TE OGH 1988/3/16 1Ob522/88

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Veröffentlicht am 16.03.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Erlagssache des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (25 b Vr 13274/85) wider die Erlagsgegner 1.) Josefine L***, Wien 10.,

Hardtmuthgasse 109/4, vertreten durch Dr. Hermann Gaigg, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Dr. Maria A. W***, Wien 1., Herrengasse 6-8/1/8/36, vertreten durch Dr. Johannes Schriefl und Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlages gemäß § 1425 ABGB, infolge Revisionsrekurses der Ersterlagsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 29. September 1987, GZ 43 R 376/87-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. Juni 1987, GZ 5 Nc 94/86-6, ersatzlos aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der rekursgerichtliche Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 20. Juni 1986 ordnete das Landesgericht für Strafsachen Wien die Hinterlegung von drei Sparbüchern mit einem Gesamtkontostand von S 1,538.652,39 beim Erstgericht gemäß § 1425 ABGB an. Mit Beschluß vom 5. August 1986 nahm das Erstgericht diesen Erlag an, wies die Verwahrungsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien an, diese Sparbücher weiterhin in Verwahrung zu halten, und sprach aus, daß jede Verfügung über diese Sparbücher dem Erstgericht vorbehalten bleibe und deren Ausfolgung nur über einverständlichen Antrag der Erlagsgegner oder auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgen werde. Dieser Beschluß wurde den beiden Erlagsgegnerinnen Josefine L*** und Dr. Maria A. W*** sowie der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zugestellt; ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluß wurde nicht erhoben.

Mit Beschluß vom 20. Mai 1987 hob die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Beschluß dieses Gerichtes vom 20. Juni 1986 infolge Beschwerde der Josefine L*** auf und widerrief die Erlagsanordnung. Das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin sei gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Dr. Maria A. W*** habe weder vor noch nach der Einstellungsverfügung einen Antrag auf Ausfolgung der beschlagnahmten Sparbücher gestellt, so daß keine widersprechenden Erklärungen vorlägen. Deshalb hätte die zur Beweissicherung durchgeführte Beschlagnahme nicht in eine Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB übergeleitet werden dürfen.

Das Erstgericht erteilte darauf der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Auftrag zur Ausfolgung der hinterlegten Sparbücher an das genannte Gericht.

Diesen Beschluß hob das Gericht zweiter Instanz infolge Rekurses der Dr. Maria A. W*** ersatzlos auf. Gemäß § 2 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse (BGBl. 281/1963) seien strafgerichtliche Verwahrnisse, die nach Wegfall des Rechtsgrundes für die gerichtliche Verwahrung nicht ausgefolgt werden können, vom Strafgericht nach § 1425 ABGB zu hinterlegen. Nach herrschender Rechtsprechung könne der rechtmäßige Erlag im Sinne des § 1425 ABGB, durch den der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit werde, vom Erleger ab der Verständigung des Gläubigers nicht mehr widerrufen werden. Nur wenn sich der Erleger den Widerruf des Erlages ausdrücklich vorbehalten habe oder durch gerichtliche Entscheidung ausgesprochen worden sei, daß der Erlag nicht rechtmäßig und damit nicht schuldbefreiend erfolgt sei, könne der Erleger selbst auf Ausfolgung dringen. Da keiner dieser Ausnahmsfälle vorliege und der Annahmebeschluß des Erstgerichtes in Rechtskraft erwachsen sei, könne der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien für das Erlagsverfahren keine Wirkung mehr haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Erlagsgegnerin Josefine L*** ist zulässig. Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist die vom Erstgericht verfügte Ausfolgung der zu Gericht angenommenen Verwahrnisse an das Strafgericht und nicht der Annahmebeschluß. Da Josefine L*** die Verwahrnisse nach dem Inhalt des Beschlusses der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auszufolgen wären und sie daher durch die Aufrechterhaltung der gerichtlichen Verwahrung gemäß § 1425 ABGB beschwert ist, muß ihr das Rechtsmittelrecht zugebilligt werden. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß der im Sinne des § 1425 ABGB rechtmäßige Erlag den Schuldner befreit und deshalb von der Verständigung des Gläubigers an grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden kann; nur wenn der Erleger sich den Widerruf ausdrücklich vorbehalten hat, der Gläubiger zustimmt oder der Schuldner gegen den Gläubiger eine gerichtliche Entscheidung, die die Berechtigung zur Rücknahme anerkennt, erwirkt hat, ist er zur Rücknahme der hinterlegten Leistung berechtigt (SZ 40/8; SZ 24/261; 2 Ob 530/76; 1 Ob 695/83; vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, § 1425 Rz 30; Ehrenzweig-Mayrhofer3, Schuldrecht Allgemeiner Teil 588 f; aM Hoyer in JBl. 1984, 382). Diese Grundsätze wurden jedoch für den Regelfall des § 1425 ABGB, in dem sich der Schuldner durch den Erlag von seiner Schuld befreien will, entwickelt. Im vorliegenden Fall sind die Sparbücher jedoch nicht von einem Schuldner hinterlegt worden, um sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien, sondern das Strafgericht hat in Befolgung einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß im Strafverfahren beschlagnahmt gewesene Verwahrnisse gemäß § 1425 ABGB erlegt werden. Bei Erlag durch den Schuldner, der ohne weitere Prüfung seiner Rechtmäßigkeit anzunehmen und damit abgeschlossen ist (NZ 1986, 41 u.a.), ist ausschließlich dessen Erklärung bestimmend (SZ 52/49 u.a.); der gerichtlich angeordnete Erlag setzt hingegen ungeachtet eines nicht weiter bekämpften Annahmebeschlusses des Erlagsgerichtes einen rechtswirksamen (rechtskräftigen) Beschluß des erlegenden Gerichtes voraus. Wird die Erlagsanordnung - wie im vorliegenden Fall - durch das Rechtsmittelgericht behoben, so ist die Rechtslage so zu beurteilen, als ob das Strafgericht von vornherein keinen (wirksamen) Erlag angeordnet hätte. Da die Erlagsanordnung des Strafgerichtes (Untersuchungsrichter) durch Beschwerde an die Ratskammer, der keine aufschiebende Wirkung zukommt, anfechtbar ist (§ 113 Abs 1 StPO) und nicht angenommen werden kann, daß der im Gesetz eingerichtete Rechtszug ohne rechtliche Auswirkung bleiben soll, konnte der vor Rechtskraft der Erlagsanordnung erlassene Annahmebeschluß des Erlagsgerichtes nur unter der Voraussetzung rechtlichen Bestand haben, daß die Anordnung des Strafgerichtes einer allfälligen Anfechtung standhielt. Wurde die Erlagsanordnung im Rechtsmittelweg aufgehoben, so waren der Erlag und damit auch die Annahme des Erlages zu Gericht unwirksam, so daß das Erstgericht die erlegten Verwahrnisse nach Verständigung von der Entscheidung der Ratskammer zu Recht dem Strafgericht ausfolgte.

In Stattgebung des Revisionsrekurses ist der erstinstanzliche Beschluß wiederherzustellen.

Anmerkung

E13494

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00522.88.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19880316_OGH0002_0010OB00522_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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