TE Vfgh Beschluss 2001/10/3 G72/01, V11/01 ua

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Veröffentlicht am 03.10.2001
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Index

65 Pensionsrecht für Bundesbedienstete
65/01 Allgemeines Pensionsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §108
ASVG §108f
PG 1965 §41 idF 1. BudgetbegleitG 1997
PG 1965 §58 idF Besoldungs-Nov 1999

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung pensionsrechtlicher Bestimmungen für Beamte betreffend Anpassung des Ruhegenusses nicht mehr auf Grund der Pensionsautomatik sondern auf Grund der Übernahme des Anpassungsfaktors nach dem ASVG infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Feststellungsbescheides

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit beim Verfassungsgerichtshof am 2. Februar 2001 eingelangten Individualanträge fechten die Einschreiter die Bestimmungen des §41 Abs2 und 3 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) idF Art4 Z17 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I 138, sowie die Wortfolge "§41 Abs2 und 3 und der Entfall des §41 Abs4 mit 1. Jänner 1999" in §58 Abs24 Z4 PG 1965 idF ArtIII Z2 der Besoldungs-Novelle 1999, BGBl. I 9, als verfassungswidrig und die Verordnungen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, BGBl. II 1998/439 und BGBl. II 1999/488, sowie die Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, BGBl. 2000/407, als gesetzwidrig an.

2. Die Antragsteller stehen als ehemalige Richter des Verwaltungsgerichtshofes in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund.

Auf Grund der angefochtenen Gesetzesbestimmungen tritt - auf das Wesentliche zusammengefasst - an die Stelle der bisherigen "Pensionsautomatik" die jeweilige Übernahme des Anpassungsfaktors für die Renten und Pensionen nach dem ASVG; die Entwicklung der Beamtenpensionen wird damit von jener der Aktivbezüge der Beamten "abgekoppelt" (s 885 BlgNR 20. GP. 53). Gesetzestechnisch erfolgt dies in der Weise, dass auf den für das jeweilige Kalenderjahr gemäß den einschlägigen Bestimmungen des ASVG im Verordnungswege festgesetzten Anpassungsfaktor durch §41 Abs2 und 3 PG 1965 verwiesen wird.

Durch diese Neuregelung der Bemessung des Ruhegenusses erachten sich die Einschreiter in ihrem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

II. Die Anträge sind nicht zulässig.

1.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Aber nicht jedem unmittelbar betroffenen Normadressaten kommt diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluss VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in seiner späteren Judikatur mehrfach, zB VfSlg. 8148/1977, 8241/1978, 8276/1978 und 8485/1979, bestätigt hat) für die Antragslegitimation darüber hinaus auch erforderlich, dass dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nun der Ansicht, dass den Antragstellern durch das Begehren eines Feststellungsbescheides ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung zur Verfügung steht.

Meinen die Antragsteller zusammenfassend nämlich, dass die Ermittlung des gebührenden Ruhegenusses - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes - von Verfassungs wegen ohne Heranziehung des Anpassungsfaktors gemäß §§108 und 108f ASVG (iVm den unter Berufung auf diese Bestimmungen erlassenen Verordnungen) zu erfolgen hätte, so wäre hierüber von der zuständigen Dienstbehörde mit einem Feststellungsbescheid zu entscheiden, weil ein rechtliches Interesse der Antragsteller an der Feststellung gegeben ist, in welcher Höhe ihr Anspruch zu Recht besteht. Ihr Antrag auf eine solche Feststellung durch Bescheid wäre ein taugliches Mittel der Rechtsverfolgung und sie hätten daher Anspruch auf Erlassung eines solchen dienstrechtlichen Feststellungsbescheides (vgl. VfSlg. 10.200/1984, 10.293/1984, 10.591/1985, 12.096/1989). Die Bescheide, die innerhalb der gesetzlich hiefür vorgeschriebenen Frist zu erlassen sind, könnten von den Antragstellern mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und den Verfassungsgerichtshof bekämpft werden. Das Verfahren über dieses Feststellungsbegehren könnte weder als aufwändig bezeichnet werden noch wäre eine längere Dauer des Verfahrens anzunehmen; die Erhebung von Beweisen käme im Hinblick auf den von vornherein feststehenden Sachverhalt praktisch nicht in Betracht. Die Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof böte den Antragstellern die Möglichkeit, sämtliche gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesvorschrift sprechenden Argumente darzulegen und die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesstelle anzuregen (vgl dazu erst jüngst VfGH 26.9.2000 G197/98).

Die von den Antragstellern hiezu vertretenen Auffassung, es sei einerseits dem Ruhestandsbeamten nicht zumutbar und es widerspräche auch der Verfahrensökonomie, jeweils nach Erlassung der Anpassungsverordnung den Rechtsmittelweg zu beschreiten, und erschiene andererseits im Sinne der Verwaltungsrechtslehre unzulässig, zu verlangen, die Frage der Gesetzmäßigkeit einer Harmonisierung der Pensionssysteme im Wege von Individualverfahren durch Feststellungsbescheid klären zu lassen, ist unzutreffend. Dazu wird zunächst ganz allgemein auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verwiesen, wonach das dem einzelnen Normunterworfenen mit Art140 Abs1 B-VG eingeräumte Rechtsinstrument dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen - gleichsam lückenschließend - nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hierfür nicht zur Verfügung steht, weil man anderenfalls zur einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes gelangte, die mit dem Charakter eines sog. Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 11.479/1987 uva.). Auf den vorliegenden Fall bezogen kann weiters auch von ins Gewicht fallenden Nachteilen, insbesondere einer besonderen Härte für die Antragsteller (s. dazu VfSlg. 10.200/1984, 10.293/1984, 12.096/1989; vgl. etwa auch VfSlg. 13.686/1994) nicht gesprochen werden, wenn sie auf den erörterten Weg verwiesen werden (hingegen sind etwa die den Erkenntnissen VfSlg. 12.227/1989, 13.738/1994 oder 14.591/1996 zu Grunde liegenden Fälle mit dem vorliegenden nicht vergleichbar).

1.3. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass den Antragstellern die Legitimation zur Stellung eines (Individual)Antrages mangelt.

2. Die auf Art140 Abs1 letzter Satz sowie auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Anträge waren daher mangels Legitimation der Antragsteller zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Ruhegenuß, Sozialversicherung, Pensionsversicherung, VfGH / Individualantrag, Feststellungsbescheid, Pensionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G72.2001

Dokumentnummer

JFT_09988997_01G00072_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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