TE OGH 1988/4/27 9ObA76/88

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Veröffentlicht am 27.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian W***, Angestellter, Wien 17., Exelbergstraße 47/6, vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P. D*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 6., Linke Wienzeile 38, vertreten durch Dr. Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wegen 636.144 S sA (Revisionsstreitwert 626.614 S sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. November 1987, GZ 34 Ra 123/87-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. Juli 1987, GZ 15 Cg 1116/85-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 31.497,86 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 2.863,44 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 36.188,01 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.471,63 S Umsatzsteuer und 20.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 12. September 1979 bei der beklagten Partei als stellvertretender Geschäftsführer im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Sein Dienstort war Wien; er bezog ein Monatsgehalt von 28.000 S brutto und ein monatliches Spesenpauschale von 2.000 S. Mit schriftlichem Dienstvertrag vom 1. Juli 1984 vereinbarten die Streitteile in einer Zusatzvereinbarung unter anderem auch die Zahlung einer Betriebsergebnisprämie an den Kläger mit Fälligkeit nach Ende des Geschäftsjahres und Vorliegen des Betriebsergebnisses unter Abzug der bis dahin verrechneten Akontozahlungen. Dabei wurde ausdrücklich festgehalten, daß die Betriebsergebnisprämie eine freiwillige, jederzeit frei widerrufliche Leistung der Beklagten sei und auch durch mehrmalige Gewährung kein Rechtsanspruch entstehe. Dieser Zusatz zum Dienstvertrag wurde vom Kläger ohne Vorbehalt unterfertigt. Bereits in Verträgen, die diesem Dienstvertrag zeitlich vorangingen, war die Betriebsergebnisprämie als freiwillige Leistung bezeichnet. Auf diese Betriebsergebnisprämie erhielt der Kläger zu Ende jeden Monats mit dem Gehalt Akontozahlungen von je 20.000 S; bei der Berechnung der Sonderzahlungen wurden diese Akontozahlungen berücksichtigt. Die Höhe der Betriebsergebnisprämie wurde jährlich berechnet und die Differenz zur Auszahlung gebracht. Im Monatsdurchschnitt betrug die Betriebsergebnisprämie für das letzte Arbeitsjahr 33.250 S brutto. Ab Juli 1984 wurde vom Kläger immer wieder die Abgabe einer schriftlichen Erklärung verlangt, daß es sich bei der Betriebsergebnisprämie um eine freiwillige Leistung des Dienstgebers handle, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Diese Aufforderungen wurden vom Geschäftsführer Ing. K*** vorerst in persönlichen Gesprächen an den Kläger herangetragen. Ing. K*** forderte den Kläger in der Folge mit Schreiben vom 24. August 1984, 9. November 1984, 29. November 1984 und 12. Dezember 1984 (nunmehr "letztmalig") auf, die geforderte Erklärung abzugeben. Der Kläger weigerte sich, diese Erklärung zu unterfertigen. In einem Schreiben vom 11. Jänner 1985 drohte K*** mit einer Einstellung der Akontozahlungen für den Fall der weiteren Weigerung zur Abgabe der geforderten Erklärungen. Die Akontozahlungen auf die Betriebsergebnisprämie wurden in dieser Zeit regelmäßig, letztmalig am 1. Februar 1985 für den Monat Jänner 1985 geleistet. Am 1. Februar 1985 erteilte Ing. K*** der Buchhalterin R*** den Auftrag, die Betriebsergebnisprämie für Februar nicht auszuzahlen und stellte für die weitere Vorgangsweise gesonderte Anweisungen in Aussicht. Mit Schreiben vom 5. Februar 1985 richtete der Kläger an Ing. K*** ein ausführlich begründetes Ersuchen um einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses und trug dieses Ersuchen auch fernmündlich an Dr. S*** (den Rechtsvertreter der beklagten Partei, der auch über eine Spezialvollmacht des zweiten einzelvertretungsbefugten Geschäftsführers Peter D*** verfügte) heran. Dieser lehnte als Vertreter D*** die einvernehmliche Auflösung des Dienstvertrages ab und versuchte den Kläger zur Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses zu bewegen. Bei diesem Gespräch wies der Kläger darauf hin, daß von ihm zu Unrecht im Zusammenhang mit der Auszahlung der Betriebsergebnisprämie eine "Freiwilligkeitsbestätigung" begehrt werde. Dr. S*** sagte die Prüfung dieser Frage zu und wies darauf hin, daß für den Fall, daß diese Prämie bereits jahrelang vorbehaltlos ausbezahlt worden sei, die Zahlung auch in Zukunft ohne Vorbehalt und ohne daß vom Kläger eine "Freiwilligkeitsbestätigung" verlangt werde, erfolgen werde. Nach diesem Telefonat erfuhr der Kläger von der Buchhalterin R***, daß Ing. K*** die Einstellung der Betriebsergebnisprämie ab Februar verfügt habe. Daraufhin erklärte der Kläger am selben Tag seinen vorzeitigen Austritt wegen ungebührlicher Vorenthaltung des Entgelts.

