TE OGH 1988/4/21 12Os14/88

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Veröffentlicht am 21.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.April 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Friedrich, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Theresia L*** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 16.November 1987, GZ 36 Vr 3115/84-75, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, der Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schmiedt zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung der im Punkt 1. des Urteilssatzes bezeichneten Tat auch unter die Strafbestimmung des § 288 Abs. 1 StGB sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Theresia L*** wird für die ihr weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB (Punkt 1.) und das Vergehen des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB (Punkt 2.), gemäß § 288 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird ihr die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die 68-jährige ehemalige Firmengesellschafterin Theresia L*** (1.) des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und (2.) des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in Innsbruck in der Rechtssache der (von ihr als geschäftsführender Gesellschafterin vertretenen) klagenden Partei Firma A*** Realitäten GesmbH gegen Marlis S*** wegen (einer Provisionsforderung in der Höhe von) 92.040 S s.A., AZ 7 Cg 689/82 des Landesgerichtes Innsbruck

1. in der Streitverhandlung vom 29.Juni 1984 einen in den Gesetzen vorgesehenen Eid vor Gericht falsch geschworen, indem sie bei der beeideten Vernehmung als Partei (§ 377 ZPO) ihre in derselben Streitverhandlung und zuvor am 18.Jänner 1984 vor dem Bezirksgericht Kitzbühel als Rechtshilfegericht abgelegten, das Klagebegehren stützenden (unbeeideten) falschen Parteiaussagen wiederholte, wonach sie - zusammengefaßt - am 16.Oktober 1979 teilweise im Beisein des Johann K*** zusammen mit der Beklagten Marlis S*** das Haus Kitzbühel, Lutzenberg 15, besichtigt, der Beklagten die Wohnungen der Ellen S*** gezeigt und Marlis S*** den Besichtigungsbericht mit dem - in Wahrheit erst nachträglich eingefügten - Text "Wohnung S*** Lutzenberg

S 2,6 Mill" unterfertigt hätte, sowie

2. am 30.November 1982 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer ("gefälschten" - richtig:) verfälschten Urkunde, nämlich durch die wahrheitswidrige Klagebehauptung, der Beklagten Marlis S*** die Wohnung top.Nr. 2 im Hause Kitzbühel, Lutzenberg 15, vermittelt zu haben, und durch die mit der Klagseinbringung verbundene Vorlage einer Durchschrift der zu Punkt 1. erwähnten, von der Angeklagten in Richtung einer eigenhändigen Bekräftigung der Marlis S***, die "Wohnung Lutzenberg" am 16.Oktober 1979 durch Vermittlung der klagenden Partei besichtigt zu haben, verfälschten Bestätigung, den zuständigen Richter des Landesgerichtes Innsbruck zum Zuspruch des Klagsbetrages von 92.040 S s.A., somit zu einer Handlung zu verleiten versucht, welche die Beklagte Marlis S*** an ihrem Vermögen schädigen sollte.

Dieses Urteil bekämpft Theresia L*** im Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 3, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt in keinem Punkt Berechtigung zu. Wohl trifft es im Sinne der auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund gestützten Verfahrensrüge zu, daß die Schöffen (entgegen § 240 a StPO) in der dem Urteil unmittelbar vorangegangenen Hauptverhandlung vom 16.November 1987 vor Verlesung der Anklageschrift und vor Vernehmung der Angeklagten (§§ 244 a.F., 245 StPO) noch nicht beeidet waren und die Beeidigung erst während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit einer anderen Strafsache (AZ 36 Hv 114/87 des Landesgerichtes Innsbruck) nachgeholt wurde (Band II, S 8 bis 10). Diese unter Nichtigkeitssanktion stehende Formverletzung konnte aber nach Lage des Falles unzweifelhaft erkennbar auf die Entscheidung keinen der Angeklagten nachteiligen Einfluß üben (§ 281 Abs. 3 StPO):

Wie sich nämlich aus dem Protokoll über die am 16.November 1987 gemäß § 276 a StPO wegen Zeitablaufes und geänderter Senatszusammensetzung wiederholte (neu durchgeführte) Hauptverhandlung ergibt, beschränkte sich die Angeklagte im Rahmen ihrer Verantwortung bis zu der erwähnten Unterbrechung der Verhandlung nach bereits 15 Minuten auf den Hinweis auf ihre früheren Angaben (Band II, S 9). Als die Hauptverhandlung (rund zwei Stunden später) mit der Vernehmung des Zeugen Martin K*** fortgesetzt und das Beweisverfahren durch umfangreiche Verlesungen (insbesondere sämtlicher Protokolle über die vorausgegangenen Hauptverhandlungen) ergänzt wurde (§ 252 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2 StPO), waren die Schöffen bereits beeidet (Band II, S 10 bis 12). Solcherart wurden aber die Schöffen auch noch nach vorschriftsgemäßer Beeidigung im Detail sowohl mit sämtlichen Punkten des Anklagevorwurfs als auch mit der bezüglichen Verantwortung der Angeklagten vertraut gemacht, weshalb ein nachteiliger Einfluß der verspäteten Beeidigung auf die Entscheidung auszuschließen ist.

