludenz, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Firma Gebrüder S*** E*** W*** Kältetechnik

Gesellschaft mbH, Lange Gasse 19, 6923 Lauterach, vertreten durch Dr. Hans Werner Tarabochia und Dr. Walter Geisselmann, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen S 600.000,-- s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Juni 1987, GZ 1 R 163/87-9, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 29. Dezember 1986, GZ 10 Cg 278/86-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere

Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Betrag von S 600.000,-- samt 8,5 % Zinsen seit 1. April 1986 und brachte hiezu im wesentlichen vor:

Sie habe im Zusammenhang mit der Lieferung mangelhafter Düsenringe einschließlich der bis zum 31. März 1986 aufgelaufenen Zinsen und der Prozeßkosten im Verfahren 18 Cg 108/83 des Handelsgerichtes Wien einen Schaden in Höhe von S 1,070.795,16 erlitten. Hievon sei der Vergleichsbetrag von S 250.000,-- in Abzug zu bringen, so daß für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH noch ein vermögensrechtlicher Nachteil von S 820.795,16 verbleibe. Dieser Schaden sei weitestgehend von der Beklagten schuldhaft verursacht worden, weil sie mindestens vier Düsenringe mangelhaft hergestellt habe, weshalb es zu berechtigten Schadenersatzansprüchen der VEW gegen die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH gekommen sei. Weiters habe die Beklagte ihre Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH verletzt, weil sie diese insbesonders über die Eignung der gelieferten Düsenringe bei Abschluß des Rechtsgeschäftes und in der Folge auch dann noch nicht richtig informiert habe, als die Schäden aufgetreten seien, welche die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH zur Prozeßführung veranlaßt hätten. Der von der Beklagten zu ersetzende Schaden der Klägerin betrage anteilig mindestens S 600.000,--.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein, daß die Klagsforderung verjährt sei. Da die Beklagte bereits mit Schreiben vom 14. August 1981 Schadenersatzansprüche der Klägerin definitiv angelehnt habe, sei die Verjährung der Klagsforderung spätestens mit 14. August 1984 eingetreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Mit Einbringungsverträgen vom 29. September 1978 brachte die Firma Josef B*** ihr Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven nach Maßgabe der Einbringungsbilanz zum 1. Jänner 1978 gemäß Art. III § 8 Abs 2 Strukturverbesserungsgesetz in die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH ein. Mit Sacheinlagevertrag vom 25. September 1985 brachte die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH ihren Betrieb mit allen tatsächlichen und rechtlichen Bestandteilen auf der Grundlage und der Einbringungsbilanzen zum 31. Dezember 1984 gemäß Art. I § 1 Abs 2 Strukturverbesserungsgesetz in die Klägerin ein. Sowohl 1978 wie 1985 wurden alle bestehenden und künftigen Forderungen, Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche an die jeweils übernehmende Gesellschaft abgetreten. Am 18. April 1976 bestellte die V*** E*** Aktiengesellschaft (VEW) bei der Firma Josef B*** die Rückkühltürme für das Projekt Santa Cruz/Kuba. Die Firma Josef B*** nahm diese Bestellung an. Sie bestellte ihrerseits am 27. April 1976 bei der Beklagten die für das Projekt Santa Cruz benötigten Kühltürme, welche diese in der Folge lieferte. Die Montage der Kühltürme wurde vom kubanischen Auftraggeber durchgeführt. Die Montageüberwachung oblag der Firma B*** und der VEW. Bei der Montageendkontrolle im Jahre 1981 wurden an den Düsenringen der Kühltürme Schäden festgestellt. Die Firma B*** machte der Beklagten hierüber Mitteilung, worauf diese eine Materialprobe anforderte, welche sie einer Untersuchung unterzog. Mit Schreiben vom 30. Juli 1981 teilte die Beklagte der Firma B*** u.a. folgendes mit:

"......

Ohne daß wir uns hiermit endgültig festlegen möchten - da Detailprüfungen noch im Gange sind -, können wir doch schon feststellen, daß die Materialzusammensetzung in Ordnung ist. Wir schließen eher auf Gewalteinwirkung oder Montagefehler."

