TE OGH 1988/3/16 1Ob516/88

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Veröffentlicht am 16.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N. Arthur G*** Gesellschaft mbH & Co. KG, Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 12, vertreten durch Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei B*** FÜR O*** UND S***,

Salzburg, Alter Markt 4, vertreten durch Dr. Wolf Schuler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 934.807,63 s.A. infolge der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10. November 1987, GZ 3 R 249/87-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. Mai 1987, GZ 1 Cg 193/85-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 65.422,31 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 4.112,05 Umsatzsteuer und S 20.189,34 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Handelsregister des Landesgerichtes Salzburg ist unter HRA 3311 die klagende Partei N. Arthur G***

Gesellschaft mbH & Co. KG eingetragen, deren persönlich haftender Gesellschafter die unter HRB 2189 eingetragene N. Arthur G*** Gesellschaft mbH ist. Auf Grund des Gesellschaftsvertrages vom 1. September 1975 war die Vertretungsbefugnis in der Gesellschaft mbH dahin geregelt, daß die Gesellschaft, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, durch je zwei Geschäftsführer gemeinsam oder einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten wird; einzelne Geschäftsführer können zur selbständigen Vertretung ermächtigt werden. Mit Abtretungsvertrag vom 29. März 1977 trat Norbert Arthur G*** als alleiniger Gesellschafter der N. Arthur G*** Gesellschaft mbH Geschäftsanteile von je S 25.000,-- an Gertrude P***, Dr. Helmut P*** und Berndt G*** ab. In Punkt VI des Vertrages wurde vereinbart, daß Dr. Helmut P*** zum zweiten Geschäftsführer bestellt wird und die beiden Geschäftsführer Dr. Helmut P*** und N. Arthur G*** gemeinsam zeichnen. Die Eintragung des Dr. Helmut P*** als Geschäftsführer in das Handelsregister erfolgte am 1. August 1977.

Gegenstand des Unternehmens der klagenden Partei ist der Import von Brückenprüfgeräten und deren Reparatur. Im Jahre 1982 erhielt die klagende Partei vom Bundesministerium für Bauten und Technik den Auftrag, die Brückenprüfgeräte einiger Bundesländer zu reparieren und technisch zu verbessern. Die Abwicklung eines solchen Auftrages dauert zwei bis drei Jahre und oblag im wesentlichen Norbert Arthur G***. Mit der Buchhaltung der klagenden Partei war bis zum Jahre 1984 die Tochter des Norbert Arthur G*** befaßt. Die klagende Partei unterhielt bei der S***

L*** ein Girokonto. Im Dezember 1983 trat Norbert

Arthur G*** mit dem Leiter der Filiale M*** der beklagten Bank Dr. Erich H*** in Verbindung und erklärte ihm, "Inhaber" der Norbert Arthur G*** Gesellschaft mbH zu sein und ein Firmenkonto eröffnen zu wollen. Zum Nachweis seiner Zeichnungsbefugnis legte er den Gesellschaftssvertrag vom 1. September 1975 und einen Handelsregisterauszug vom 4. September 1975 vor. Auf Grund dieser Unterlagen wurde für die N. Arthur G*** Gesellschaft mbH im Dezember 1983 das Konto Nr. 341-0021/86 bei der beklagten Partei eröffnet. Der Geschäftsführer Dr. Helmut P*** hatte hievon keine Kenntnis.

Die klagende Partei übermittelte dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung die mit 15. Dezember 1983 datierte Rechnung Nr. 05/83 über den Betrag von S 480.920,-- zuzüglich Umsatzsteuer von S 86.565,60, insgesamt daher von S 567.465,60, und dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung die mit 10. Mai 1984 datierte Rechnung Nr. 5/84 über S 480.920,-- zuzüglich S 96.184,-- Umsatzsteuer, sohin von S 577.104,--. Beide Rechnungen betrafen Überholungsarbeiten und technische Verbesserungen an Brückenkontrollgeräten. Die Rechnungen enthalten den Beisatz: "Zahlung ausschließlich auf Konto Nr. 341-0021/86 bei O*** M*** BLZ 15090" bzw. "Zahlung innerhalb 30 Tagen nach Rechnungsstellung ausschließlich an die O*** Salzburg, Zweigstelle M***, Konto-Nr. 341-0021/86".

