TE OGH 1988/5/5 6Ob12/88

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Veröffentlicht am 05.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 21. Juni 1986 verstorbenen Johanna W***, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Kinder

1.) Walpurga S***, Landwirtin, Schachen 2, 8212 Pischelsdorf, und 2.) Alfred W***, Filialleiter, Zaanweg 45, 1521 DL Wormerveer, Holland, beide vertreten durch Dr. Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 2. März 1988, GZ. 3 R 279/87-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hartberg vom 1. Oktober 1987, GZ. 1 A 194/86-30, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Johanna W*** verfügte letztwillig die Aufteilung ihres Nachlasses unter ihre vier Kinder derart, daß Maria W*** die Liegenschaft Hartl 100 (EZ 46 und 89 KG Untertiefenbach, EZ 115 KG Hartl) und Friedrich W*** die Liegenschaft Kaibing 66 (EZ 90 KG Kaibing) bekommen und Walpurga S*** sowie Alfred W*** Geldbeträge von je S 70.000.

Das Erstgericht stellte mit Beschluß fest, daß es sich beim landwirtschaftlichen Betrieb Hartl 100 um einen Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG handle, der Hofparzelle Kaibing 66 aber keine Erbhofeigenschaft zukomme.

Auf Grund der Gutachten zweier Sachverständiger stellte das Erstgericht hinsichtlich des Hofes Hartl 100 folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Vierseithof befindet sich in sehr schlechtem Bauzustand. Der Wohnteil besteht aus Vorhaus, Küche, zwei Zimmern und zwei Abstellräumen, entspricht nicht modernen Anforderungen, bietet aber grundsätzlich ausreichend Platz für die Unterbringung einer fünfköpfigen Familie. Unter Zugrundelegung der von der land- und forstwirtschaftlichen Landesbuchführungsgesellschaft mbH in Wien herausgegebenen Buchführungsergebnisse aus der österreichischen Landwirtschaft für das Jahr 1984 errechnet sich das aus der Landwirtschaft allein zu erzielende Nettoeinkommen mit rund S 120.000 im Jahr. Dabei handelt es sich um einen Nettobetrag, wobei sämtliche Ausgaben, wie Betriebsmittel, Dünger, Spritzmittel, Futtermittel etc. bereits in Abzug gebracht sind, des weiteren auch die notwendigen Viehzukäufe sowie die Kosten für Mechanisierung und die Abschreibung ganz allgemein, schließlich auch die Grundsteuer. Etwaige Auslagen für Unterkunft und Versorgung mit Speisen sind hiebei bereits voll berücksichtigt. Die forstwirtschaftliche Nutzung ermöglicht ohne Eingriffe in die Substanz einen jährlichen Reinertrag von S 20.400. Der Betrieb ist grundsätzlich als geeignet anzusehen, einen zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen ausreichenden Durchschnittsertrag abzuwerfen, wobei dieser Ertrag das Siebenfache dieses Ausmaßes nicht übersteigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Walpurga S*** und des Alfred W***, die die Feststellung der Erbhofeigenschaft des Betriebes Hartl Nr.100 bekämpft hatten, nicht Folge. Es führte aus, da ein Testament vorliege, hätten die Bestimmungen des Anerbengesetzes über die gesetzliche Erbfolge außer Betracht zu bleiben, weshalb die das Vorliegen von Ausschließungsgründen im Sinne des § 5 AnerbenG betreffenden Rekursausführungen nicht zu beachten seien. Die Bemängelung der Nichtbeiziehung eines dritten Sachverständigen gehe ins Leere, weil das Erstgericht an die Beweismittelbestimmung des § 19 AnerbenG ("zwei von der Landwirtschaftskammer für den bestimmten Verlassenschaftsfall namhaft gemachte bäuerliche Sachverständige") gebunden gewesen sei und Widersprüchlichkeit der Gutachten oder Außerachtlassung erheblichen Verhandlungsstoffes nicht behauptet würden. Gegen die auf den Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen bestünden keine Bedenken. Die Rekurswerber gingen unzutreffend von der Annahme aus, daß die für die Beurteilung der Erbhofeigenschaft maßgebliche Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes jene sei, die unter Zugrundelegung der Alleinbewirtschaftung durch die in Betracht kommende Anerbin schon bisher gegeben gewesen sei oder in Hinkunft vorliegen werde. Demgegenüber sei die hypothetische Ertragslage unter den vom Gesetzgeber zur Zeit der Gesetzwerdung als feststehend zugrundegelegten betriebswirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in der Landwirtschaft maßgebend. Es sei daher erheblich, ob bei Verzicht auf einen vor 30 Jahren noch nicht üblichen Maschineneinsatz mit der Arbeitskraft einer fünf erwachsene Personen nicht übersteigenden bäuerlichen Familie der zu ihrer Erhaltung erforderliche Natural- und Geldertrag erwirtschaftet werden könne, wobei die Angemessenheit der Erhaltung am tatsächlichen regionalen Durchschnittsstandard der mittleren Betriebe zu messen sei (vgl. NZ 1987, 312). Wenn die Sachverständigen demnach das aus der Liegenschaft allein erzielbare Nettoeinkommen nicht auf der Grundlage bisheriger Betriebsergebnisse, sondern entsprechend der von der land- und forstwirtschaftlichen Landesbuchführungsgesellschaft mbH in Wien herausgegebenen Buchführungsergebnisse aus der österreichischen Landwirtschaft für das Jahr 1984 beziffert hätten, könne in diesem Vorgang eine Heranziehung unrichtiger Bewertungsgrundlagen nicht erblickt werden. Mit Rücksicht darauf, daß der aus der Landwirtschaft erzielbare Reinertrag S 120.000 jährlich und der entsprechende Ertrag aus der forstwirtschaftlichen Nutzung S 20.400 betrügen, mit welchen Mitteln der für den Lebensunterhalt einer im oststeirischen Raum angesiedelten fünfköpfigen bäuerlichen Familie zusätzlich erforderliche Geldaufwand durchaus zu bewerkstelligen sei, bestünden keine rechtlichen Bedenken gegen die hieraus vom Erstgericht gezogene Schlußfolgerung, daß die im § 1 Abs.1 Z 2 AnerbenG umschriebene Ertragsfähigkeit des vorliegenden landwirtschaftlichen Betriebes erreicht werden könne. Wenngleich den Rekurswerbern zuzugeben sei, daß die im Gesetz genannte Behausung einer Landwirtschaft neben Wirtschaftsgebäuden auch ein fünf erwachsenen Personen Unterkunft bietendes Wohngebäude umfassen solle, seien ihre das Nichtvorliegen der genannten Voraussetzung behauptenden Rekursausführungen nicht zielführend. Nach den im Wohngebäude gegebenen räumlichen Verhältnissen stünden zur Unterbringung von fünf Personen eine Wohnküche in üblicher Größe, zwei als Schlafräume nutzbare Zimmer, zwei Abstellräume sowie ein Vorraum zur Verfügung. Daß dieses Raumangebot gemessen an den Wohnverhältnissen einer durchschnittlichen Bauernfamilie aber hinreiche, stehe mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Einklang. Fragen des Wohnkomforts hätten in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben, da dessen Schaffung als ein Bereich des mit den Reinerträgnissen der Landwirtschaft zu bestreitenden Lebensunterhaltes zu werten sei. Das Erstgericht habe daher auf einer ausreichenden Sachgrundlage zutreffend die im § 1 AnerbenG normierten Voraussetzungen für gegeben erachtet.

