TE OGH 1988/3/22 11Os37/88

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Veröffentlicht am 22.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.März 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas F*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen nach den §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 3 und 4 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Anton U*** und die Berufung der Angeklagten Anton U*** und Thomas F*** sowie der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Anton U***, Thomas F***, Waltraud OBMANN, Günther KOMAIER, Michael O*** und Klaus T*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22.Dezember 1987, GZ 5 Vr 2598/87-110, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Anton U*** betreffenden Ausspruch, er habe die Diebstähle laut Punkt I A 6 und I A 7 des Schuldspruches auch unter Verwendung einer Waffe begangen, damit in der rechtlichen Unterstellung der Diebstähle auch unter die Qualifikation des § 129 Z 4 StGB und demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft, aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Anton U*** und die Staatsanwaltschaft in Ansehung dieses Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Thomas F*** sowie die die Angeklagten Thomas F***, Waltraud OBMANN, Günther KOMAIER, Michael O*** und Klaus T*** betreffenden Berufungen der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.Jänner 1961 geborene Landwirt Anton U***, der sich auch mit dem Handel von Motorradersatzteilen beschäftigte, des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch und mit Waffen nach den §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 2, 129 Z 3 und 4 StGB, teilweise als Beitragstäter nach dem § 12 StGB, schuldig erkannt, wobei an den zahlreichen Motorraddiebstählen im wechselnden Gesellschaftsverhältnis die Mitangeklagten Thomas F***, Waltraud OBMANN, Günther KOMAIER, Renato H***, Michael O*** und Klaus T*** beteiligt waren (Faktengruppe I A bis H). Anton U*** fällt darüber hinaus auch das Verbrechen der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 StGB (II) zur Last. Lediglich Anton U*** bekämpft den Schuldspruch zu den Punkten I A 6 und 7 mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde insoweit, als ihm zu diesen Fakten (auch) die Qualifikation nach dem § 129 Z 4 StGB angelastet wurde. Den Strafausspruch fechten die Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller Angeklagten mit Ausnahme des Renato H*** und die Angeklagten Anton U*** und Thomas F*** mit Berufung an.

Im bekämpften Umfang liegt dem Angeklagten Anton U*** inhaltlich des Urteilsspruches und der Feststellungen zur Last, in Gesellschaft des Thomas F*** und dessen Lebensgefährtin Waltraud OBMANN am 4.Mai 1987 in Liebenfels (Kärnten) dem Heinz Karl E*** ein Motorrad der Marke Honda im Wert von 79.000 S durch Aufbrechen der Lenkersperre gestohlen (I A 6) und am 7.August 1987 in Graz versucht zu haben, dem Karl M*** ein Motorrad der Marke K*** im Wert von rund 100.000 S durch Ausbau des Zündschlosses zu stehlen, wobei die Ausführung deshalb unterblieb, weil die Angeklagten beobachtet, auf frischer Tat betreten und kurz danach verhaftet wurden (I A 7). In beiden Fällen führte der Angeklagte F*** in Kenntnis der Beteiligten OBMANN und U*** eine Pistole der Marke Beretta 9 mm mit sich, um sie im Bedarfsfall zur Überwindung oder zur Verhinderung des Widerstandes einer Person beim Diebstahl zu verwenden (S 455/II).

Für diese (und alle anderen) Urteilskonstatierungen gab das Schöffengericht nur nachfolgende Begründung:

"Diese Feststellungen stützen sich im wesentlichen auf die Geständnisse der Angeklagten in der Hauptverhandlung und im Vorverfahren, die mit den von der Polizei und Gendarmerie geführten Erhebungen im Einklang stehen" (S 458/II).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer stellt die Rechtslage richtig dar, wenn er betont, daß ihn die Qualifikation des bewaffneten Diebstahls nur dann trifft, wenn er im Vertrauen auf die Bewaffnung des Komplizen stiehlt und diese Bewaffnung des Beteiligten und deren Zweck für gewiß hält (Leukauf-Steininger2 RN 39 zu § 129 StGB), geht aber bei seiner Rechtsrüge nicht von den - oben