Nach durchgeführter Materialuntersuchung richtete die Beklagte an die Firma B*** ein weiteres Schreiben, in welchem sie den Standpunkt vertrat, daß einwandfreies Material verwendet wurde und mit größter Wahrscheinlichkeit Gewalteinwirkung oder Montagefehler zur Beschädigung geführt haben. Weiters hielt die Beklagte in diesem Schreiben fest, daß zur Klärung der Schadensursache diverse Fotoaufnahmen (Gesamt- und Nahaufnahmen) und ein kompletter Düsenring vom Kühlturm, aus dem die Materialprobe stammt, benötigt werden, und verwies darauf, daß bei vielen von ihr - u.a. auch nach Kuba - gelieferten Kühltürmen ein solcher Schaden niemals aufgetreten sei. Am Schluß dieses Schreibens heißt es wörtlich:

"Aus obigen Ausführungen mögen Sie bitte entnehmen, daß bis zu einer endgültigen Klärung - falls dies überhaupt möglich ist und Sie dies wünschen - alle eventuellen Ersatzansprüche für die beschädigten Teile von uns abgelehnt werden müssen, umso mehr als die Lieferung vor ca. 4 1/2 Jahren erfolgte."

Die Firma B*** Gesellschaft mbH bestellte bei der Beklagten die erforderlichen Ersatzteile. Die Beklagte begann mit der Produktion, nachdem die Firma B*** Gesellschaft mbH die zuvor vereinbarte Anzahlung geleistet hatte. Die Beklagte stellte für die Ersatzlieferung einen Betrag von S 211.719,60 in Rechnung, welcher Betrag von der Firma B*** Gesellschaft mbH bezahlt wurde. Die Ersatzteile wurden von der Beklagten auf Rechnung der Firma B*** Gesellschaft mbH direkt zur Baustelle nach Kuba geliefert. Mit dem an die Firma B*** Gesellschaft mbH gerichteten Schreiben vom 1. Februar 1982 nahm die Beklagte zu dem ihr mittlerweile übersandten Foto Stellung. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

"Die Fotos zeigen außerdem klar, daß die Beschädigung durch Gewalteinwirkung entstanden ist, z.B. durch Fallenlassen oder Trangringe oder ähnliches. Es wäre auch zu klären, ob das an allen Kühltürmen aufgetreten ist oder nur bei den vom kubanische Personal montierten. Jedenfalls kann gesagt werden, daß sich die Konstruktion bei vielen hundert Kühltürmen bestens bewährt hat und nie zu Reklamationen Anlaß gegeben hat. Daß dieses Material auch für die Verhältnissse in Kuba geeignet ist, beweisen die zwölf Kühltürme, die dort aufgestellt sind, und zwar in Peru, Marques, Guatemala und Guiteras (wobei jede Anlage drei Kühltürme von ähnlicher Type wie Santa Cruz umfaßt), und die ohne Beanstandung in Betrieb sind."

Mit Schreiben vom 22. Juni 1982 teilte die VEW der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH mit, daß deren Konto, vorbehaltlich der Klärung der offenen Fragen, mit einem Globalbetrag von S 590.000,-- belastet wird. Des weiteren wurde von der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH für einen etwaigen künftigen Rechtsstreit der Verzicht auf die Einrede der Verjährung verlangt. Die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH leitete eine Kopie des Schreibens vom 22. Juni 1982 und der Belastung vom 24. Juni 1982 mit Begleitschreiben vom 7. Juli 1982 an die Beklagte mit der Bitte weiter, bezüglich der Verjährung eine Stellungnahme abzugeben. Die Beklagte reagierte auf dieses Schreiben nicht. Im Schreiben vom 14. Juli 1982 schlug die VEW der Firma Josef B***

