TE OGH 1988/3/15 4Ob11/88

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** DES Ö***

O***, Wien 1., Graben 30/5, vertreten durch

Dr. Franz J. Salzer und Dr. Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B*** D*** & Co AG, Salzburg, Griesgasse 11, vertreten durch Dr. Georg Reiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 300.000,--), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 17. Dezember 1987, GZ 2 R 223/87-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 30. September 1987, GZ 37 Cg 241/87-7, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.701,10 bestimmten Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.700,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der klagende Verband hat sich die Förderung des seriösen Geschäftsverkehrs im Teppichhandel zum Ziel gesetzt; er kämpft gegen geschäftsschädigende Praktiken im Teppichhandel, um Wettberwerbshandlungen, die gegen bestehende gesetzliche Normen verstoßen, zu eliminieren und damit einen Beitrag zu einem fairen Wettbewerb des Handels mit handgeknüpften Teppichen zu leisten. Seine Mitglieder sind ausschließlich Gewerbetreibende (Unternehmer), die mit handgeknüpften Teppichen handeln, sofern sie Mitglieder der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Österreichs oder ihrer Teilorganisationen sind.

Die Beklagte ist eine Bank mit dem Sitz in Salzburg; sie hat die Berechtigung zur Durchführung von Bankgeschäften und zur Beratung in Finanzfragen. In Wien hat sie keine Niederlassung.

Am 6. August 1987 erschien auf S. 8 der Tageszeitung "K***" folgendes Inserat:

" Zwangsverkauf

echter Perser- und Orientteppiche durch Bankhaus

Daghofer & Co Aktiengesellschaft Salzburg Wir bieten Ihnen die einmalige Gelegenheit, garantiert echte Perserteppiche um nur 65 % des Schätzwertes zu erwerben. Sämtliche Teppiche wurden von 2 unabhängigen, gerichtlich beeideten Sachverständigen geschätzt. Durch den Pfandgläubiger werden mehrere hundert Orientteppiche in verschiedenen Größen und Preisklassen abverkauft. im "Austrotel" Wien/Westbahnhof, Felberstraße 4.

Tel. 0222/924113 Unverbindliche Besichtigung und Verkauf am:

Freitag, 7. August, von 10 bis 18 Uhr Samstag, 8. August, von 9 bis 12 Uhr Montag, 10. August, von 10 bis 18 Uhr

Dienstag, 11. August, von 10 bis 18 Uhr Mittwoch, 12. August, von 10 bis 18 Uhr nur wenige Tage nur wenige Tage".

Dabei handelte es sich um den freihändigen Verkauf von Pfandgegenständen. Die Beklagte hat gleichartige Pfandverwertungen schon früher in Salzburg und in Bregenz durchgeführt. Mit der Behauptung, daß diese Ankündigung gegen die Gewerbeordnung und damit gleichzeitig gegen § 1 UWG verstoße, weil die Beklagte eine Teppichverkaufsveranstaltung ankündige und durchführe, ohne im Besitz einer Gewerbeberechtigung dafür zu sein, begehrt die Klägerin zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Teppichen Verkaufsveranstaltungen anzukündigen und durchzuführen, ohne im Besitz der für diesen Standort erforderlichen Bewilligung der Gewerbebehörde zu sein.

Die Beklagte beantragte die Zurückweisung des Sicherungsantrages wegen örtlicher Unzuständigkeit des Erstgerichtes. Das Sicherungsbegehren des Klägers sei aber auch sachlich nicht gerechtfertigt: Die Beklagte habe keine gewerbsmäßige Tätigkeit im Sinne des § 1 GewO 1973 ausgeübt, die nicht durch ihre Gewerbeberechtigung gedeckt wäre. Sie habe nur die ihr von der Firma P*** T*** N*** OHG zur Besicherung von deren Kreditverbindlichkeiten als Pfand gegebenen Teppiche, der Vereinbarung mit der Kreditschuldnerin gemäß, mangels Abdeckung der fällig gestellten Kredite verwertet. Damit habe sie sich nicht die Berechtigung zum Handel mit solchen Gegenständen angemaßt, sondern ein Banknebengeschäft abgewickelt, habe sie doch dafür sorgen müssen, daß die aushaftenden Kreditsalden durch die Pfandverwertung gedeckt oder doch vermindert würden. Sie sei jedenfalls subjektiv gutgläubig gewesen, weil sie vor der Pfandverwertung Kontakt mit dem Leiter der Salzburger Gewerbebehörde, Senatsrat Dr. S***, Kontakt aufgenommen habe; dieser habe ihr erklärt, daß sie durch die Pfandverwertung keine Bestimmungen der Gewerbeordnung verletze. Der Erstrichter wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab. Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hielt er noch für bescheinigt, Erkundigungen der Beklagen bei der Gewerbebehörde hätten ergeben, daß gegen diese Verkaufsveranstaltungen keine Bedenken der Gewerbebehörde bestünden und kein Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften vorliege. Rechtlich meinte der Erstrichter, die beanstandete Teppichverkaufsveranstaltung sei eine Pfandverwertung gewesen, die zum Bereich der Bankgeschäfte gehöre und durch die Bankkonzession gedeckt sei. Schon aus diesem Grund habe die Beklagte nicht wettbewerbswidrig gehandelt. Die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit sei nicht berechtigt, weil das Erstgericht als Prozeßgericht für die Erledigung des Sicherungsantrages zuständig sei.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe zutreffend seine Zuständigkeit bejaht. Bei der beanstandeten Einschaltung handle es sich entgegen der Meinung des Klägers nicht um die Ankündigung eines Ausverkaufes, sondern um die eines (freihändigen) Verkaufes von Pfandsachen durch einen Pfandgläubiger. Der durchschnittliche Leser erkenne eindeutig, daß der "Zwangsverkauf" von der Beklagten durchgeführt werde; der Hinweis darauf, daß Orientteppiche "durch den Pfandgläubiger" abverkauft würden, stelle nur klar, daß es sich bei den Orientteppichen um Pfandsachen handle, die vom Gläubiger (= Beklagte) abverkauft würden. Die Ansicht, die Beklagte verkaufe Teppiche aus einer eigenen Zwangslage heraus, lasse sich im Hinblick auf die Formulierung, daß durch die Beklagte als Pfandgläubiger Orientteppiche verkauft würden, nicht vertreten.

