TE OGH 1988/5/10 10ObS132/87

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Veröffentlicht am 10.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Monika Fischer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Auguste B***-W***, Pensionistin, 4170 Haslach, Hörleinsödt 23, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, 1092 Wien,

Roßauerlände 3, vertreten durch Dr. Kurt Scheffenegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. August 1987, GZ 13 Rs 1090/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. April 1987, GZ 15 Cgs 5007/87-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 2.829,75 S (darin 257,25 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bis 31. August 1986 als Arbeiterin beschäftigt. Seit 1. September 1986 erhält sie von der beklagten Partei gemäß § 253 b ASVG die Alterspension bei langer Versicherungsdauer. Aus Anlaß der Auflösung des Dienstverhältnisses wurde ihr Anspruch auf Abfertigung auf der Grundlage des Sechsfachen des monatlichen Entgelts mit 51.794,49 S ermittelt. Dieser Betrag wurde ihr ab 1. September 1986 in zwölf monatlichen Raten von 4.316,21 S ausbezahlt.

Mit Bescheid vom 5. November 1986 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Ausgleichszulage ab, wobei sie die Abfertigungszahlungen als Einkommen der Kläger berücksichtigte. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. März 1987 die Ausgleichszulage in einer ziffernmäßig bestimmten Höhe zu bezahlen und wies das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihr für die Zeit vom 1. September 1986 bis 28. Februar 1987 eine Ausgleichszulage zu bezahlen, ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, daß die Abfertigung dann bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen sei, wenn man sie als Einkommen nach Beendigung des Dienstverhältnisses ansehe. Dies sei wegen des Versorgungscharakters der Abfertigung zu bejahen. Sie diene nämlich dazu, dem Arbeitnehmer den Übergang zu einem Leben mit geringerem Einkommen zu erleichtern, das er zu führen habe, bis er einen neuen Arbeitsplatz finde oder wenn er mit dem gegenüber dem Arbeitseinkommen doch wesentlich geringeren Pensionseinkommen auskommen müsse. Die Abfertigung bilde Einkünfte in den Monaten, für die sie auf Grund der Anzahl der zustehenden Monatsgehälter als Übergangs- und Versorgungsleistung gedacht sei. Hier sei die Abfertigung daher für einen Zeitraum von sechs Monaten auf den Ausgleichszulagenrichtsatz anzurechnen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und erkannte die beklagte Partei schuldig, die Ausgleichszulage auch für die Zeit vom 1. September 1986 bis 28. Februar 1987 in der ziffernmäßig näher bestimmten Höhe zu bezahlen. Bezüge, die keine Vermögensvermehrung zur Folge hätten, weil sie nur die Einlösung von vor Pensionsbeginn schon vorhandenen und somit einen Vermögensbestandteil bildenden Forderungen bedeuten, seien keine Einkünfte im Sinn des § 292 ASVG, auch wenn sie erst nach Pensionsbeginn ausbezahlt würden. Dies treffe auf die Abfertigung zu, weil der Anspruch darauf schon mit der Auflösung des Dienstverhältnisses erworben werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, es im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht gemäß § 292 Abs 1 und 2 ASVG, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und gegebenenfalls des Nettoeinkommens des (der) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (Ehegattin) und der gemäß § 294 zu berücksichtigende Unterhaltsansprüche die Höhe des für den Pensionsberechtigten gemäß § 293 ASVG geltenden Richtsatzes nicht erreicht. Unter Nettoeinkommen im Sinn dieser Bestimmung ist, sofern nicht einer der im § 292 Abs 4 bis 13 ASVG geregelten Sonderfälle vorliegt, nach dem Abs 3 dieser Gesetzesstelle die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge zu verstehen. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt dabei, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer.

§ 292 ASVG enthält also ebenso wie der damit übereinstimmende

§ 149 GSVG und § 140 BSVG eine Bestimmung des Begriffes

"Nettoeinkommen", die zwar in der Wendung "nach Ausgleich mit Verlusten" dem § 2 Abs 2 EStG 1967 nachgebildet ist (vgl. die EBzRV der 29. ASVGNov. 404 BlgNR 13. GP 106), im übrigen aber mit der Definition dieses Gesetzes und des nunmehr geltenden EStG 1972 nicht übereinstimmt. Außerdem enthält es, anders als die Einkommensteuergesetze, keine Definition des Begriffes "Einkünfte". Aus all dem folgt, daß im Sozialversicherungsrecht nicht einfach die Regeln der Einkommensteuergesetze angewendet werden können, weil dies in den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen nur für die Bewertung der Sachbezüge vorgesehen ist und eine uneingeschränkte analoge Anwendung wegen der unterschiedlichen Ziele der Sozialversicherungsgesetze und der Steuergesetze nicht in Betracht kommt. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, daß in Einzelfällen auf steuerrechtliche Bestimmungen zurückgegriffen werden kann und muß (vgl. auch Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 91 ff). Nun kann es zwar keinem Zweifel unterliegen, daß das Entgelt aus einem Arbeitsverhältnis zu den Einkünften im Sinn der Bestimmungen über die Ausgleichszulage gehört. Da die Abfertigung nach herrschender Lehre und Rechtsprechung Entgelt ist (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I2 129;

Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 118;

