TE OGH 1988/5/5 13Os47/88

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Veröffentlicht am 05.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Mai 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann (Berichterstatter), Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hermann S*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 ff. StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 1. Dezember 1987, GZ. 12 Vr 2702/86-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Bassler, und des Verteidigers Dr. Paul Meyer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem Ausspruch, der Angeklagte habe den Diebstahl zum Nachteil der Barbara N*** durch Eindringen in deren Wohnhaus mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel begangen, ferner in der Beurteilung (auch) als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach § 129 Z. 1 StGB. sowie im Strafausspruch (samt Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Hermann S*** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last liegende Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. gemäß § 128 Abs. 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.

Gemäß § 38 StGB. wird die Vorhaft vom 5. Februar 1987, 10,15 Uhr, bis 1. Dezember 1987, 12,55 Uhr, auf diese Strafe angerechnet.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 3. August 1930 geborene Hilfsarbeiter Hermann S*** wurde des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 20. Dezember 1986 in Spittal/Drau der Barbara N*** Schmuck und Wertgegenstände im Wert von wenigstens 55.000 S (S. 356) durch Eindringen in deren Wohnhaus mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß die Vorsitzende die vom Verteidiger an die Gendarmeriebeamten Horst Z*** und Wolfgang P***

gerichteten Fragen, ob sich (während der Zeit der Inhaftierung des Angeklagten) in Spittal/Drau weitere (unaufgeklärte) Diebstähle ereignet hätten, nicht zugelassen hat (S. 334, 335).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z. 4) scheitert nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls schon daran, daß weder der Angeklagte noch sein Verteidiger, nachdem die Vorsitzende eine an einen Zeugen gestellte Frage nicht zugelassen hatte (S. 334, 335), beantragt hat, einen Senatsbeschluß (§ 238 Abs. 1 StPO.) über die Zulässigkeit dieser Frage einzuholen, weshalb es auch nicht zu einer Entscheidung des Gerichtshofs hierüber gekommen ist. Somit fehlt der Beschwerde nach ständiger Rechtsprechung die für die erfolgversprechende Geltendmachung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 4 erforderliche formelle Voraussetzung.

Die Mängelrüge (Z. 5) erschöpft sich in einem unzulässigen, in Form einer Schuldberufung vorgetragenen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Der Schöffensenat hat den Umstand, daß die Zeugen Aranka P*** und Silvia S*** den in Rede stehenden, zumindest 15 Jahre alten (S. 352) Schlüssel als silber- und nicht als messingfarben in Erinnerung hatten, wohl gewürdigt, ihm aber insbesondere unter Berücksichtigung der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers über den Verbleib des Schlüssels (S. 357), vor allem deshalb keine für die Lösung der Beweisfrage entscheidende Bedeutung zugemessen, weil die Zeuginnen diesen Schlüssel nur kurze Zeit gesehen hatten. Zur Unterstützung dieser Sachverhaltsbeurteilung wurde darauf hingewiesen, daß auch die Zeugin Barbara K***, die einen gleichartigen Schlüssel zwei Monate lang benutzt hatte, dessen Farbe nicht mehr anzugeben wußte (S. 356 in Verbindung mit S. 344). Von einer unzureichenden Begründung entscheidungswesentlicher Urteilsfeststellungen kann sohin keine Rede sein.