Gesellschaft mbH vor, daß sie selbst unter Beiziehung eines Vertreters der Beklagten einen Fachmann an die Baustelle entsenden sollte, um sich an Ort und Stelle von den vorhandenen Mängeln, welche von ihr gemeinsam mit der Beklagten zu vertreten seien, zu überzeugen. Am Schluß dieses Schreibens heißt es: "Wir haben daher die von uns vorgenommene Belastung Ihres Kontos mit dem nach unseren bisherigen Feststellungen durchaus niedrig bemessenen Globalbetrag von S 590.000,-- inklusive Mehrwertsteuer verbucht." Eine Kopie dieses Schreibens ging wiederum an die Beklagte. Gleichzeitig erbat die Josef B*** Gesellschaft mbH in ihrem Schreiben vom 5. August 1982 von der Beklagten Antwort auf das Schreiben vom 7. Juli 1982. Ausgehend von ihrem Standpunkt, daß kein Materialfehler vorliege und daher keine Haftung bestehe, reagierte die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer Dipl.Ing. P*** auch auf dieses Schreiben nicht. Aus diesem Grund teilte der Prokurist der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH dem Geschäftsführer der Beklagten telefonisch mit, daß die Beklagte keine Veranlassung habe, auf die Verjährung einzugehen. Daraufhin antwortete der Prokurist der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH, daß in diesem Fall eine Klage notwendig werde, worauf Dipl.Ing. P*** erwiderte, daß die Beklagte einer Klage entgegensehe. Die Belastung mit dem Betrag von S 590.000,-- erfolgte derart, daß die VEW bei der Bezahlung der dritten und vierten Rate einer von der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH gelieferten Kesselanlage am 3. August 1982 den Betrag von S 590.000,-- zurückbehielt. Diesen Betrag zuzüglich Zinsen machte die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH gegen die VEW zu 18 Cg 108/83 des Handelsgerichtes Wien klageweise geltend. Die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH vertrat in diesem Verfahren den Standpunkt, daß kein Materialfehler oder von ihr zu vertretender Montagefehler vorliege. Am 19. April 1985 wurde Dipl.Ing. Walter P*** als Zeuge vor dem Bezirksgericht Bludenz im Rechtshilfeweg vernommen. Dabei sagte er aus, daß einwandfreies Material geliefert worden sei. Am 3. September 1985 gab der Zeuge Dipl.Ing. Hasan R***, ein Angestellter der VEW, als Zeuge an, daß bei gleichartigen Kühltürmen auf einer Baustelle in Guatemala und auch auf anderen Baustellen auf Kuba dieselben Mängel an den Düsenringen aufgetreten seien. Auf Grund dieser Aussage schätzte der Klagevertreter in Übereinstimmung mit der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH die Prozeßsituation nicht gut ein. Es kam deshalb am 20. Mai 1986 zum Abschluß eines Vergleiches, in welchem sich die VEW verpflichtete, an die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH einen Betrag von S 250.000,-- bei Kostenaufhebung zu bezahlen. Die Beklagte wurde über den Verlauf und das Ergebnis des Verfahrens 18 Cg 108/83 des Handelsgerichtes Wien vom Klagevertreter unterrichtet. Zwischen den Streitteilen fanden konkrete Vergleichsverhandlungen nie statt, da die Beklagte ihren Standpunkt, daß sie nicht schadenersatzpflichtig sei und keine Zahlung leisten müsse, nie aufgab. Dipl.Ing. P*** und der Klagevertreter kamen telefonisch überein, daß die Beklagte für die Zeit ab 30. September 1985 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Mit Schreiben vom 18. März 1986 bestätigte der Klagevertreter diese Absprache. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, daß der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH auf Grund des Schreibens der VEW vom 14. Juli 1982, in welchem die Belastung mit dem Betrag von S 590.000,-- bekanntgegeben worden sei, der Schadensumfang bekannt gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH auch so weit Kenntnis von der Person des Schädigers und vom Ursachenzusammenhang gehabt, daß unter Berücksichtigung des jedem Prozeß anhaftenden Risikos eine Entschädigungsklage gegen die Beklagte mit Aussicht auf Erfolg hätte erhoben werden können. Daß die Firma Josef B*** Gesellschaft mbH jedoch vorerst der Argumentation der VEW, daß ein Materialfehler vorliege, nicht gefolgt sei, könne den Beginn der Verjährungsfrist nicht verschieben. Die Verjährungsfrist für allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Firma Josef B*** Gesellschaft mbH gegen die Beklagte habe also spätestens im August 1982 zu laufen begonnen. Da die vorliegende Klage erst am 8. Juli 1986 bei Gericht eingelangt sei, sei ein allfälliger Schadenersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten gemäß § 1489 ABGB verjährt. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Infolge Berufung der Klägerin hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Das Berufungsgericht führte aus, für die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin habe auf Grund der nach der Untersuchung der Materialprobe der beschädigten Düsenringe wiederholt abgegebenen Erklärungen der Beklagten, daß kein Materialfehler vorliege und daß solche Mängel bei den von der Beklagten auch nach Kuba ausgelieferten Kühltürmen bisher nie aufgetreten seien, zumindest nach den bisherigen Beweisergebnissen kein Anlaß bestand, die Richtigkeit dieser Behauptungen, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder durch Erkundigungen bei den anderen Kunden der Beklagten in Kuba, zu überprüfen. Daß die Angaben der Beklagten bzw. deren Geschäftsführers Dipl.Ing. P*** zumindest hinsichtlich der behaupteten Mängelfreiheit der an andere Kunden in Kuba gelieferten