Am 19. oder 20. Dezember 1983 holte Dr. Erich H*** anläßlich eines Ansuchens des Norbert Arthur G*** um Gewährung eines Zessionskredites einen Handelsregisterauszug der N. Arthur G*** Gesellschaft mbH ein, aus dem sich ergab, daß Norbert Arthur G*** nicht allein zeichnungsberechtigt ist. Er forderte von Norbert Arthur G*** einen urkundlichen Nachweis für dessen Behauptung, daß ungeachtet des Registerstandes jeder Geschäftsführer allein vertretungsbefugt sei, nahm aber bis März 1985 keine Kontosperre vor. Am 5. Jänner 1984 wurde dem Konto der N. Arthur G*** Gesellschaft mbH bei der beklagten Partei im Auftrage des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung der Betrag von S 538.231,75 und am 18. Juli 1984 im Auftrage des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung der Betrag von S 496.575,88 gutgeschrieben. Von den Gutschriften wurde der Betrag von S 100.000,-- von Norbert Arthur G*** der klagenden Partei überwiesen. Zwischen der klagenden und der beklagten Partei bestand und besteht keine Geschäftsverbindung. In der Generalversammlung der N. Arthur G*** Gesellschaft mbH vom 27. März 1985 wurde beschlossen, Norbert Arthur G*** als Geschäftführer abzuberufen. Am 4. April 1985 wurde im Handelsregister des Landesgerichtes Salzburg eingetragen, daß Norbert Arthur G*** nicht mehr Geschäftsführer ist und Dr. Helmut P*** die Gesellschaft selbständig vertritt. Ein gegen diese Verfügung von Norbert Arthur G*** erhobener Rekurs wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 10. Mai 1985, HRB 2189-27, als unzulässig zurückgewiesen.

Die klagende Partei begehrt den Betrag von S 934.807,63 s.A. und brachte vor, die Eröffnung des Kontos für die N. Arthur G*** Gesellschaft mbH bei der beklagten Partei durch den nicht allein vertretungsbefugten Norbert Arthur G*** sei in betrügerischer Absicht erfolgt und durch das fahrlässige Verhalten der beklagten Partei, welche die Vertretungsverhältnisse in der Gesellschaft mbH nicht näher geprüft habe, ermöglicht worden. Norbert Arthur G*** sei es dadurch ermöglicht worden, Zahlungen, die der klagenden Partei zustanden, auf dieses Konto zu leiten und Beträge in der Höhe des Klagsbetrages zu beheben. Die beklagte Partei hafte für den eingetretenen Schaden aus dem Titel des Schadenersatzes. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe bei der Eröffnung des Kontos nicht schuldhaft gehandelt. Eine Haftung könnte sie nur treffen, wenn sie arglistig mit Norbert Arthur G*** zum Nachteil der klagenden Partei zusammengewirkt hätte, was nicht einmal behauptet werde. Der eingetretene Schaden sie auf das alleinige, jedenfalls aber überwiegende Verschulden der klagenden Partei zurückzuführen. Bei Anwendung der geringsten Sorgfalt hätte nicht unentdeckt bleiben können, daß Norbert Arthur G*** in den Rechnungen die Schuldner der klagenden Partei angwiesen habe, auf das Konto der Gesellschaft mbH bei der beklagten Partei Einzahlungen zu leisten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Eröffnung des Kontos auf den Namen der Gesellschaft mbH stelle keine Gefahr für die Gesellschaft dar. Die Kontoeröffnung allein sei typischerweise für die Herbeiführung eines Schadens ungeeignet; dieser könne nur eintreten, wenn ein weiterer vertretungsbefugter Gesellschafter der klagenden Partei untreu handle. Hiefür sei die beklagte Partei nicht verantwortlich zu machen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Die beklagte Partei hätte bei der Eröffnung des Kontos eine sorgfältige Identitätskontrolle vorzunehmen, insbesondere die Vertretungsbefugnis des einschreitenden Norbert Arthur G*** durch Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszuges nachzuprüfen gehabt. Der Zweck dieser Prüfung liege darin, Fälschungen oder die Erschleichung von Überweisungen unter fremdem Namen zu verhindern bzw. aufzudecken. Es handle sich um eine spezifisch privatrechtliche Pflicht, auf deren Verletzung der Geschädigte Schadenersatzansprüche stützen könne. Die beklagte Partei hafte demnach für den eingetretenen Schaden. Da das Verhalten des Filialleiters der beklagten Partei bei Eröffnung des Kontos als auffallend sorglos und damit grob fahrlässig zu beurteilen sei, hafte die beklagte Partei selbst dann, wenn ein in allgemeinen Geschäftsbedingungen normierter Haftungsausschluß für Fahrlässigkeit zum Tragen käme. Der Mitverschuldenseinwand der beklagten Partei sei nicht berechtigt, weil sie keinen Weg aufgezeigt habe, wie die Organe der klagenden Partei die Manipulationen des Norbert Arthur G*** hätte verhindern können.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung zu. Zunächst ist zu prüfen, ob den Zahlungen der Schuldner der klagenden Partei auf das bei der beklagten Partei für die Gesellschaft mbH eröffnete Konto schuldbefreiende Wirkung zukam; wäre dies zu verneinen, hätte die klagende Partei keinen Schaden erlitten.