Den Verdacht einer Täterschaft der Barbara K*** schloß das Erstgericht nicht - wie der Beschwerdeführer sinngemäß vermeint - ohne Angabe der dafür maßgebenden Erwägungen, sondern deshalb aus, weil sich die Genannte vom 17. Dezember 1986 bis 22. Dezember 1986 gar nicht in Spittal/Drau aufgehalten hatte (S. 354), der Diebstahl aber am 20. Dezember 1986 begangen wurde (S. 353, 354; 357). Den Spekulationen des Beschwerdeführers, daß Barbara K*** allenfalls jemanden zur Begehung des gegenständlichen Diebstahls angestiftet habe oder daß dieser von einem Dritten begangen worden sei, der sich ohne Wissen der Zeugin in den Besitz des Schlüssels gesetzt habe, ist aber - was der Beschwerdeführer außer acht läßt - durch die unbekämpft gebliebene Urteilskonstatierung der Boden entzogen, daß Barbara K*** den Schlüssel immer bei sich trug und ihn nie verborgte (S. 354). Hingegen ist der Beschwerdeführer im Recht, soweit er sich gegen die Annahme der Qualifikation des § 129 Z. 1 StGB. (Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels) wendet (Z. 5 und 10). Nach den maßgebenden Urteilsannahmen schenkte die später bestohlene Barbara N*** dem Angeklagten Mitte Dezember 1986 abgelegte Kleidungsstücke, darunter einen Mantel ihres Sohnes Dr. Franz N***. Der Angeklagte nahm die Sachen mit nach Hause, wo die Nachbarin der Familie, Aranka P***, bei einer im Beisein mehrerer Personen vorgenommenen Prüfung dieses Kleidungsstücks in einer der Taschen des Mantels den messingfarbenen Schlüssel zur Eingangstür des Hauses N*** vorfand, den Dr. Franz N*** schon längere Zeit vermißt hatte. P*** übergab diesen Schlüssel der anwesenden Nichte des Angeklagten, Silvia S***, die in Aussicht stellte, den Schlüssel Barbara N*** zu bringen. Über Aufforderung des Angeklagten, der behauptete, er müsse N*** ohnehin noch eine Schaufel zurückbringen, folgte sie den Schlüssel jedoch an den Angeklagten aus. Dieser gab den Schlüssel in der Folge aber nicht zurück, sondern sperrte am 20. Dezember 1986 damit die vordere Eingangstür des Hauses der Barbara N*** auf und stahl den im Urteilsspruch angeführten Schmuck im Wert von wenigstens 55.000 S (S. 353, 354, 356). Aus dem Umstand, daß der Angeklagte am Abend des Tages der Auffindung des Schlüssels Silvia S*** auf deren Frage wahrheitswidrig erklärt hat, er hätte den Schlüssel Barbara N*** bereits zurückgebracht, schloß der Schöffensenat, daß er "schon zum damaligen Zeitpunkt den Plan gefaßt hatte, sich mit diesem Schlüssel widerrechtlich Zutritt in das Haus der Barbara N*** zu verschaffen" (S. 357).

Diebstahl durch Einbruch nach § 129 Z. 1 StGB. begeht unter anderem, wer in ein Gebäude mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel eindringt. Das Gesetz stellt ausschließlich auf die widerrechtliche Erlangung des Gewahrsams an dem zum Diebstahl verwendeten Schlüssel ab. Widerrechtlich erlangt ist demnach ein Schlüssel, wenn ihn der Täter eigenmächtig an sich gebracht hat, sei es, daß er ihn dem Berechtigten (allenfalls nach Auffinden in einem Versteck) weggenommen, abgenötigt oder herausgelockt (listig verschaffter Schlüssel) hat (RZ. 1983/50 und die dort angeführte Judikatur). Ein dem Täter ohne sein Zutun, wenn auch irrtümlich - wie hier durch Übergabe in einem Mantel - zugekommener Schlüssel ist ebensowenig ein widerrechtlich erlangter wie ein gefundener Schlüssel (Bertel im WK., Rz. 10; Kienapfel im BT. II, RN. 43 je zu § 129 StGB.). Die Widerrechtlichkeit des Gebrauchs eines solcherart in den Gewahrsam des Täters gelangten Schlüssels stellt demgemäß die Qualifikation des § 129 Z. 1 StGB. nicht her (JBl. 1986, 402). Dem Umstand, daß der Beschwerdeführer den Schlüssel nach dessen Auffindung in dem ihm geschenkten Mantel unter der Vorspiegelung an sich nahm, er werde ihn der Hauseigentümerin zurückstellen, kommt daher keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. den anders gelagerten Fall SSt. 48/95).

Es war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde die Verbrechensqualifikation nach § 129 Z. 1 StGB. aufzuheben und die Strafe im Hinblick auf die - auch nach Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 vorliegende - Qualifikation nach § 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. nach dem Strafsatz des § 128 Abs. 1 StGB. neu zu bemessen.

Bei dieser Strafneubemessung war als erschwerend zu werten, daß der Angeklagte zahlreiche einschlägige Vorstrafen, die auch den Voraussetzungen des § 39 StGB. genügen, aufweist (bisher urteilsmäßig verhängte Freiheitsstrafen: 198 Monate, das sind sechzehneinhalb Jahre). Als mildernd war aber zu berücksichtigen, daß es sich um eine aufgestoßene Gelegenheit handelte, die den Angeklagten nach mehrjährigem relativem Wohlverhalten (vgl. den Bericht des Bewährungshelfers ON. 10) wieder rückfällig werden ließ. Dem Obersten Gerichtshof erschien daher nach Abwägung des Vorbringens in den beiderseitigen Berufungen die aus dem Spruch ersichtliche Unrechtsfolge gerade noch vertretbar.

Dem von der Aufhebung unberührt gebliebenen Kostenersatzausspruch nach § 389 StPO. ist jener nach § 390 a StPO. hinzuzufügen.

Anmerkung

E13912

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00047.88.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19880505_OGH0002_0130OS00047_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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