Kühltürme nicht richtig sein konnten, habe sich aber erst am 3. September 1985 anläßlich der Aussage des Zeugen Dipl.Ing. Hasan R*** im Verfahren 18 Cg 108/83 des Handelsgerichtes Wien herausgestellt, wonach auch bei anderen von der Beklagten nach Kuba gelieferten Kühltürmen dieselben Mängel an den Düsenringen aufgetreten seien wie bei den gegenständlichen Kühltürmen. Es sei daher davon auszugehen, daß die Klägerin frühestens ab dem 3. September 1985 Kenntnis davon erlangt habe, daß sie hinsichtlich der Schäden an den Düsenringen der Kühltürme von der Beklagten nicht richtig informiert worden sei. Bis dahin habe die Klägerin offenbar auf die Richtigkeit der Erklärungen der Beklagten hinsichtlich der an den Düsenringen aufgetretenen Mängeln vertraut und daher die Rückzahlung des von der VEW wegen dieser Mängel einbehaltenen Betrages von S 590.000,-- begehrt. Es sei daher davon auszugehen, daß die Klägerin erst am 3. September 1985 in Kenntnis jener Umstände gekommen sei, die ein Verschulden der Beklagten begründen könnten, nämlich in Kenntnis der Unrichtigkeit der ihr von der Beklagten zu den Mängeln an den Düsenringen erteilten Informationen, gelangt sei. Die dreijährige Verjährunsfrist des § 1489 ABGB habe daher erst am 3. September 1985 zu laufen begonnen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei daher noch nicht verjährt. Damit erweise sich diese Rechtssache aber noch nicht als spruchreif, weil das Erstgericht im Hinblick auf die vom Berufungsgericht nicht gebilligte Rechtsansicht, daß die Klagsforderung verjährt sei, keinerlei Beweise zum Grund und der Höhe des geltend gemachten Schadenersatzanspruches aufgenommen habe. Das angefochtene Urteil sei daher gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO aufzuheben gewesen. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren die von den Streitteilen zu dem Schadenersatzanspruch der Klägerin angebotenen Beweise aufzunehmen und sodann neuerlich zu entscheiden haben. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs (richtig Rekurs) der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte führt aus, für den Beginn der Verjährungszeit nach § 1489 Satz 2 ABGB sei nicht entscheidend, ob sich der Anspruchsberechtigte, also die Klägerin, subjektiv in einem Irrtum befunden habe, sondern ob ihr objektiv alle für das Entstehen des Anspruches maßgeblichen Tatumstände bekannt waren. Die Rechtsprechung wolle verhindern, daß geschädigte Personen oder Firmen solange warten können und dürfen, bis sie die vollständige und tatsächliche Gewißheit zu haben glauben, daß ein bevorstehender Prozeß schlußendlich gewonnen werden könne. Die Auftragserteilung sei im September 1978 erfolgt. Nach den Behauptungen der Klägerin seien erstmals bei der Montage-Endkontrolle der Rückkühlanlage Santa Cruz im Jänner 1981 an den von der Beklagten gelieferten Kühltürmen Mängel und Schäden festgestellt worden. Bereits mit Schreiben vom 14. August 1981 sei die Klägerin ausdrücklich von der Beklagten aufmerksam gemacht worden, daß alle eventuellen Schadenersatzansprüche von ihr abgelehnt werden und sie freiwillig nicht bereit sei, irgendeine Zahlung an die Klägerin zu leisten. Die Klägerin habe also spätestens aufgrund des Schreibens vom 14. August 1981 die ablehnende Haltung der Beklagten gekannt. Mit Schreiben vom 1. Februar 1982 habe die Beklagte nochmals darauf hingewiesen, daß sie nicht bereit sei, Schadenersatzansprüche der Klägerin anzuerkennen, und daß sie kein Verschulden an irgendwelchen Schäden treffe. Auf die Forderungsschreiben vom 7. Juli 1982 und 5. August 1982 habe die Beklagte nicht reagiert und keine Stellungnahme abgegeben, sodaß die Klägerin schon aus diesem Sachverhalt schließen mußte, daß die Beklagte nicht bereit sei, freiwillig Zahlung zu leisten. Der Prokurist der Klägerin, Kurt E***, habe bei seiner Einvernahme am 12. November 1986 ausgesagt, daß mit Rücksicht auf die Nichtbeantwortung der oben angeführten Schreiben aus einem Telefongespräch zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten, Dipl.Ing. P***, und ihm zu entnehmen war, daß die Beklagte keine Veranlassung habe, auf die Frage der Verjährung einzugehen. Daraufhin habe Prokurist E*** mitgeteilt, daß aus diesem Grund eine Klage notwendig werde, worauf der Geschäftsführer der Beklagten erwidert habe, daß diese einer Klage entgegensehe. Dieses Telefongespräch habe spätestens im Herbst 1982, also nach Verfassung der Schreiben vom 7. Juli und 5. August 1982 stattgefunden. Wenn also nicht schon am 14. August 1981, so doch spätestens im Jahr 1982, habe die Klägerin unbestreitbare Gewißheit gehabt, daß die Beklagte alle Schadenersatzansprüche ablehne und es der Klägerin daher schon zu diesem Zeitpunkt sicher vorhersehbar gewesen sei, daß ohne Klageführung eine Schadenersatzzahlung durch die Beklagte nicht möglich sei. Die Klägerin habe sich spätestens im Jahre 1982 zumindest nach Einbehalt des Betrages von S 590.000,-- und auf Grund des Schreibens vom 14. August 1981 und der weiteren Korrespondenz und Telefonate darüber im Klaren befunden, daß die Beklagte nicht nur den Schaden bestreite, sondern daß ohne Klage mit keiner Zahlung gerechnet werden könne. Für die Frage, des Beginns der Verjährungsfrist sei die erste objektive Möglichkeit zur Klagserhebung maßgebend und nicht die subjektive Seite des Geschädigten. Da die Klägerin bereits mit Schreiben vom 14. August 1981 objektiv und subjektiv alle für das Entstehen des Anspruches maßgeblichen Umstände gekannt habe, hätte sie auch