Einen Verstoß der Beklagten gegen § 1371 ABGB habe der Kläger in erster Instanz nicht behauptet; ein solcher Verstoß wäre hier als wettbewerbsrechtlich neutral auch belanglos.

Nach Artikel 8 Nr. 14 EVHGB könne sich ein Kaufmann aus einer beweglichen Sache, die ihm im Betrieb seines Handelsgewerbes verpfändet worden ist, auch durch Verkauf der Sache befriedigen. Die außergerichtliche Pfandverwertung müsse nicht im Wege der öffentlichen Versteigerung erfolgen; für den Pfandverkauf bedürfe es auch keiner Vereinbarung zwischen Pfandgläubiger und Pfandschuldner.

Demnach sei der Rekurs des Klägers berechtigt:

Nach § 2 Abs 1 Z 14 GewO finde die Gewerbeordnung 1973 auf den Betrieb von Bankgeschäften keine Anwendung. Bankgeschäfte seien die im Geschäftsbereich von Banken üblicherweise anfallenden Tätigkeiten. Die kurzzeitige Verwertung im Zuge von Bankgeschäften übergebener Pfandgegenständen gehöre zwar möglicherweise zu den Bankgeschäften im weitesten Sinne; zu den gewerblichen Tätigkeiten, die nach der Verkehrsauffassung dem Geschäftsbereich der Kreditunternehmungen zuzuordnen sind (§ 1 Abs 2 KWG), gehöre aber nicht mehr die Durchführung von Verkaufsveranstaltungen, die 5 Tage hindurch andauerten. Die Verkaufstätigkeit der Beklagten erfordere eine längere Zeit im Sinne des § 1 Abs 4 GewO, so daß sie als regelmäßige Tätigkeit angesehen werden könne. Der zur Beurteilung des Begriffes "längere Zeit" analog heranzuziehende Zeitraum von mehr als 3 Tagen (§ 46 Abs 1 GewO) rechtfertige im Zusammenhalt mit § 1 Abs 2 KWG die Annahme, daß es sich bei der Verkaufstätigkeit der Beklagten nicht mehr um ein Bankgeschäft handle, sondern um eine Tätigkeit, die einer gesonderten Gewerbeberechtigung bedürfe. Das der Beklagten angelastete wettbewerbswidrige Verhalten, ohne Gewerbeberechtigung Teppichverkaufsveranstaltungen durchzuführen, sei sohin bescheinigt.

Der Beklagten sei dieses wettbewerbswidrige Verhalten auch subjektiv vorwerfbar. Sie habe Bedenken gegen ihre Vorgangsweise gehabt; die Einholung einer Äußerung des Leiters der - für den vorliegenden Fall nicht zuständigen - Salzburger Gewerbebehörde reiche nicht aus, um die subjektive Vorwerfbarkeit zu verneinen. Im übrigen habe die Beklagte gar nicht bescheinigt, daß sie den hier zu behandelnden Fall an Dr. S*** herangetragen habe.

Gegen diese einstweilige Verfügung wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag ab- oder zurückgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Auf die von der Beklagten neuerlich aufgeworfene Frage der Zuständigkeit des Erstgerichtes ist nicht mehr einzugehen. Der Erstrichter hat die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes in der Begründung seines Beschlusses bejaht; das Rekursgericht hat diese Ansicht gebilligt. Die Frage der Zuständigkeit kann daher nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (§ 528 Abs 1 Z 1 ZPO).

