TE OGH 1988/3/15 2Ob522/88 (2Ob523/88)

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei V*** T*** registrierte Genossenschaft mbH,

4284 Tragwein 37, vertreten durch Dr. Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. H*** + P***, Immobilien- und Anlagen-Gesellschaft mbH, 2. Mag. Hubert H***, Geschäftsführer, beide Weingartshofstraße 20, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Johannes Grund, Dr. Wolf Polte, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 310.342,76 s.A. und S 502.232,53 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4. November 1987, GZ 3 R 215, 216/87-38, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 8. Mai 1987, GZ 10 Cg 163/86-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Die Klägerin gewährte der Firma P*** Bauträger GesmbH mit Vertrag vom 1. April 1982 ein Darlehen von S 2,5 Mio; mit Vertrag vom 8. Juli 1982 wurde der Kredit um S 500.000,-- auf S 3 Mio aufgestockt. Die Verträge wurden vom Zweitbeklagten persönlich als Pfandgeber und auch für die Firma P*** Bauträger GesmbH unterfertigt. Er war nämlich bei dieser Firma ebenso wie bei der Erstbeklagten Geschäftsführer. Die Darlehen dienten der Errichtung eines Doppelhauses. Als Sicherstellung der Darlehen dienten unter anderem zwei Wechsel, die anläßlich der Errichtung der beiden Verträge jeweils von beiden Beklagten unterfertigt wurden. Der Zweitbeklagte unterfertigte sowohl als Geschäftsführer der Firma P*** Bauträger GesmbH und der Erstbeklagten als auch persönlich eine Wechselerklärung, wonach die Klägerin bei Eintritt der Fälligkeit zur Ausfüllung ermächtigt wird. In der Folge geriet die Firma P*** Bauträger GesmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die im Jahr 1983 zur Eröffnung des Konkurses führten. Die Klägerin setzte in die beiden Wechsel Beträge von S 310.342,76 und S 502.232,53 je s.A. ein und beantragte die Erlassung von Wechselzahlungsaufträgen.

Die Beklagten bestritten, daß offene Salden in der Höhe der in die Wechsel eingefügten Beträge bestünden, und wendeten im übrigen ein, bei Unterfertigung der Blankowechsel sei mündlich vereinbart worden, daß diese erst dann vollständig ausgefüllt werden könnten, wenn nach (bisher nicht erfolgter) endgültiger Abwicklung der Projekte ein offener Saldo auf dem Konto verblieben sei. Im ersten Rechtsgang hielt das Erstgericht die Wechselzahlungsaufträge aufrecht. Es stellte fest, daß auf den beiden Konten Salden in der Höhe der in die Blankowechsel eingesetzten Beträge bestünden. Das Erstgericht führte die beantragte Parteienvernehmung zum Thema der behaupteten Vereinbarung nicht durch, führte aber trotzdem aus, den Beklagten sei jeglicher Beweis für die behauptete Vereinbarung mißlungen.

Das Berufungsgericht gab der gegen das im ersten Rechtsgang ergangene Ersturteil erhobenen Berufung nicht Folge und vertrat die Ansicht, durch die behauptete Vereinbarung wäre für die Beklagten nichts gewonnen, weil die Klägerin nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditinstitute berechtigt gewesen sei, auf Grund der Konkurseröffnung die Wechsel fällig zu stellen.

Mit Beschluß vom 22. April 1986, 2 Ob 536, 537/86, hob der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück, weil Feststellungen über die von den Beklagten behauptete Vereinbarung, der rechtliche Bedeutung zukomme, erforderlich seien.

Im zweiten Rechtsgang erstatteten die Beklagten weiteres Vorbringen; sie stellten neue Behauptungen darüber auf, aus welchen Gründen das Ausfüllen der Wechsel vertragswidrig gewesen sei und Salden in der Höhe der in die Blankowechsel eingesetzten Beträge nicht bestünden.