Martinek-Schwarz, Abfertigung 317; Migsch, Zur Reform des Abfertigungsrechts RdA 1978, 179 und Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 160; Arb. 9.490 u.a.), zählt sie zu den Einkünften im Sinn des § 292 ASVG und der vergleichbaren Bestimmungen in den anderen Sozialversicherungsgesetzen. Insoweit ist der von der beklagten Partei in der Revision vertretenen Ansicht beizupflichten. Es ist daraus für ihren Standpunkt jedoch nichts zu gewinnen. Im Gesetz fehlt nämlich eine Aussage darüber, aus welchem Zeitraum die Einkünfte zu berücksichtigen sind. Bei der Lösung dieser Frage muß beachtet werden, daß es sich bei der Ausgleichszulage um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge(Sozialhilfe)charakter handelt, die zusammen mit der Pension und übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten dessen Existenzminimum sichern soll (Martinek,

Zur Ausgleichszulage, VersRdSch 1956, 229; Teschner in Tomandl, System, 3. ErgLfg. 406; 10 Ob S 115/87, 10 Ob S 13/88). Da dies nur dann möglich ist, wenn der Pensionsberechtigte über die Einkünfte verfügen kann, können sie, von besonderen Ausnahmefällen vielleicht abgesehen, frühestens berücksichtigt werden, wenn sie ihm zugeflossen sind. Auf der anderen Seite muß aber eine gewisse zeitliche Kongruenz zwischen den Tatsachen, auf welche die Einkünfte zurückgehen, und den Pensionszahlungen bestehen. Da der Zeitpunkt, in dem der Pensionsberechtigte über die Einkünfte verfügen kann, unter Umständen nicht von ihm abhängt, könnte eine andere Auffassung zu nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen führen, wie etwa dann, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt infolge Verzuges des Arbeitgebers erst verspätet ausbezahlt erhält. Die demnach erforderliche zeitliche Kongruenz wird sich im allgemeinen nach dem Zeitpunkt richten, in dem der Anspruch auf die Einkünfte entsteht. Der Anspruch auf die Abfertigung wird mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erworben (Arb. 9604 ua). Die auf Grund dieses Anspruchs zufließenden Beträge haben daher dann für die Ausgleichszulage keine Bedeutung, wenn diese erst für einen der Beendigung des Dienstverhältnisses nachfolgenden Zeitraum zusteht (so schon OLG Wien SSV 10/117; vgl. auch SSV 24/119). Daran ändert nichts, wenn die Abfertigungsbeträge erst in diesem Zeitraum zufließen, mag dies auch nur deshalb geschehen sein, weil der Arbeitgeber von der ihm im Gesetz (vgl. etwa § 23 Abs 4 und § 23 a Abs 2 AngG) eingeräumten Möglichkeit, die Abfertigung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bezahlen, Gebrauch gemacht hat. Es wäre nicht vertretbar, diese Fälle anders als jene zu behandeln, in denen der Arbeitnehmer die Abfertigung (oder einen anderen Teil des Entgelts) wegen Verzuges des Arbeitgebers erst später erhält. Für eine Auflösung der auf einmal ausbezahlten Abfertigung in monatliche Leistungen entsprechend der Berechnung ihrer Höhe bietet das Gesetz auch keine Deckung. Sonst müßten im Schenkungs- oder Erbweg erlangte Beträge ebenfalls auf einen längeren Zeitraum verteilt werden (vgl. Binder aaO 94), wobei hier für die Bemessung dieses Zeitraums überhaupt kein Anhaltspunkt bestünde. Dasselbe muß aber gelten, wenn die Abfertigungsbeträge erst in einem Zeitraum zufließen, in dem ohne ihre Berücksichtigung ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht.

Auf dieses Ergebnis ist es entgegen der Meinung des Erstgerichtes ohne Einfluß, daß die Abfertigung nach Lehre und Rechtsprechung auch zur Versorgung und Überbrückung für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses dient (Migsch, Abfertigung Rz 162 f; Arb. 5271 mwN). Hier ist zu erwähnen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen, die vorsahen, daß die Abfertigung zum Ruhen von Versicherungsleistungen führt (so etwa § 43 Abs 2 AngVG 1926 BGBl 388 und § 17 Abs 2 AlVG 1958 BGBl 199) ersatzlos aufgehoben wurden und eine entsprechende Regelung derzeit vorhanden ist. Ferner steht die Abfertigung auch dem Anspruch auf Notstandshilfe (§ 33 ff. AlVG 1977), die im übrigen ebenso wie die Ausgleichszulage Fürsorgecharakter hat, nicht entgegen (s. den Erl. des BMS Zl. 37.003/17-3/1980, abgedruckt bei Ullrich-Ehrenreich, AlVG 128). Schließlich entspricht es gerade dem Versorgungscharakter der Abfertigung, sie dem Arbeitnehmer dafür zu belassen, daß er sich nach und nach der nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohenden Einkommensminderung anpassen kann. Es wäre unter diesem Gesichtspunkt sachlich nicht gerechtfertigt, einen Pensionsberechtigten, dessen Pension den Richtsatz nicht erreicht, schlechter zu stellen als einen Pensionsberechtigten, bei dem dies der Fall ist. Auch die Versorgungsfunktion erfordert es also nicht, die Abfertigung bei der Ermittlung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen, zumal auch noch andere sozialpolitische Funktionen eine Rolle spielen (vgl. JBl 1986, 804). Das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher frei von Rechtsirrtum, weshalb der Revision der Erfolg zu versagen war. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E17825

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00132.87.0510.000

Dokumentnummer

JJT_19880510_OGH0002_010OBS00132_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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