Walpurga S*** und Alfred W*** bekämpfen diesen Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs.

Rechtliche Beurteilung

Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte und keiner der im § 16 Abs.1 AußStrG angeführten Gründe vorliegt, ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs wird eine offenbare Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht aufgezeigt. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 44.642, 52.757 uva). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann nur Verstöße gegen materiellrechtliche Bestimmungen, nicht aber verfahrensrechtliche Unrichtigkeit betreffen (EFSlg. 44.644, 52.762 uva). Die Ansicht des Rekursgerichtes, das Wohngebäude reiche, auch wenn es sich in sehr schlechtem Zustand befindet und modernen Anforderungen nicht entspricht, für fünf Personen aus, steht mit § 1 AnerbenG nicht im Widerspruch und ist daher nicht offenbar gesetzwidrig. Nicht richtig ist, daß bei Beurteilung der Frage, ob der Hof zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen im Sinne des § 1 Abs.1 Z 2 AnerbenG ausreicht, nur von theoretischen Ziffern und nicht von den konkreten Verhältnissen ausgegangen wurde, denn nach den Feststellungen ist der Hof Hartl 100 auf Grund seiner tatsächlichen Beschaffenheit zur Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen ausreichend. Die Rechtsmittelwerber versuchen zwar, die Unrichtigkeit dieser Feststellungen darzutun, im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 Abs 1 AußStrG ist es ihnen jedoch verwehrt, Verfahrensmängel geltend zu machen (EFSlg. 44.681 uva) oder die Beweiswürdigung zu bekämpfen (EFSlg. 44.640 uva). Die Frage, ob die in der letztwilligen Verfügung als Hofübernehmerin bestimmte Maria W*** auf Grund ihres Gesundheitszustandes gemäß § 5 Abs.1 Z 2 AnerbenG zur Bewirtschaftung des Erbhofes fähig ist, braucht nicht erörtert zu werden, weil die genannte Bestimmung gemäß § 8 Abs.1 AnerbenG bei gewillkürter Erbfolge keine Anwendung findet (Edelbacher, Anerbengesetz, S 44). Der Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen bedurfte es daher nicht.

Aus diesen Gründen war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E14222

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00012.88.0505.000

Dokumentnummer

JJT_19880505_OGH0002_0060OB00012_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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