Die auf Geschäftspapier der klagenden Partei ausgestellten, nicht unterfertigten Rechnungen Nr. 05/83 und 5/84 enthielten die Anweisung, daß Zahlungen ausschließlich auf das Konto 341-0021/86 bei der beklagten Partei zu erfolgen haben. Empfangsberechtigte Person oder Firma war keine angeführt. Die Rechnung (Handelsrechnung, Faktura) wird in der Regel nach Ausführung einer Lieferung oder Leistung erstellt. Sie enthält üblicherweise die von § 11 Abs.1 UStG geforderten Angaben, also den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers sowie des Abnehmers der Lieferung bzw. des Empfängers der Leistung, die Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände bzw. die Art und den Umfang der sonstigen Leistung, das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag und den Tag der Lieferung oder Leistung. Im Inlandsverkehr werden Rechnungen nicht unterzeichnet (Ratz in Großkomm HGB3 Rz 131 zu § 346). Die Höhe des Rechnungsbetrages steht entweder schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fest oder wird, wenn sie zunächst noch unbestimmt ist, erst in der Rechnung bekanntgegeben; in letzterem Fall ist die Faktura eine Rechnung im eigentlichen Sinn, weil in ihr die Forderung des Gläubigers berechnet wird. Hängt die Höhe der Geldforderung von einem begrenzten Ermessen des Gläubigers ab, spricht man von einer konstitutiven Rechnung, ist ihr Inhalt (weitgehend) vorgegeben, von einer deklaratorischen Rechnung (Ratz aaO Rz 132 zu § 346 HGB; Esser-Schmidt, Schuldrecht6 I Allgemeiner Teil 254, 255). Die deklaratorische Rechnung ist die Lösung einer Rechenaufgabe durch den Fakturisten der Firma (Ratz aaO Rz 133 zu § 346 HGB). Rechnungen enthalten, obwohl sie im Inlandsverkehr nicht firmenmäßig gefertigt werden, aber vielfach auch Mitteilungen oder rechtsgeschäftliche Erklärungen, so die Verständigung des Schuldners von der Zession einer Forderung oder die Angabe einer Zahlstelle, an die der Schuldner zahlen kann oder zahlen soll. Nach der Verkehrssitte ist die Angabe eines Kontos durch den Gläubiger auf seinem Geschäftspapieren, zu denen auch Rechnungen gehören, dahin zu verstehen, daß der Gläubiger das angegebene Kreditinstitut als Zahlstelle und Zahlungen auf dieses Konto als schuldbefreiend gelten läßt (SZ 50/151; HS 4255; SZ 23/59; SZ 7/307; Bydlinsky in Klang Komm.2 VI/2, 331; Koziol-Welser, Grundriß8 I 209; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 15 zu § 905; Kaduk in Staudinger10/11 § 362 BGB Vorbem. Rz 62; Fikentscher, Schuldrecht7 199; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts14 I Allgemeiner Teil 249).