dargestellten - Feststellungen aus, denen es allerdings an der erforderlichen Klarheit mangelt. Unter Zugrundelegung der geschilderten Qualifikationsmerkmale kann den Einwänden der Mängelrüge jedenfalls nicht entgegengetreten werden. Das Faktum I A 6 (und III) entspricht den in der Anzeige ON 31/I angeführten Fakten 16, 21 (S 303 bis 305, 315/I) und das FAktum I A 7 dem Anzeigefaktum 23, anläßlich dessen Aufklärung in dem bei der Tatausführung benützten PKW die Pistole Marke Beretta im geladenen Zustand vorgefunden wurde (S 317 bis 319/I). Zu dem aus diesem Erhebungsergebnis resultierenden Verdacht des bewaffneten Diebstahls erklärte der Angeklagte F*** bei seiner Vernehmung durch die Kriminalpolizeiliche Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz, daß er die Waffe bei den Diebstählen zu dem Zweck mitführte, um bei einer eventuellen Entdeckung den Gegner schrecken zu können. Er hätte aber nicht geschossen. Daß er die Waffe für diesen Zweck mitgeführt habe, wußten sowohl seine Freundin (OBMANN) als auch U*** (S 63/I). Waltraud OBMANN machte über den von F*** verfolgten Zweck des Waffenbesitzes gleichlautende Angaben (S 93 bis 95/I). Diese beiden Beschuldigten hielten diese Einlassungen auch vor dem Untersuchungsrichter aufrecht (ON 6, S 117 h verso, ON 7, S 121 d), während Anton U*** - mit diesen Angaben konfrontiert - nur zugab, gewußt zu haben, daß F*** einmal eine Pistole im Handschuhfach hatte, er habe aber nicht gewußt, daß er die Waffe im geladenen Zustand bei den Diebsfahrten mitführte (ON 8, S 123 f verso).

In der Begründung der Anklageschrift wurde auf Grund dieser Erhebungsergebnisse unter anderem ausgeführt, daß Thomas F*** in Kenntnis der jeweils beteiligten Beschuldigten Waltraud OBMANN und Anton U*** die im Anklagetenor beschriebene Pistole mit sich führte, um sie im Bedarfsfall zur Überwindung oder Verhinderung des Widerstandes einer Person zu verwenden (S 205/II). Eingangs der Hauptverhandlung gaben alle Angeklagten an, daß sie sich im Sinn der Anklageschrift vollinhaltlich schuldig fühlen, worauf das Gericht auf eine gesonderte Vernehmung der Angeklagten verzichtete, nur zwei Zeugen vernahm und - als keine Beweisanträge gestellt wurden - nach Verlesung einzeln dargestellter Aktenteile das Beweisverfahren schloß (ON 109/II).

Wenngleich die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsrichter (ON 8) inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolles (S 436 bis 437/II) nicht verlesen wurde (was nach dem § 252 Abs. 1 Z 2 StPO zulässig gewesen wäre) und daher nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war (§ 258 Abs. 1 StPO), ist die Urteilsbegründung dennoch undeutlich und unvollständig im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, weil sie nicht erkennen läßt, auf Grund welcher Beweisergebnisse davon ausgegangen wurde, daß Anton U*** die Bewaffung seines Komplizen bei den beiden

Diebsfahrten für gewiß hielt. Der lapidare Hinweis auf die geständige Verantwortung in der Hauptverhandlung kann schon deshalb nicht genügen, weil die in das Urteil eingeflossene Passage der Anklageschrift offen läßt, worauf sich die "Kenntnis" des U*** bezog, nämlich auf die Frage des Waffenbesitzes überhaupt oder aber auf das Mitführen der Waffe zum allfälligen Gebrauch bei Entdeckung. Wenn daher der oben zitierten Urteilsfeststellung (S 455/II) der dem Qualifikationstatbestand des § 129 Z 4 StGB entsprechende Sinn beigelegt wurde, hätte es im Hinblick auf die hier nicht eindeutigen (und auch verlesenen) Erhebungsergebnisse der Gendarmerie und der Polizei einer entsprechenden Erörterung in den Urteilsgründen bedurft, um nachvollziehen zu können, aus welchen Gründen der Vorwurf des bewaffneten Diebstahls in subjektiver Richtung auch dem Beschwerdeführer gemacht wurde.

Damit stand bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Anton U*** fest, daß das Urteil, soweit es die Qualifikation nach dem § 129 Z 4 StGB betrifft, aufzuheben und in diesem Umfang die Hauptverhandlung in erster Instanz neu durchzuführen sein wird (§ 285 e StPO). Damit wurde auch die Berufung dieses Angeklagten und die ihn betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegenstandslos.

Über die übrigen Berufungen wird gemäß dem § 285 i, letzter Satz, StPO nF nunmehr der örtlich zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben.

Anmerkung

E13885

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00037.88.0322.000

Dokumentnummer

JJT_19880322_OGH0002_0110OS00037_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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