spätestens - zumindest bei Einbehaltung der S 590.000,-- -, ab diesem Zeitpunkt, die Möglichkeit gehabt, mit Klage gegen die Beklagte vorzugehen. Entgegen der Ansicht des Berufungssenates sei es nicht Sinn und Zweck des § 1489 Abs 2 ABGB, solange warten zu können, bis der Schaden nicht nur sicher vorhersehbar, sondern jegliches Prozeßrisiko für die Klageführung beseitigt gewesen sei. Es sei daher keinesfalls davon auszugehen, daß die Klägerin erst am 3. September 1985 in Kenntnis jener Umstände gekommen sei, die ein Verschulden der Beklagten begründen hätte können, da der Klägerin die notwendigen und erforderlichen Informationen bereits wesentlich früher, nämlich durch Schriftwechsel sowie durch Telefongespräche und durch persönliche Intervention an Ort und Stelle in Kuba zur Verfügung gestanden seien.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beginnt die Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB erst, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt ist, daß die Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (SZ 18/171; 20/236; 40/40; 48/27; 8 Ob 516/79 uva.). Zu den für das Entstehen des Ersatzanspruches maßgebenden Umständen, die dem Geschädigten im Sinne des § 1489 Satz 1 ABGB bekannt sein müssen, gehört daher nicht nur die Kenntnis des Schadens und des Schädigers sowie des Ursachenzusammenhanges zwischen dem Schaden und einem dem Schädiger anzulastenden Verhalten, sondern überall dort, wo der Ersatzanspruch des Beschädigten ein Verschulden des Schädigers voraussetzt, auch die Kenntnis jener Umstände, die im Einzelfall ein derartiges Verschulden begründen (vgl. SZ 56/76 u.a.). Der Beginn der Verjährungsfrist darf daher nicht früher angenommen werden, als bis der Geschädigte vom ganzen Sachverhalt, der den Grund des Verjährungsanspruches darstellt, Kenntnis erlangt hat. Dem Geschädigten kann nicht zugemutet werden, die Klage in einem früheren Zeitpunkt anzustrengen, als sie Aussicht auf Erfolg hat (vgl. SZ 30/40 u.a.). Der Beginn der Verjährungsfrist kann andererseits auch nicht bis zur völligen Gewißheit eines Prozeßerfolges aufgeschoben werden; das jedem Prozeß anhaftende Risiko kann nicht bewirken, daß der Beginn der Verjährungsfrist hinausgeschoben würde (vgl. SZ 56/76 u.a.).