Da Rechnungen üblicherweise nicht von vertretungsbefugten Repräsentanten des Gläubigers unterfertigt, sondern von der Buchhaltung ausgestellt und dem Schuldner übermittelt werden, müssen die damit betrauten Personen auch als ermächtigt angesehen werden, den üblichen Rechnungsinhalt in die Rechnung einzusetzen. Der Gläubiger schafft damit einen äußeren Tatbestand, auf den der Schuldner, dem die Rechnung übermittelt wird, vertrauen darf. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Person im Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand zu schützen, wenn ihr trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt der wahre Sachverhalt verborgen blieb und der äußere Tatbestand von dem gesetzt wurde, gegen den er sich auswirken soll. Das Vertrauen muß seine Grundlage im Verhalten des Vollmachtgebers haben, der diesen äußeren Tatbestand schafft und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht begründet (SZ 54/111; SZ 44/46; HS 10194, 9100, 9098, 7106/2, 4084/50 u.a.). Im Fall einer kollektiven Vertretung muß der äußere Tatbestand, wie der Oberste Gerichtshof gleichfalls schon wiederholt ausgesprochen hat, von kollektivvertretungsbefugten Personen herbeigeführt oder geduldet worden sein (HS 10194, 9101, 5090/6; EvBl. 1976/272; SZ 47/59; Strasser in Rummel, ABGB, Rz 49 zu § 1002 ABGB). Liegen diese Zurechnungsvoraussetzungen vor, hat der Geschäftsherr, den Fall der Kollusion ausgenommen, auch die vom Vertreter geübte Arglist zu verantworten (HS 9103/15, 9108). Welcher Sachverhalt ausreicht, um auf das Vorliegen von Vertretungsmacht zu schließen und welche Anforderung an die Diligenzpflicht des Dritten, der sich auf den äußeren Tatbestand beruft, zu stellen sind, hängt wesentlich von der Verkehrssitte ab.

Schon bisher wurde in der Rechtsprechung in der Tatsache, daß jemand mit Wissen und Willen des Geschäftsherrn über Geschäftspapier und Firmenstampiglie verfügen kann, in Verbindung mit anderen Umständen, z.B. der Benützung des Geschäftslokals des Geschäftsherrn, ein Anscheinssachverhalt erblickt, aus dem auf eine Bevollmächtigung bestimmten Inhalts geschlossen werden darf (GesRZ 1982, 48; JBl. 1968, 567; HS 1176, 511/8), wogegen in der Einräumung der Möglichkeit zur Benützung des Fernschreibers (bei Vorliegen besonderer Umstände, die Verdacht erregen mußten) kein hinreichender Vertrauenssachverhalt erblickt wurde (HS 10194). Dem Schuldner, dem unter Verwendung von Geschäftspapier des Gläubigers eine Rechung zukommt, die den üblichen Inhalt, zu dem auch die Anweisung, an eine bestimmte Zahlstelle zu zahlen gehört, aufweist, kann nicht zugemutet werden, Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Rechnungsinhalt dem Willen des Gläubigers entspricht bzw. ob dieser die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um Mißbräuche bei der Ausstellung von Rechnungen, insbesondere bei der Anbringung von Zahlstellenvermerken, die eine Umleitung von Zahlungen bewirken, hintanzuhalten. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die beim Adressaten der Rechnung Zweifel über das Vorliegen der Vertretungsmacht aufkommen lassen müssen, wäre dem Empfänger der Vertrauensschutz zu versagen (HS 511/8; Strasser aaO Rz 49 zu § 1002 ABGB; Koziol-Welser aaO 162). Da die Abwicklung der klagenden Partei erteilten Aufträge und die Ausfertigung der Rechnungen Norbert Arthur G*** bzw. seiner Tochter oblag, was nur mit Duldung des zweiten Geschäftsführers der klagenden Partei der Fall sein konnte, ist der durch Übermittlung der Rechnungen geschaffene äußere Tatbestand auf das Verhalten der vertretungsbefugten Organe der klagenden Partei zurückzuführen. Den Zahlungen der Schuldner auf das Konto der Gesellschaft mbH bei der beklagten Partei kam daher schuldbefreiende Wiukung zu. Die klagende Partei gründet das Begehren auf Leistung von Schadenersatz im wesentliche darauf, daß die beklagte Partei der ihr obliegenden Verpflichtung zur Prüfung der Vertretungsverhältnisse nicht entsprochen und damit die Umleitung der Zahlungen der Schuldner der klagenden Partei auf das Konto der N. Arthur G*** Gesellschaft mbH bei der beklagten Partei ermöglicht habe. Die beklagte Partei stand mit der klagenden Partei in keinem Vertragsverhältnis, so daß der Schadenersatzanspruch nicht auf die schuldhafte Verletzung von Vertragspflichten gegründet werden kann. Es ist aber heute allgemein anerkannt, daß Schutz- und Sorgfaltspflichten nicht nur zwischen den Vertragsparteien, sondern auch gegenüber bestimmten dritten Personen bestehen (SZ 59/51 = JBl. 1986, 381; SZ 54/65; SZ 53/169 und 13; SZ 51/97 u.a.; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 70; Welser in FS Wagner 361 ff mwN). Erhöhte Sorgfaltspflichten entstehen unabhängig davon, ob es zu einem Vertragsschluß kommt, aus Handlungen, die für den geschäftlichen Kontakt bestimmt sind, dem gegenüber, mit dem der Handelnde in Kontakt treten will, dem potentiellen Vertragspartner (Welser, Vertretung ohne Vollmacht 83). Die Rechtfertigung der in contrahendo bestehenden erhöhten Verantwortlichkeit wird damit begründet, daß vom Handelnden spezifische Gefahren gesetzt werden (Welser, Vertretung 73 f), sogenannte Tätigkeitsgefahren, die für das Vermögen dritter Personen schadensträchtig sein können (vgl. Larenz aaO Besonderer Teil12 II 612).

