TE OGH 1988/4/7 12Os4/88

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Veröffentlicht am 07.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.April 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A*** wegen des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 3 Z 1 und 3 StGB und anderen strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 5.Oktober 1987, GZ 29 Vr 424/87-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Kahlig, jedoch in Bbwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 3. des Urteilssatzes (wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Walter A*** wird für die ihm nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, und zwar das Vergehen des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 3 Z 1 und 3 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB (Punkt 2) gemäß §§ 28, 109 Abs. 3 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30.März 1987, 29 Vr 524/87-19, zu drei Monaten Zusatzstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Walter A*** - neben einer anderen strafbaren Handlung auch - der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall, StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB schuldig erkannt.

Darnach wollte er am 14.Februar 1987 in Traun Beamte dieses Gendarmeriepostens mit Gewalt an einer Amtshandlung, und zwar an seiner und der des Christian Robert I*** Festnahme, dadurch hindern, daß er dem Beamten T*** den rechten Arm zurückriß (sodaß dieser den I*** nicht festhalten konnte), den Beamten H*** vom Fahrzeug wegzudrängen versuchte (um so den Abtransport des I*** zu verhindern) und auf den Beamten P*** im Zuge seider Festnahme einschlug (zu 2); er hat dabei den Gendarmeriebeamten Franz H*** vorsätzlich am Körper verletzt, was zu einer Prellung des rechten Ellbogens führte, wobei die Tat an einem Beamten wegen der Vollziehung seiner Aufgaben begangen worden ist.

Mit seiner auf die Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge bekämpft der Angeklagte den Schuldspruch wegen Vergehens der schweren Körperverletzung zu Punkt 3 des Urteilssatzes.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist berechtigt.

Wenngleich der Unrechtsgehalt einer aus einem Widerstand gegen die Staatsgewalt resultierenden Verletzung eines Beamten nicht in jedem Fall durch die alleinige Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 269 Abs. 1 StGB erfaßt wird, weswegen an sich echte Konkurrenz mit dem in Betracht kommenden Verletzungsdelikt möglich ist, so erfüllt nicht jede im Zuge ausgeübter Gewalt bei einem solchen Widerstand dem Beamten zugefügte körperliche Beschädigung schon zwangsläufig (auch) den Tatbestand nach §§ 83, 84 Abs. 2 Z 4 StGB. Vielmehr ist es hiezu erforderlich, daß der Täter nicht nur die Amtshandlung gewaltsam hindern will, sondern (darüber hinaus) mit Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz im Sinne des § 83 Abs. 1 oder 2 StGB handelt (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2, § 269 RN 32 und die dort angeführte Judikatur).

Mängelfrei begründete Feststellungen in dieser Richtung hat das Erstgericht nicht getroffen. Abgesehen von der inhaltslosen Wiedergabe des Wortes "vorsätzlich" im Urteilsspruch ist der Entscheidung in tatsachenmäßiger Beziehung nur zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer die Freilassung des (festgenommenen) I*** forderte und den Gendarmeriebeamten Franz H*** dabei gegen das Einsatzfahrzeug drängte, in der Folge aber von einem anderen Beamten weggezogen wurde und daß H*** "durch die Angriffe und Abwehrhandlungen" des Angeklagten Abschürfungen und Prellungen am Ellbogen erlitt (S 240/241). Daraus (allein) kann jedoch ei Handeln mit Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz nicht abgeleitet werden. Die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, vgl. S 244, angestellten Überlegungen - zur Verwirklichung des Verletzungsdelikts sei es "nicht unbedingt notwendig, vorsätzlich zu handeln, sondern ... es genügt auch, wenn der Täter weiß, daß durch seine Handlungen jemand verletzt werden könnte und sich damit abfindet", was jedenfalls beim Angeklagten der Fall sei, liege es (doch) "auf der Hand, "wenn man Personen abdrängt oder gegen sie tritt oder Schläge ausführt, (diese) auch verletzt werden können" - entbehren der gebotenen Deutlichkeit und stellen überdies - was dem Beschwerdeführer gar nicht vorgeworfen wird - auch auf das Versetzen von Tritten und Schlägen ab; sie können daher nicht als hinreichend bestimmte Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Vergehens der (schweren) Körperverletzung gewertet werden. Es kann aber auch nicht gesagt werden, daß mit der festgestellten Widerstandsleistung - Wegdrängen des H*** vom Fahrzeug (S 236) bzw. Drängen des Genannten gegen das Dienstfahrzeug (S 240) - notwendigerweise (zumindest) ein über den Tatbestandsvorsatz nach § 269 Abs. 1 StGB hinausgehender Mißhandlungsvorsatz im Sinne des § 83 Abs. 2 StGB verbunden gewesen sein muß. Mängelfreie Konstatierungen in Richtung eines Verletzungs- bzw. Mißhandlungsvorsatzes hätte das Gericht auf Grund der Verfahrensergebnisse auch gar nicht treffen können, ergibt sich doch aus der Aussage des Franz H*** im Vorverfahren, daß ihm die Prellungen im Bereiche des rechten Ellbogens nicht vorsätzlich zugefügt wurden (vgl. S 52) und daß ihn der Beschwerdeführer nicht verletzen, sondern nur vom Wagen wegdrängen wollte (vgl. S 222). Damit erweist sich der Schuldspruch nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB aber als verfehlt. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und dieser Schuldspruch - sogleich in der Sache selbst erkennend - aus dem Urteil auszuschalten.

Bei der notwendig gewordenen Strafneubemessung war erschwerend die Begehung von zwei strafbaren Handlungen und die Vorverurteilung wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat, mildernd hingegen, daß die Tat teilweise beim Versuch geblieben ist und das Geständnis zu Faktum 1 des Urteilssatzes, das auch zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Weil der Angeklagte bereits einmal der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde (Urteil des Landesgerichtes Linz vom 12.Jänner 1987, GZ 21 e Vr 2985/86), wußte er, daß er in diesem Zustand rechtlich geschützte Werte bis zur Begehung einer strafbaren Handlung hintansetzen könnte, sodaß die Enthemmung durch Alkohol nicht als mildernd gewertet werden konnte.

Bei der Strafbemessung war auf das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3.März 1987 (rechtskräftig seit 11.Juni 1987), GZ 29 Vr 524/87, mit welchem über den Berufungswerber wegen Verbrechens nach §§ 15, 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 129 Z 1 StGB eine Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt wurde, gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen. Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß bei gemeinsamer Aburteilung des gegenständlichen Delikts mit der oben genannten Straftat bei Berücksichtigung der gegebenen Strafzumessungsgründe eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld gerecht geworden wäre; demgemäß war im vorliegenden Verfahren die Freiheitsstrafe wie im Spruch ersichtlich auszumessen.

Anmerkung

E13896

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00004.88.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19880407_OGH0002_0120OS00004_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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