Der Kläger begehrte die Zahlung eines Betrages von 636.144 S sA. An Sonderzahlung für die Zeit bis zu seinem Austritt stehe ihm ein Betrag von 9.530 S zu. Der Restbetrag ergebe sich aus restlichem Gehalt bis 30. Juni 1985, aliquoten Sonderzahlungen für diese Zeit, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Die Betriebsergebnisprämie sei ein fester Bestandteil seines Lohnes gewesen. Die Anweisung an die lohnauszahlende Stelle, diesen Gehaltsbestandteil in Zukunft nicht mehr zu zahlen, rechtfertigte den vorzeitigen Austritt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Betriebsergebnisprämie sei eine jederzeit frei widerrufliche Leistung gewesen. Im übrigen sei dem Kläger von Dr. S*** mitgeteilt worden, daß er seine vertraglich zugesicherten Ansprüche erhalten werde und die Frage in seinem Sinn geklärt werde, wenn es zutreffe, daß er die Betriebsergebnisprämie immer ohne besondere zusätzliche Erklärung erhalten habe. Dem Kläger sei auch mitgeteilt worden, daß Ing. K*** keine Weisung erhalten habe, die Zahlung der Betriebsergebnisprämie einzustellen. Der Kläger sei angewiesen worden, sich diesbezüglich mit dem Geschäftsführer Peter D*** ins Einvernehmen zu setzen; dies habe der Kläger unterlassen. Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers im zweiten Rechtsgang mit einem Betrag von 9.530 S sA (unangefochten) statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Zusatzvereinbarung sehe ausdrücklich vor, daß es sich bei der Betriebsergebnisprämie um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung der beklagten Partei handle, auf die auch trotz mehrmaliger Gewährung kein Rechtsanspruch bestehe. Wohl habe der Kläger sich wiederholt geweigert, die geforderte Erklärung abzugeben, doch sei die beklagte Partei nicht vom Vorbehalt der Freiwilligkeit abgerückt. Durch Zahlung dieser Leistung trotz Weigerung des Klägers, die geforderten "Freiwilligkeitsbestätigungen" zu unterfertigen, habe sich die beklagte Partei nicht der Rechtsposition des Klägers unterworfen. Unter diesen Umständen sei die Einstellung der Betriebsergebnisprämie durch Verfügung des Geschäftsführers der beklagten Partei nicht geeignet, ein Austrittsrecht des Klägers zu begründen. Dem Kläger stehe daher nur die Sonderzahlung für die Zeit bis zu seinem Austritt im Betrag von 9.530 S zu, während die übersteigenden Ansprüche nicht berechtigt seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinn einer vollen Klagestattgebung ab. Ausgehend von der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes im ersten Rechtsgang führte es aus, daß sich die beklagte Partei durch wiederholte Auszahlung der Betriebsergebnisprämie trotz Weigerung des Klägers, die von ihm verlangten Bestätigungen zu unterfertigen, dem Rechtsstandpunkt des Klägers unterworfen habe. Wohl sei die Betriebsergebnisprämie für Februar im Zeitpunkt des Austrittes nicht fällig gewesen, doch habe der Kläger aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen Kenntnis davon gehabt, daß beabsichtigt gewesen sei, ihm die Prämie zum nächsten Termin nicht auszuzahlen. Dies sei eine rechtswidrige und einseitige Herabsetzung des Entgelts des Klägers gewesen. Dieser sei nicht verhalten gewesen, die nächste Gehaltszahlung abzuwarten, sondern habe berechtigt seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Zutreffend ist das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht davon ausgegangen, daß es ungeachtet der Tatsache, daß im ersten Rechtsgang das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht tätig geworden war, an die im Aufhebungsbeschluß dieses Gerichtes geäußerte Rechtsansicht gebunden ist (SZ 42/177; SZ 55/95 uva). Die Bindung des Rechtsmittelgerichtes an die in einem früheren Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht entspricht dem Gebot der Rechtssicherheit (Fasching, ZPR Rz 1824). Dieser Grundsatz erfährt keine Veränderung, wenn in einem weiteren Rechtsgang zufolge Änderung der Prozeßgesetze (hier: § 101 Abs 1 Z 3 ASGG) ein anderer Gerichtstyp als Berufungsgericht tätig wird. Diese für das Berufungsgericht bestehende Bindung bleibt jedoch auf den Umfang der Überprüfung des Revisionsgerichtes ohne Einfluß.

