TE OGH 1988/5/19 8Ob563/88

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Veröffentlicht am 19.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Veronika R***, Hausfrau, 7435 Günseck 55, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wider die beklagte Partei Josef Willibald R***, Bautechniker, 7435 Günseck 55, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Jänner 1988, GZ 13 R 207/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19. Mai 1987, GZ 1 Cg 337/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.397,35 S (darin 308,85 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 28. August 1952 geborene Klägerin und der am 19. August 1948 geborene Beklagte schlossen am 4. November 1972 die Ehe. Dieser entstammen der minderjährige Andreas (geboren 26. Dezember 1976) und der minderjährige Robert (geboren am 10. März 1980). Ehepakte wurden nicht errichtet.

Die Klägerin begehrte die Scheidung dieser Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten mit der Begründung, dieser habe in den letzten Jahren seine Freizeit weitgehend allein verbracht, ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen unterhalten und schließlich am 6. Dezember 1986 im Zuge einer wörtlichen Auseinandersetzung sie, die Klägerin, mit dem Umbringen bedroht und gewürgt. Eine Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft sei nicht zu erwarten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, die von der Klägerin aufgestellten Tatsachenbehauptungen entsprächen nicht der Wahrheit. Die Ehe sei keineswegs tiefgreifend zerrüttet. Am 6. Dezember 1986 sei es zu einer wörtlichen Auseinandersetzung gekommen, weil die Klägerin den einen von ihr verursachten Verkehrsunfall betreffenden Brief des Rechtsanwaltes an ihn, den Beklagten, geöffnet habe, jedoch verhindern wollte, daß auch er, der Beklagte, dessen Inhalt erfahre, und ihm daher den Brief aus der Hand gerissen und in kleine Stücke zerrissen habe. Für den Fall, daß die Ehe dennoch geschieden werde, begehrt der Beklagte, die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin, falls das Gericht eine unheilbare Zerrüttung der Ehe annehme.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden des Beklagten. Es stellte hiezu folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Seit Herbst 1985 verläuft die Ehe der Streitteile nicht mehr harmonisch. Seit dieser Zeit lehnte der Beklagte es immer häufiger ab, mit der Klägerin den ehelichen Verkehr zu vollziehen. Entweder gebrauchte er Ausreden oder machte später auch abfällige Äußerungen über die Klägerin und wies sie wiederholt aus dem Schlafzimmer. Er meinte, er sei lange genug neben einer alten Frau gelegen und wolle jetzt mit jungen Pupperln schlafen. Als ihn die Klägerin fragte, ob er andere Frauen habe, erwiderte er, er komme ohne fremde Frauen nicht aus, er brauche das zum Leben, denn "Loch bleibt Loch". Dennoch zog die Klägerin zunächst nicht aus dem gemeinsamen ehelichen Schlafzimmer aus. Dies tat sie erst, als sie später auch Samenspuren auf der Hose des Beklagten bemerkt hatte und daraus sowie aus Telefonanrufen fremder Frauen auf tatsächliche geschlechtliche Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen schloß; sie hatte deshalb Angst vor allfälliger Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit oder mit Aids. Es kam daher in den letzten eineinhalb Jahren zu keinen geschlechtlichen Beziehungen der Streitteile mehr.

Zu Beginn des Schuljahres 1986/87 hatte die Klägerin einen Verkehrsunfall mit einem auf den Namen des Beklagten zugelassenen PKW. Es war ihr ein Reh ins Fahrzeug gelaufen. Sie verriß den PKW und kam von der Fahrbahn ab. Am PKW mit einem Zeitwert von 100.000 S entstand Totalschaden. Im Zuge eines Gespräches der Streitteile über einen diesen Unfall betreffenden Anwaltsbrief wurde der Beklagte, als die Klägerin den Brief wieder an sich nehmen wollte, tätlich. Er drückte sie gegen die Anrichte im Eßzimmer, faßte sie mit beiden Händen am Hals und würgte sie. Der etwa 40 Minuten später die Anzeige aufnehmende Gendarmeriebeamte konnte eine Rötung der Haut am gesamten Hals der Klägerin feststellen.

Die Klägerin hatte erwogen, die Anzeige gegen den Beklagten zurückzuziehen, weil sie es noch einmal mit ihm probieren und vor allem wegen der Kinder die Ehe retten wollte. Als sie ihn dabei ausdrücklich fragte, ob er denn nicht sein Verhalten ändern wolle, lehnte er dies ausdrücklich ab.

Durch dieses Verhalten des Beklagten hat die Klägerin jedes Vertrauen zu ihm verloren. Sie ist nicht mehr bereit, die Ehe mit ihm fortzusetzen. Die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zwischen den Streitteilen kann nicht mehr erwartet werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Verhalten des Beklagten schwere Eheverfehlungen nach § 49 EheG darstelle und daß dadurch die Zerrüttung der Ehe vom Beklagten schuldhaft herbeigeführt worden sei. Der Mitschuldantrag des Beklagten sei nicht berechtigt, weil er nicht einmal ein konkretes Prozeßvorbringen habe erstatten können, welches allfällige schwere Eheverfehlungen der Klägerin zum Gegenstand gehabt hätte. Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten wegen unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es in klageabweisendem Sinn abzuändern, in eventu, dieses oder auch das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Klägerin begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

a) Zur Mängelrüge:

