TE OGH 1988/5/19 7Ob18/88

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Veröffentlicht am 19.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** S*** W*** V***,

Wien 1., Ringturm, vertreten durch Dr.Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christine H***, Sekretärin, Wien 22., Polletstraße 126, vertreten durch Dr.Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 100.000 S s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 1.April 1987, GZ 16 R 48/87-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.Dezember 1986, GZ 1 Cg 774/85-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.243,80 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 385,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am 4.März 1983 verursachte die Beklagte, als Lenker eines Kraftfahrzeuges, einen Verkehrsunfall, bei dem mehrere Fahrzeuge beschädigt wurden. Sie wurde wegen dieses Unfalles mit rechtskräftigem Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 18. Mai 1987, 13 U 1136/83-11, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach §§ 88 Abs 1 und 3 (81 Z 2 ) StGB schuldig erkannt. Aus dem Spruch ergibt sich auch, daß sie sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rausch versetzt hatte, obwohl sie vorhergesehen hatte bzw. vorhersehen hätte können, daß ihr die Lenkung eines Kraftfahrzeuges bevorsteht.

Unter Berufung auf § 158 f VersVG und Art. 6 Abs 3 AKHB begehrt die Klägerin, als Haftpflichtversicherer, von der Beklagten 100.000 S, wobei sie behauptet, diesen Betrag übersteigende Forderungen geschädigter Dritter ersetzen zu müssen. Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren ist nur mehr die Einwendung zu prüfen, die Klägerin hätte bis zum Abschluß der Verfahren 7 Cg 797 und 798/83 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (Ansprüche, die wegen des Verkehrsunfalles von Geschädigten geltend gemacht werden) auf die Geltendmachung ihrer Regreßforderungen verzichtet.

Während das Erstgericht unter Annahme des behaupteten Verzichts das Klagebegehren abgewiesen hat, hat das Berufungsgericht einen Verzicht verneint und die Rechtssache zur Prüfung der Höhe des Klagsanspruches und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Hiebei ging das Berufungsgericht nach teilweiser Beweiswiederholung von folgenden hier wesentlichen Feststellungen aus:

Mit Schreiben vom 6.Februar 1985 verwies die Klägerin auf ihre durch die Alkoholisierung der Beklagten bewirkte Leistungsfreiheit und forderte unter Androhung der Klagseinbringung die Zahlung von 100.000 S. In seinem Antwortschreiben vom 8.März 1985 bestritt der Vertreter der Beklagten deren Verschulden an dem Unfall. Er schlug vor, mit der Geltendmachung der Regreßforderung bis zur Beendigung der oben erwähnten beiden Verfahren zuzuwarten. Daran schloß sich eine Korrespondenz, deren Inhalt die Vorinstanzen feststellten. Im vorliegenden Verfahren wurde vorerst ein Verzicht auf die sofortige Geltendmachung der Regreßforderung nicht eingewendet. Erst nach rund zehnmonatiger Verfahrensdauer hat die Beklagte diesen Einwand erhoben.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, aus der wiedergegebenen Korrespondenz könne ein eindeutiger Verzichtswille der Klägerin nicht entnommen werden. In diesem Sinne sei die Korrespondenz auch von keiner der Parteien verstanden worden. Tatsächlich sei die betreffende Einwendung der Beklagten erst nach dem erfolglosen Versuch, eine Unterbrechung des Verfahrens zu erreichen, erfolgt. Das Prozeßverhalten der Beklagten sei mit einer Beurteilung des Schreibens der Klägerin vom 24. Juli 1985 als eindeutiger Verzicht unvereinbar. Damit falle aber der vom Erstgericht gebrauchte Abweisungsgrund weg. Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichtes bezüglich der grundsätzlichen Berechtigung der Regreßforderung werden im Rekurs nicht bekämpft, weshalb auf sie verwiesen werden kann. Das Berufungsgericht hat eine Verfahrensergänzung deshalb für erforderlich gehalten, weil von der Beklagten eingewendet worden war, die Drittschäden hätten in Wahrheit nicht 100.000 S betragen, weshalb allfällige Leistungen der Klägerin nicht gerechtfertigt gewesen wären. Aus diesem Grunde müsse geprüft werden, ob die Klägerin nach der Sachlage verpflichtet gewesen wäre, Leistungen von mindestens 100.000 S zu erbringen (auch dieser Teil der angefochtenen Entscheidung wird von niemandem bekämpft).

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen ist. Nach § 519 Abs 2 ZPO darf das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt nach Abs 1 Z 3 nur aussprechen, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 vorliegen. Nach dieser Bestimmung ist ein Rechtsmittel nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Auslegung einer Willenserklärung, die durch einen Schriftverkehr zum Ausdruck gekommen ist. Diese Auslegung kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erfolgen, die jedoch nicht so sind, daß sie Rückschlüsse auf zu erwartende andere Rechtsfälle zuließen. Es handelt sich sohin um einen Einzelfall, der kaum Beispielswirkungen auf andere Fälle hat. Das Berufungsgericht hat die für die Auslegung von Willenserklärungen in der Literatur und Judikatur entwickelten Grundsätze beachtet und hiebei auch keinen Denkfehler begangen. Demnach kommt der Lösung der vorliegenden Rechtsfrage keine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu, weshalb die Voraussetzungen für eine Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichtes durch den Obersten Gerichtshof nicht vorliegen.

Der Rekurs war daher zurückzuweisen.

Da die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses verwiesen hat, waren ihr gemäß §§ 41 und 50 ZPO die Kosten für die Rekursbeantwortung zuzuerkennen.

Anmerkung

E14472

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00018.88.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19880519_OGH0002_0070OB00018_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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