Die Klägerin nahm die Klage hinsichtlich eines Betrages von S 38.000,-- im Verfahren 10 Cg 117/84 (wegen S 310.342,76 s.A.) unter Anspruchsverzicht zurück, sodaß noch ein restlicher Forderungsbetrag in diesem Verfahren von S 272.342,76 s.A. verblieb. Mit dem Urteil im zweiten Rechtsgang hielt das Erstgericht die Wechselzahlungsaufträge - abgesehen von dem von der Klagsrückziehung betroffenen Betrag - aufrecht und erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die Beträge von S 272.342,76 und S 502.232,53 s.A. zu bezahlen. Das Erstgericht traf auf den Seiten 11 bis 29 (= AS 217 ff) seiner Entscheidung umfangreiche Feststellungen. Nach diesen Bestehen auf den beiden Konten Salden in der Höhe der in die Blankowechsel eingesetzten Beträge. Nicht festgestellt werden konnte eine Vereinbarung, daß die beiden Wechsel erst nach vollständiger Abwicklung der Projekte ausgefüllt werden durften, auch die weiteren Vereinbarungen, die dem Ausfüllen der Wechsel nach der Behauptung der Beklagten entgegenstünden, wurden nicht als erwiesen angenommen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und erklärte die Revision im Verfahren, in welchem der Streitwert nunmehr S 272.342,76 beträgt, für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz übernahm lediglich die Feststellungen zur Frage, ob eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen bestehe, wonach erst nach endgültiger Abwicklung des Projekts im Fall eines offenen Saldos die Wechsel ausgefüllt werden dürfen, deren Vorliegen das Erstgericht unbekämpft verneinte, und legte diese negative Feststellung seiner Entscheidung zugrunde.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, der Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes sei dem Aufhebungsgrund nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO zuzuordnen. Das ergänzende Verfahren habe sich auf die durch die Mängel betroffenen Teile des erstgerichtlichen Urteils und Verfahrens zu beschränken. Die vom Mangel nicht betroffenen Teile blieben unberührt und dürften nicht mehr neuerlich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, die Neudurchführung erstrecke sich auf jene Verfahrensteile, die durch den Mangel berührt wurden und deren Erneuerung oder Ergänzung sich als notwendig aus der Behebung des Mangels ergebe. Neue Sachanträge seien überhaupt ausgeschlossen, ebenso Prozeßanträge zu bereits aus dem Bereich der Neuverhandlung ausgeschiedenen Verfahrensergebnissen und Verfahrensabschnitten. Was im Aufhebungsbeschluß als abschließend erledigt oder als zutreffend entschieden und unumstößlich erklärt werde, könne keinesfalls mehr Gegenstand des erneuerten Verfahrens sein. Verfahrensabschnitte und Verfahrensergebnisse, die im Aufhebungsbeschluß nicht erwähnt oder nicht ausdrücklich gebilligt würden, könnten nur unter der Voraussetzung, daß ihre Überprüfung durch die Mängelbehebung erforderlich werde, zum Gegenstand der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung werden (Fasching IV 213, 3 Ob 589/84, 7 Ob 652/84, JBl 1983, 441). Gehe das Erstgericht bei der Beachtung von neuem Vorbringen über die im § 496 Abs 2 ZPO für den Aufhebungstatbestand des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO gezogenen Grenzen hinaus, liege Gesetzwidrigkeit vor. Der Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes könne nur so verstanden werden, daß die Sache spruchreif sei, wenn nicht die von den Beklagten behauptete Vereinbarung vorliege, daß die Wechsel erst ausgestellt werden dürfen, wenn das zu finanzierende Bauprojekt abgerechnet sei und dann noch ein offener Saldo verbleibe. Nur in diesem Umfang sei eine Verfahrensergänzung für erforderlich erachtet worden. Auf die Beweis- und Tatsachenrüge, die sich im Rahmen der im zweiten Rechtsgang neu aufgestellten Tatsachenbehauptungn bewege, brauche daher nicht eingegangen zu werden.

Die Beklagten bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Revisionswerber führen im wesentlichen aus, der Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes habe seine Grundlage in § 496 Abs 1 Z 3 ZPO gehabt, das neue Vorbringen sei daher zulässig gewesen.

Im vorliegenden Fall ist auf den Unterschied, der zwischen Aufhebungen nach Z 2 und 3 des § 496 Abs 1 ZPO besteht (vgl. dazu etwa SZ 28/96) nicht einzugehen, weil die Vorschrift des § 496 Abs 2 ZPO, wonach im Fall der Z 2 das Verfahren auf die durch den Mangel betroffenen Teile des erstgerichtlichen Verfahrens und Urteils zu beschränken ist, dem neuen Vorbringen der Beklagten auf keinen Fall entgegensteht. Auch im Fall einer Aufhebung nach § 496 Abs 1 Z 2 ZPO tritt das Verfahren nämlich in den Stand vor Schluß der Verhandlung erster Instanz zurück. Hinsichtlich des von der Aufhebung betroffenen Teiles des Verfahrens ist daher auch neues Vorbringen zulässig (SZ 28/96; 8 Ob 33/70; RZ 1978/28 ua). Nur Fragen, die die aufhebende Instanz bereits abschließend beurteilt hat, können nicht neu aufgerollt werden (vgl. JBl 1983, 411; JBl 1986, 669). Fragen, die im Aufhebungsbeschluß nicht erörtert wurden, weil auf Grund der damals vorliegenden Behauptungen und Feststellungen hiezu kein Anlaß bestand, können im zweiten Rechtsgang aufgeworfen werden (SZ 50/97).

Der Oberste Gerichtshof hat sich im Aufhebungsbeschluß nur mit der damals in der Revision behandelten Frage des Einflusses der behaupteten Vereinbarung auf die Sachentscheidung auseinandergesetzt. Zu den übrigen Fragen wurde nicht Stellung genommen, sie wurden daher nicht abschließend erledigt, als zutreffend entschieden oder als unumstößlich erklärt (vgl. Fasching IV 213). Aufgehoben wurden die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Klärung der Frage, ob das Ausfüllen der Wechsel den getroffenen Vereinbarungen widersprach. Zu diesem Thema war ein neues Vorbringen - abgesehen bei Vorliegen von Verschleppungsabsicht - zulässig (vgl. Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 1819). Bestand im Sinne der Behauptungen der Beklagten der aushaftende Saldo nicht in der von der Klägerin behaupteten Höhe oder wurden die von den Beklagten weiters behaupteten Vereinbarungen tatsächlich getroffen, dann wäre die Klägerin nicht berechtigt gewesen, die Wechsel auszufüllen oder zumindest nicht Beträge in der Höhe, in der es tatsächlich geschah, einzusetzen. Aus diesem Grund sind die vom Erstgericht zum neuen Vorbringen getroffenen Feststellungen für die Entscheidung wesentlich, weshalb das Berufungsgericht auch die Mängel- und Beweisrügen, soweit sie sich auf diese Feststellungen beziehen, zu behandeln hat. Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13511

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00522.88.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19880315_OGH0002_0020OB00522_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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