Das Berufungsgericht setzte sich mit dem vom Beklagten in der Beweisrüge gebrachten Argumenten im einzelnen auseinander und kam zusammenfassend zum Ergebnis, daß es die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung übernimmt. Darin liegt keine unzulässige kritiklose und pauschale Übernahme der Beweiswürdigung des Erstgerichtes, wie sie der Revisionswerber aus dem letztgenannten zusammenfassenden Satz der Behandlung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht ableiten will. Der behauptete Begründungsmangel liegt daher nicht vor. Richtig ist, daß der Beklagte im Rahmen der Beweisrüge die Einvernahme mehrerer Zeugen über sein Verhalten bei der Faschingsfeier in Goberling beantragte, um damit die diesbezügliche Aussage des als Zeugen vernommenen Herbert R***, des Bruders der Klägerin, zu widerlegen. Die Nichteinvernahme dieser erstmals im Berufungsverfahren beantragten Zeugen stellt - abgesehen von der in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich behandelten Frage, wie weit zur Dartuung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung überhaupt neue Beweismittel im Berufungsverfahren geltend gemacht werden dürfen (EvBl 1968/95; Fasching, Kommentar IV 167 und dort zitierte, von ihm abgelehnte Judikatur) - aus folgenden Gründen keinen Mangel des Berufungsverfahrens dar:

Das Berufungsgericht hatte mangels Antrages auf Anordnung einer mündlichen Berufungsverhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden. Die Unterlassung eines solchen Antrages bei Geltendmachung der Beweisrüge in der Berufung hat die Wirkung, daß das Gericht diese Berufungsgründe zu prüfen und dann, wenn es auf Grund der Aktenlage Bedenken gegen die Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen bekommt und zur Entscheidung eine Beweisergänzung oder -wiederholung als notwendig erachtet, von Amts wegen eine mündliche Berufungsverhandlung anzuordnen hat (Fasching, Kommentar IV, 197). Das Berufungsgericht hat die Aussage des Bruders der Klägerin insoweit verwertet, als es darin eine zusätzliche Stütze für die von ihm als glaubwürdig erachteten Darlegungen der Klägerin fand. Die Entscheidung darüber, ob es diesem Zeugen insofern ohne weiteres Glauben schenkte oder ob es zu Kontrollzwecken noch die Einvernahme der vom Beklagten beantragten Zeugen für erforderlich hielt, ist jedoch als Bestandteil der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht überprüfbar (MGA JN-ZPO13 § 503 Z 2 ZPO/34; EFSlg 14.251). Die Mängelrüge des Beklagten ist daher insgesamt nicht zielführend.

b) Zur behaupteten Aktenwidrigkeit:

Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn dem Gericht bei Darstellung der Beweisergebnisse ein Irrtum unterlaufen ist, also bei einem Fehler, der aus den Akten selbst erkennbar und behebbar ist. Überdies muß dieser Verstoß geeignet sein, die Entscheidungsgrundlagen zu verändern. Derartiges wird in der Revisionsschrift aber nicht aufgezeigt.

Entgegen der in der Revisionsschrift aufgestellten Behauptung, das Berufungsgericht vertrete die Ansicht, der Beklagte habe in bezug auf das Intimleben zwischen ihm und der Klägerin Widersprüchliches vorgebracht, stellte das Berufungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich dar, daß seine Aussage mit derjenigen der Klägerin in Widerspruch stehe, was nach dem Inhalt der Tagsatzungsprotokolle offenkundig ist.

Das Berufungsgericht behauptete nicht, der Beklagte hätte für sein nächtliches Ausbleiben überhaupt keine Äußerung abgegeben, sondern äußerte lediglich, daß er keine einleuchtende Erklärung hiefür gegeben habe. Dabei handelt es sich um ein Werturteil, keineswegs aber um eine Aktenwidrigkeit.

Das Berufungsgericht unterstellte dem Beklagten auch nicht, er habe anonyme Telefonanrufe erfunden, sondern führte aus, daß er die von der Klägerin geschilderten Telefonanrufe (anderer Frauen) als Erfindung hinstellen und hiefür ganz anders geartete anonyme Anrufe in der Umgebung verantwortlich machen wollte. Nicht das Urteil des Berufungsgerichtes ist daher aktenwidrig, sondern die diesbezügliche Darstellung des Beklagten in der Revisionsschrift.

c) Zur Rechtsrüge:

Bei Ausführung der Rechtsrüge behauptet der Beklagte im wesentlichen, keine Eheverfehlungen gesetzt zu haben. Er habe den Geschlechtsverkehr nicht verweigert, seine Freizeit überwiegend zu Hause verbracht und sei nur geschäftlich auch nachts an wenigen Tagen unterwegs gewesen. Dies stelle keine Eheverfehlung dar. Die Ehe sei nicht zerrüttet und er halte nach wie vor an der Ehe fest. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Rechtsrüge im wesentlichen nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, sondern sich darauf beschränkt, abermals das Gegenteil zum festgestellten Sachverhalt zu behaupten. Ob der Beklagte an der Ehe festhält, ist nicht relevant, weil unheilbare Ehezerrüttung dann anzunehmen ist, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten zerstört ist und damit die Grundlagen der Ehe objektiv und bei wenigsten einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört haben; dabei genügt es, daß die Klägerin die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg 33.958, 36.333, 41.241 ua).

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14484

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00563.88.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19880519_OGH0002_0080OB00563_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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