Soweit sich aber die Beklagte gegen die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz wendet, daß es sich bei dem beanstandeten Teppichverkauf um eine der Gewerbeordnung unterliegenden Tätigkeit gehandelt habe, ist ihr zuzustimmen:

Die Vorinstanzen haben als bescheinigt angenommen, daß die Teppiche, deren Verkauf die Beklagte angekündigt und durchgeführt hat, ihr zum Pfand gegeben worden waren. Im allgemeinen kann der Pfandgläubiger, der nicht innerhalb der vorgesehenen Frist befriedigt wird, die Feilbietung des Pfandes nur gerichtlich verlangen (§ 461 ABGB), dh er muß Klage und Exekution führen (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 461). Nach Art. 8 Nr. 14 EVHGB kann sich aber ein Kaufmann - wie die beklagte Aktiengesellschaft (§ 3 AktG; § 6 Abs 1 HGB) - aus einer beweglichen Sache, die ihm im Betriebe seines Handelsgewerbes verpfändet worden ist, auch durch Verkauf der Sache befriedigen. Dieser kann entweder im Wege einer öffentlichen Versteigerung (Art. 8 Nr. 14 Abs 1 EVHGB; § 1233 Abs 1, § 1235 Abs 1 BGB) oder - wenn das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis hat - freihändig durch einen zu solchen Verkäufen öffentlich ermächtigten Handelsmäkler oder durch eine zur öffentlichen Versteigerung befugte Person erfolgen

(§§ 1221, 1233 Abs 1, § 1235 Abs 2 BGB). Der Eigentümer und der Pfandgläubiger können aber eine von den Vorschriften der §§ 1234 bis 1240 ABGB abweichende Art des Pfandverkaufs vereinbaren (§ 1245 Abs 1 BGB). Auf eine solche Vereinbarung (Beilage 1) gestützt, hat die Beklagte die beanstandete Verkaufsaktion durchgeführt. Bei der außergerichtlichen Pfandverwertung nach Art. 8 Nr. 14 AVHGB bedarf der Pfandgläubiger - entgegen der Meinung des Klägers und des Rekursgerichtes - auch dann keiner Gewerbeberechtigung, wenn er, wie im vorliegenden Fall, den Verkauf selbst durchführt. Der Verkauf von Pfandgegenständen kann nicht dem Begriff des "Handels" unterstellt werden; für diesen ist nicht nur der Verkauf, sondern auch die Beschaffung von Waren zum Zweck des Weiterverkaufes, ohne daß eine nennenswerte Veränderung dieser Waren stattfände, wesentlich (vgl. § 1 Abs 2 Z 1 HGB; Meyers Enzyklopädisches Lexikon9, Band 11, 389 linke Spalte). Davon kann aber beim Verkauf von Pfandgegenständen ebensowenig die Rede sein wie beim Verkauf solcher Gegenstände, die seinerzeit zum eigenen Gebrauch angeschafft wurden und nun nicht mehr benötigt werden. Auch solche Verkäufe fallen nicht unter den (weiteren) Begriff der gewerbsmäßigen Tätigkeit (§ 1 Abs 2 GewO), welcher unter anderem die Absicht voraussetzt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Das trifft für eine Pfandverwertung nicht zu. Der Pfandgläubiger hat die Pfandsache nicht zu dem Zweck erworben, um sie mit Gewinn weiterzuveräußern, sondern nur, um die ihm aus einem schon früher abgeschlossenen Rechtsgeschäft zustehende Forderung zu sichern. Der Verkauf der Pfandsache dient nur der Hereinbringung einer offenen Forderung. Eine solche Handlung verfolgt - wirtschaftlich gesehen - den gleichen Zweck wie die Veranlassung eines gerichtlichen Verfahrens zur Eintreibung einer Forderung; ein die offene Schuld übersteigender Erlös aus dem Pfandverkauf ist dem Pfandeigentümer auszufolgen (§ 464 ABGB; Petrasch aaO Rz 3 zu § 464 mwN).

Unterliegt aber der Pfandverkauf nicht der Gewerbeordnung, so ist der vom Kläger gegen die Beklagte in erster Instanz allein erhobene Vorwurf einer sittenwidrigen Handlung durch Verletzung der Gewerbeordnung unberechtigt. Ob die Pfandverwertung den Bankgeschäften zugeordnet werden kann (vgl. § 1 Abs 2 KWG), ist unter diesen Umständen nicht näher zu erörtern. Die vom Kläger erstmals im Rekurs aufgestellte Behauptung, die Beklagte habe einen Ausverkauf angekündigt, ist im Hinblick auf das im Rekursverfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtlich.

Aus diesen Erwägungen war der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13554

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00011.88.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19880315_OGH0002_0040OB00011_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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