Dem Vorbringen zur Mängelrüge zuwider haftet dem angefochtenen Urteil aber auch kein formeller Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO an:

Da weder der Zeuge Hans K*** noch der Zeuge Martin K*** die Verantwortung der Angeklagten bestätigten, betrifft es keine entscheidenden Tatsachen, ob die Angeklagte "eigentlich immer" ersteren als Zeugen für die angebliche Besichtigung des Hauses Lutzenberg 15 nannte und welcher der beiden Zeugen im Jahre 1979 tatsächlich dort wohnte. Im übrigen hat die Angeklagte zwar im vorliegenden Verfahren nur von "Herrn K***" (ohne Nennung des Vornamens) gesprochen (S 66/I), in den Parteienvernehmungen im Zivilverfahren jedoch sehr wohl ausdrücklich Johann (Hans) K*** als Zeugen der angeblichen Hausbesichtigung angeführt (S 32, 43 des Aktes 7 Cg 689/82 des Landesgerichtes Innsbruck).

Als aktenwidrig erweist sich das Beschwerdevorbringen, der Zeuge Martin K*** habe es als möglich eingeräumt, daß die in Rede stehende Besichtigung stattgefunden habe. Eine unvollständige Wiedergabe dieser Aussage (S 10 und 11/II) ist demnach dem Erstgericht nicht unterlaufen.

Mit dem weiteren Vorbringen zur Mängelrüge aber, das sich nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Schuldberufung in einer Erörterung der Glaubwürdigkeit der belastenden Aussagen der Zeugen Johann und Martin K*** erschöpft, verfehlt die Beschwerdeführerin eine prozeßordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Im Sinne der auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO gestützten Beschwerdeargumentation hinwieder ist es zwar unbestritten, daß die Einhaltung eidesspezifischer Förmlichkeiten eine unabdingbare Tatbestandsvoraussetzung gemäß § 288 Abs. 2 StGB darstellt (vgl Pallin im WK, Rz 17 zu § 288 StGB). Dafür jedoch, daß diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt gewesen wäre, bieten weder die Verantwortung der Angeklagten, noch die übrigen Verfahrensergebnisse einen konkreten Anhaltspunkt. Dem insoweit nicht substantiierten Beschwerdestandpunkt zuwider waren daher Feststellungen zur Frage der Einhaltung bestimmter Beeidigungsformalitäten entbehrlich.

Schließlich versagt auch der Beschwerdeeinwand, die inkriminierte Aussage habe sich inhaltlich der bezüglichen zivilgerichtlichen Protokollierung darauf beschränkt, daß die Angeklagte ihre im Zuge der unbeeideten Parteienvernehmung deponierten Angaben "zur beeideten Parteiaussage erhoben" habe, weshalb sie solcherart nicht als eidliche Beweisaussage im Sinne des § 288 Abs. 2 StGB zu beurteilen sei. Der Bestimmung des § 377 ZPO Rechnung tragend, wonach eine beeidete Prozeßvernehmung (Voreid) nur über Tatsachen beschlossen werden darf, die bereits Gegenstand der unbeeideten Vernehmung waren (vgl Fasching, Kommentar III, Anm 2 und 5 zu § 377 ZPO, Seite 528), bezeichnete nämlich die Angeklagte bei der beeideten Vernehmung als Partei ausdrücklich ihre früheren Parteiaussagen als richtig, womit sie diese, ohne daß es ihrer vollständigen Wiederholung bedurfte, inhaltlich in ihre beeidete Aussage übernahm (vgl EvBl 1983/161 = ÖJZ-LSK 1983/47). Die teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte, teils unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil insoweit mit dem (nicht gerügten) materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, als die zu Punkt 1. des Schuldspruchs bezeichnete Tat sowohl dem § 288 Abs. 1 StGB als auch dem § 288 Abs. 2 StGB unterstellt wurde. Werden doch in § 288 Abs. 1 StGB (unbeeidete) falsche Beweisaussagen von Zeugen und Auskunftspersonen, soweit diese nicht zugleich Parteien sind, sowie die falsche Befundung oder falsche Begutachtung durch Sachverständige pönalisiert. Demgegenüber verwirklicht den (gesonderten) Tatbestand nach § 288 Abs. 2 StGB, wer vor Gericht eine falsche Beweisaussage unter Eid ablegt oder mit einem Eid bekräftigt oder sonst einen in den Gesetzen vorgesehenen Eid vor Gericht falsch schwört. Für eine Unterstellung der - rechtsrichtig allein nach § 288 Abs. 2 StGB strafbaren - falschen eidlichen Parteiaussage (§ 377 ZPO) auch unter den ersten Absatz des § 288 StGB bleibt mithin kein Raum, weshalb der dem angefochtenen Urteil in diesem Punkt anhaftende, der Angeklagten zum Nachteil gereichende Subsumtionsirrtum gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen und insoweit spruchgemäß zu erkennen war. Bei der im Hinblick auf die getroffene Sachentscheidung erforderlichen Strafneubemessung war mit der Einschränkung von den vom Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungsgründen auszugehen, daß die Höhe des vom Tätervorsatz umfaßten Betrugsschadens unter Bedachtnahme auf die nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 geänderten Wertgrenzen nicht mehr erschwerend ins Gewicht fällt. Mit Rücksicht darauf, daß sich die bereits betagte Angeklagte (ersichtlich unter dem Einfluß tatfördernder Komponenten des verfahrensaktuellen Geschäftsfalls) vorliegend erstmals zu strafbarem Verhalten hinreißen ließ und spezialpräventiven Belangen solcherart (nicht nur wegen zwischenzeitigen Rückzugs der Angeklagten aus dem Erwerbsleben) bei der Strafbemessung keine besondere Bedeutung zukommt, war die Strafe spruchgemäß festzusetzen, wobei der Unrechtsgehalt der abgeurteilten Taten aus generalpräventiver Sicht für den (von der Angeklagten angestrebten) Ausspruch einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe keinen Freiraum offen ließ.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E13899

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00014.88.0421.000

Dokumentnummer

JJT_19880421_OGH0002_0120OS00014_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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