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß für die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin auf Grund der nach der Untersuchung der Materialprobe der beschädigten Düsenringe wiederholt abgegebenen Erklärungen der Beklagten, daß kein Materialfehler vorliege und daß solche Mängel bei den von der Beklagten auch nach Kuba ausgelieferten Kühltürmen bisher nie aufgetreten seien, zumindest nach den damals vorliegenden Beweisergebnissen kein Anlaß bestand, die Richtigkeit dieser Behauptungen anzuzweifeln und etwa mittels Sachverständigengutachten oder durch Einholung von Informationen in Kuba zu überprüfen. Erst durch die Zeugenaussage des Dipl.Ing. Hasan R*** im Verfahren 18 Cg 108/83 des Handelsgerichtes Wien am 3. September 1985, wonach auch bei anderen von der Beklagten nach Kuba gelieferten Kühltürmen dieselben Mängel an den Düsenringen aufgetreten seien wie bei den gegenständlichen Kühltürmen, gelangte die Klägerin in Kenntnis der möglichen Unrichtigkeit der Angaben der Beklagten bzw. deren Geschäftsführers Dipl.Ing. P*** zumindest hinsichtlich der behaupteten Mängelfreiheit der an andere Kunden in Kuba gelieferten Kühltürme und damit von Hinweisen auf ein allenfalls in Betracht kommendes Verschulden der Beklagten hinsichtlich der Materialfehler an den Düsenringen der KÜhltürme, ohne daß ihr allerdings schon deshalb der gegen die Beklagte anzustrengende Prozeß als risikolos erscheinen durfte. Entgegen der Ansicht der Revision ist daher in der Auffassung, daß der Klägerin vor dem 3. September 1985 der Sachverhalt nicht so weit bekannt war, daß sie objektiv mit Aussicht auf Erfolg die Klage erheben konnte und daher der Lauf der Verjährungsfrist erst mit diesem Zeitpunkt begann, und somit zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen war, keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zu erblicken. Den auf Grund dieser zutreffenden rechtlichen Beurteilung vom Berufungsgericht dem Erstgericht erteilten Ergänzungsaufträgen kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13512

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00657.87.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19880315_OGH0002_0020OB00657_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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