In der Bundesrepublik Deutschland wird darüber hinaus die Auffassung vertreten, daß eine Haftung für bloße Vermögensschäden auch dann in Betracht zu ziehen sei, wenn die Wahrung der Interessen dritter Personen zu den Berufsaufgaben des Haftenden gehört (Huber, FS Caemmerer 359; Mertens AcP. 178, 227, 252 f). Dagegen wendet sich Larenz aaO Besonderer Teil 617, der diese Rechtsansicht als sehr problematisch bezeichnet, weil mit der Statuierung von Verkehrspflichten bloße Vermögensinteressen gegen deliktische Eingriffe geschützt und damit eine generelle Liquidation allgemeiner Vermögensschäden eröffnet würde, was die §§ 823 ff BGB gerade verhindern wollen. In Österreich lehnt Koziol, Österreichisches Haftpflichtgesetz2 II 64, "Berufspflichten" zum Schutz des Vermögens irgendeines Dritten grundsätzlich ab. Gegen eine derartige Ausdehnung des Begriffes der Verkehrspflichten spreche, daß damit der Grundgedanke des Entstehens besonderer Pflichten bei Schaffung oder Aufrechterhaltung einer Gefahrenquelle verlassen werde. Derjenige, der einen besondere Sachkenntnisse erfordernden Beruf ausübe, habe weder besondere Unterlassungspflichten gegenüber jedermann noch die Pflicht, bei jedem beliebigen Dritten das Entstehen von Nachteilen durch aktives Handeln zu verhindern. Die Rechtsansicht, die jedem Angehörigen bestimmter Berufe und damit auch Banken besondere Pflichten auferlegt, um den Eintritt von Nachteilen im bloßen Vermögen dritter Personen zu verhindern, stünde auch mit der grundlegenden Bestimmung des § 1300 ABGB in eindeutigem Widerspruch. Wird eine Auskunft nicht gegen Belohnung erteilt, haftet der Sachverständige nur bei wissentlicher Erteilung eines falschen Rates. Daraus ist abzuleiten, daß ein umfassender Schutz des reinen Vermögens von Personen außerhalb vertraglicher oder vorvertraglicher Pflichten dem österreichischen Recht fremd ist. Nur die besondere Gefährlichkeit einer Handlung könnte die Anerkennung von Sorgfaltspflichten zum Schutz des reinen Vermögens dritter Personen rechtfertigten. Dieser Gedanke scheint der Auffassung von Canaris in Großkomm HGB3 III/3 Bankvertragsrecht,