Eine festgefügte Judikatur hat den Grundsatz geprägt, daß Zuwendungen des Dienstgebers im Rahmen des Dienstverhältnisses dann den Charakter der Freiwilligkeit verlieren und einen Rechtsanspruch des Dienstnehmers auf Erfüllung begründen, wenn mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichlichen und jederzeit widerrufbaren Charakters der Zuwendungen ein Entgeltanspruch als stillschweigend vereinbart oder nach Ortsgebrauch bestehend anzuerkennen ist (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht, 221 mwH; Arb. 10.434, 9812, 9427 uva). Die Rechtsprechung deutet die regelmäßige vorbehaltlose Auszahlung und Empfangnahme einer zusätzlichen Leistung als konkludenten Vertragsabschluß nach § 863 ABGB. Die Lehre trat diesem Ergebnis im wesentlichen bei (Binder, ZAS 1984, 52 ff. mwN). Es kommt vor allem darauf an, ob in der vorbehaltlosen wiederholten Leistung eine schlüssige Willenserklärung gesehen werden kann (Mayer-Maly, Arbeitsrecht I, 117; Arb 9786). Für das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung ist wesentlich, ob der Erklärungsempfänger bei sorgfältiger Deutung eine bestimmte rechtsgeschäftliche Absicht erschließen durfte (Bydlinski, ZAS 1976, 85 mwH). Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach der Verkehrssitte, also nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen, eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen, vorliegt (MietSlg 31.081 ua). Ein konkludenter Vertragsabschluß durch regelmäßige Gewährung einer Leistung durch den Arbeitgeber und deren Entgegennahme durch den Arbeitnehmer kann nur vorliegen, wenn der Arbeitgeber es unterließ, dem Arbeitnehmer in irgendeiner jedoch deutlichen Form zu erkennen zu geben, daß er sich mit der Leistungserbringung nicht für die Zukunft verpflichten wolle (Binder aaO, 53).

Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde die Betriebsergebnisprämie bereits vor dem Juli 1984 aufgrund von zwischen den Streitteilen geschlossenen Verträgen ausgezahlt, in denen diese Prämie als freiwillige Leistung bezeichnet wurde. Im Zusatz zum Dienstvertrag vom 1. Juli 1984 wurde ausdrücklich vereinbart, daß es sich bei dieser Prämie um eine freiwillige, jederzeit frei widerrufliche Leistung der beklagten Partei handle und auch durch mehrmalige Gewährung kein Rechtsanspruch entstehe. Diese Vereinbarung hat der Kläger ohne Vorbehalt unterzeichnet. In den folgenden Monaten hat die beklagte Partei den Kläger wiederholt aufgefordert, im Zusammenhang mit der Auszahlung eine "Freiwilligkeitsbestätigung" zu unterfertigen. Die Tatsache, daß ungeachtet der Weigerung des Klägers, die ihm vorgelegten Erklärungen zu unterfertigen, die Betriebsergebnisprämie weiter ausgezahlt wurde, rechtfertigt nicht die Annahme einer Unterwerfung der beklagten Partei unter die Rechtsposition des Klägers. Einerseits wurde durch den kurz zuvor abgeschlossenen Vertragsabschluß der widerrufliche Charakter dieser Leistung einvernehmlich festgelegt und andererseits hat die Beklagte durch die wiederholte Aufforderung an den Kläger, die "Freiwilligkeitsbestätigungen" zu unterfertigen, in deutlicher Form das Festhalten an der mit der Zusatzvereinbarung vom 1. Juli 1984 festgelegten Qualifikation der Betriebsergebnisprämie als jederzeit widerrufliche Leistung zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Umständen kann ein konkludentes Abgehen der beklagten Partei von der in der Zusatzvereinbarung vom 1. Juli 1984 vereinbarten Widerruflichkeit der Prämie nicht angenommen werden.

Die beklagte Partei konnte daher, ohne gegen den Dienstvertrag zu verstoßen, die weitere Zahlung dieser Prämie jederzeit einstellen. Der Kläger war daher nicht berechtigt, seinen vorzeitigen Austritt deshalb zu erklären, weil im Feber 1985 die weitere Auszahlung dieser Leistung in Frage gestellt wurde. Dr. S*** hatte überdies dem Kläger die Auszahlung zugesagt, falls er auch bisher keine Freiwilligkeitsbestätigung auszahlen mußte. Diese Zusage erreichte den Kläger bevor er von der zu einem früheren Zeitpunkt erteilten internen Dienstanweisung Kenntnis erlangte; ihr kam daher maßgebliche Bedeutung zu. Die Forderungen, die der Kläger aus seinem vorzeitigen Austritt ableitet, bestehen daher nicht zu Recht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14260

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00076.88.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19880427_OGH0002_009OBA00076_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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