TE OGH 1988/5/10 4Ob525/88

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Veröffentlicht am 10.05.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in den verbundenen Vormundschaftssachen des mj. Michael K***, geboren am 3. Oktober 1982, und der mj. Angelika K***, geboren am 6. März 1984, infolge Revisionsrekurses des Bezirksjugendamtes für den 20. Bezirk gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgerichtes vom 26. Jänner 1988, GZ 15 R 59/87-20, womit der Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 25. November 1987 GZ 26 P 1025, 1026/86-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Mutter der minderjährigen Michael und Angelika K*** starb am 19. September 1986. Sie hinterließ eine Mietwohnung in Wien 12., Längenfeldgasse 68/3/17. Am 20. November 1986 ordnete das Erstgericht hinsichtlich beider Kinder gemäß § 26 Abs.2 JWG die gerichtliche Erziehungshilfe an und genehmigte die am 19. September 1986 erfolgte vorläufige Unterbringung in einem Pflegeheim. Der außereheliche Vater des mj. Michael wollte zunächst beide Kinder zu sich nehmen; auch die mütterliche Großmutter stellte einen derartigen Antrag. Am 17. März 1987 wurden die Minderjährigen im Rahmen der gerichtlichen Erziehungshilfe den Pflegeeltern Anton und Margarethe K***, Straden, Kronnersdorf 10, übergeben. Diese Maßnahme wurde am 22. April 1987 pflegschaftsbehördlich genehmigt;

gleichzeitig wurde das Bezirksjugendamt für den 20. Bezirk zum Vormund der beiden Minderjährigen bestellt. Der mj. Michael wurde nunmehr von seinem außerehelichen Vater zur Adoption freigegeben;

auch der außereheliche Vater Angelikas überlegt deren Freigabe zur Adoption. Die Pflegeeltern erwägen derzeit die Adoption allenfalls beider Kinder.

Am 7. Oktober 1987 beantragte das Bezirksjugendamt für den

20. Bezirk als Amtsvormund, die Rückgabe der Mietwohnung an den Vermieter (Städtische Wohnhäuserverwaltung) pflegschaftsbehördlich zu genehmigen. Die Kinder befänden sich seit 17. März 1987 bei Pflegeeltern, die sie voraussichtlich adoptieren würden; sie würden die Wohnung daher nicht mehr benötigen. Es werde aber vorsorglich beantragt werden, das Wohnrecht, gegebenenfalls den Anspruch der Kinder auf eine andere Wohnung, zu sichern, sollte die Adoption nicht stattfinden.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Da nicht feststehe, daß die Pflegebefohlenen adoptiert würden oder ihr Wohnrecht durch die Behörde gesichert sei, könne das Mietrecht nicht aufgegeben werden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zum Zeitpunkt der Beschlußfassung in erster Instanz seien die Voraussetzungen für eine Rückgabe der Wohnung noch nicht vorgelegen. Die Minderjährigen seien nur vorläufig bei Pflegeeltern untergebracht; ob sie von den Pflegeeltern adoptiert würden und daher die Wohnung in Zukunft nicht mehr benötigen würden, stehe noch nicht fest. Es sei durchaus möglich, daß die Kindern von einer anderen Bezugsperson in der Wohnung aufgezogen werden. Daß der Mietzins aus den Einkünften der Minderjährigen nicht gezahlt werden könnte, habe der Amtsvormund nicht behauptet. Die Frage der Verwertung der Wohnungseinrichtung sei noch nicht geklärt. Auch habe der Amtsvormund bisher noch keinen Antrag zur Sicherung des Wohnrechtes der Kinder beim Vermieter gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Amtsvormundes gegen diesen Beschluß ist nicht zulässig.

Geltend gemacht werden die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Würdigung der Aktenlage und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Das Rekursgericht habe zu Unrecht das Wohnbedürfnis der Minderjährigen an der Mietwohnung bejaht und dabei übersehen, daß die Kosten der Unterbringung derzeit aus Sozialhilfemitteln bestritten werden. Der Sozialhilfeträger werde zur Hereinbringung seiner Aufwendungen auf die Waisenpension der Minderjährigen Regreß nehmen. Überdies müßten die Minderjährigen auch für die Instandhaltung der Wohnung aufkommen. Da die Pflegeeltern die ernstliche Absicht hätten, den minderjährigen Michael zu adoptieren, müßte die minderjährige Angelika dann allein für die Kosten der Wohnung aufkommen; dazu wäre sie nicht in der Lage. Es sei auch nicht ersichtlich, welche Bezugsperson künftig mit den Kindern in der Wohnung wohnen werde. Da es somit äußerst unwahrscheinlich sei, daß die Kinder die Wohnung in absehbarer Zeit auch benötigen würden, sei die Aufrechterhaltung des Mietrechtes wegen der damit verbundenen Lasten nicht zu verantworten. Es sei auch nicht beachtet worden, daß im Falle der Aufkündigung der Wohnung durch den Vermieter ein Kollisionskurator bestellt werden müßte, für dessen Tätigkeit die Minderjährigen dann ebenfalls aufkommen müßten. Da das Rekursgericht die Sache im Ergebnis nicht für entscheidungsreif erachtet habe, hätte es die Beschlüsse der Vorinstanzen aufheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen müssen. In Außerstreitsachen können bestätigende Entscheidungen gemäß § 16 AußStrG nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer Nichtigkeit angefochten werden. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird; nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung bildet daher eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103 uva). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt zwar auch dann vor, wenn das Wohl des Kindes ganz außer acht gelassen wurde (JBl. 1975, 661 uva); sie ist aber schon begrifflich ausgeschlossen, wenn es sich um eine im gesetzlichen Rahmen liegende Ermessensentscheidung handelt (SZ 27/159 uva). Verfahrensverstöße können eine Nichtigkeit nur dann begründen, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind (SZ 19/77 uva).

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Mietrechte mj. Pflegebefohlener aufgegeben werden dürfen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die - vom Wohl der Minderjährigen getragene - Auffassung des Rekursgerichtes, das Mietrecht zumindest noch so lange aufrecht zu erhalten, bis feststeht, ob sie die Wohnung in absehbarer Zeit benötigen werden, kann daher nicht offenbar gesetzwidrig sein. Daß dadurch - vorübergehend - Kosten verursacht werden, verstößt nicht gegen das Wohl des Kindes. Da die Voraussetzungen für eine endgültige Entscheidung über das Mietrecht erst in der Zukunft eintreten können - nämlich dann, wenn endgültig feststeht, bei wem die Kinder ständig bleiben werden -, kann auch von einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgrundlagen des Erstgerichtes keine Rede sein.

Worin ein Verstoß gegen die Verfahrensgesetze liegen soll, läßt sich den Ausführungen im Rekurs überhaupt nicht entnehmen. Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen war daher der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Anmerkung

E14176

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00525.88.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19880510_OGH0002_0040OB00525_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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