2. Bearbeitung, Rz 124, zugrundezuliegen, wonach die Kontrollpflichten der Kreditinstitute bei der Kontoeröffnung dazu dienen, Fälschungen oder Erschleichungen von Überweisungen unter fremdem Namen zu verhindern bzw. aufzudecken und damit fremdes Vermögen vor Schaden zu schützen. Auf die Verletzung dieser "spezifisch privatrechtlichen Pflicht" könne der Geschädigte gegebenenfalls Schadenersatzansprüche stützen. Das Reichsgericht (vgl. RGZ 84, 349; RGZ 91, 116; RGZ 152, 262) und der Bundesgerichtshof (WM 1974, 154; WM 1977, 1019) haben Ersatzansprüche von Personen, die infolge der Errichtung eines Kontos unter falschem Namen geschädigt wurden, anerkannt. Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 36, vertreten ohne nähere Begründung nur unter Hinweis auf WM 1974, 154 ebenfalls die Auffassung, daß grobe Fahrlässigkeit bei der Identitätsprüfung zur Haftung der Kreditunternehmung Dritten gegenüber führen könne. Die vom Reichsgericht in RGB 84.349 dieser Auffassung zugrundegelegte und später niemehr näher erörterte Konstruktion eines Vertrages zwischen dem Überweisenden und der Empfangsbank zugunsten eines Dritten, des wirklich Empfangsberechtigten, wird von Canaris aaO Rz 332, 398 mit Recht als unhaltbar bezeichnet. Sie ist auch für das österreichische Recht abzulehnen, weil zwischen dem Überweisenden und der Empfangsbank, wie der Obersten Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, nur unter ganz besonderen Umständen eine Vertragsbeziehung besteht (SZ 59/222 = WBl 1987, 122). Eine derart weitgehende Verpflichtung zum Schutz fremden Vermögens ist jedoch nicht anzuerkennen. Die Eröffnung eines Kontos für eine juristische Person ohne Prüfung der Vertretungsbefugnis des für diese Handelnden birgt an sich keine besondere Gefahr für den Verkehr. Zahlungen auf dieses Konto wirken nur dann schuldbefreiend, wenn dem Zahlenden ein vom Gläubiger gesetzter Vertrauenstatbestand zugutekommt, der Gläubiger sich also einen von ihm gesetzten Rechtsschein, auch wenn er mit Betrugshandlungen in seinem Bereich vorhanden war, zurechnen lassen muß. Eine Gefahr kann nur für das Kreditinstitut selbst entstehen, wenn es dem vermeintlichen Kontoinhaber Kredit einräumt oder die Kontospesen vorrechnen will. Die Tatsache, daß die fehlerhafte Zahlung auf einem Grund erfolgte, der im Verantwortungsbereich der klagenden Partei lag, muß bei der Beurteilung, inwieweit eine Haftung der beklagten Partei besteht, entscheidend sein. Pflichten eines Kreditinstituts, Schäden durch Betrugshandlungen in der Sphäre eines Dritten hintanzuhalten, sind daher nicht anzuerkennen. Demnach bestünde nicht einmal ein Schadenersatzanspruch der N. Arthur G*** Gesellschaft mbH als der potentiellen Vertragspartnerin der beklagten Partei, auf deren Namen das Konto eröffnet werden sollte und die allein daher allenfalls von der beklagten Partei zu schützen gewesen wäre. Den Schadenersatzanspruch macht aber nicht die vermeintliche Kontoeröffnerin, die N. Arthur G*** Gesellschaft mbH, sondern die klagende Partei geltend, für die ein Konto eröffnen zu wollen Norbert Arthur G*** nicht einmal behauptet hatte. Ihr kann der geltend gemachte Anspruch unter keinen Umständen zustehen. Aus den dargelegten Gründen ist der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13922

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00516.88.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19880316_OGH0002_0010OB00516_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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