TE OGH 1988/6/14 2Ob62/88

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Veröffentlicht am 14.06.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arno U***, Kraftfahrzeugmechaniker, 9821 Obervellach 194, vertreten durch Dr. Josef Kartusch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Josef I***, Arbeiter, 9816 Penk 10, 2. Anna I***, Angestellte, 9816 Penk 10, 3. W*** S***

W*** V***, Schottenring 30, 1010 Wien,

alle vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Dr. Gerhard Gratzer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 498.491,-- sA und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgrichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 29. März 1988, GZ 6 R 24/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. November 1987, GZ 24 Cg 184/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 29. Mai 1984 gegen 23 Uhr 30 geriet der Kläger mit seinem PKW von der Mölltalbundesstraße ab, wurde aus dem Fahrzeug geschleudert und erlitt schwere Verletzungen.

Der Kläger begehrt Schadenersatz in der Höhe von insgesamt S 498.491,-- sA, außerdem stellte er ein Feststellungsbegehren. Er brachte vor, er sei nach dem Besuch eines Gasthauses mit dem Erstbeklagten übereingekommen, zu einem Gasthaus in Obervellach zu fahren. Der Kläger sei als erster losgefahren, in der Folge habe ihn der Erstbeklagte überholt, sei während des Überholvorganges auf die Fahrbahnseite des Klägers "gezogen" und habe diesen geschnitten. Um einen Zusammenstoß zu verhindern, habe der Kläger seinen PKW nach rechts verrissen, sei auf das Bankett geraten und von der Straße abgekommen. Das Alleinverschulden treffe den Erstbeklagten. Die Beklagten brachten vor, der Erstbeklagte habe den Kläger nicht überholt, sondern sei vor diesem gefahren, der Kläger sei zufolge Alkoholisierung und überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen.

Das Erstgericht entschied nur über den Grund des Anspruches und zwar dahin, daß Leistungs- und Feststellungsbegehren im Ausmaß von zwei Dritteln zu Recht bestehen. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Erstbeklagte hatte vor dem Unfall nichts getrunken, der Kläger hingegen 6 bis 7 kleine Biere. Auf der Fahrt zu dem Gasthaus nach Obervellach fuhr der Kläger zunächst vor dem Erstbeklagten mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Der Erstbeklagte hielt zuletzt eine Geschwindigkeit von 150 km/h ein und wollte den Kläger überholen. Als sich die beiden Fahrzeuge auf gleicher Höhe befanden, betrug der Seitenabstand zwischen ihnen etwa 1 Meter. Der Erstbeklagte versetzte sein Fahrzeug dann jedoch nach rechts, bis sich der Seitenabstand nahezu auf Null reduziert hatte. Der Kläger verriß sein Fahrzeug nach rechts, das Fahrzeug wurde "instabil" und geriet von der Straße ab.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, beide Fahrzeuglenker hätten gegen § 20 Abs 2 StVO verstoßen, weil sie eine höhere Geschwindigkeit als 100 km/h eingehalten hätten. Der Verstoß des Erstbeklagten sei aber weitaus schwerwiegender, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 50 % überschritten habe. Außerdem sei dem Erstbeklagten eine Verletzung der Bestimmung des § 15 Abs 4 StVO anzulasten. Bereits das Einhalten des Sicherheitsabstandes von 1 Meter sei im Hinblick auf die gewählten Geschwindigkeiten bedenklich gewesen, selbstverständlich gehe es jedoch nicht an, diesen Seitenabstand während des Überholens nahezu auf Null zu reduzieren. Dem Kläger sei außer der überhöhten Geschwindiglkeit seine Alkoholisierung anzulasten. Erfahrungsgemäß sei ein nicht alkoholisierter Lenker leichter in der Lage, sein Fahrzeug stabil zu halten. Es sei von einer Verschuldensteilung im Verhätnis von 2 : 1 zugunsten des Klägers auszugehen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Erstbeklagte habe durch sein Fahrverhalten ("Hineinschneiden" nach dem Überholen) den Unfall primär ausgelöst. Daß der Kläger in dieser plötzlich auftretenden, vom Erstbeklagten geschaffenen Gefahrenlage durch Verreißen des Fahrzeuges nach rechts statt einer Bremsung möglicherweise nicht ganz zweckmäßig reagiert habe, gereiche ihm nicht zum Verschulden. Es treffe ihn aber deshalb ein Verschulden, weil er eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten habe, wobei die Alkoholisierung noch als erschwerend dazu komme. Das Verschulden des Erstbeklagten falle aber in dem vom Erstgericht angenommenen Ausmaß schwerer ins Gewicht. Die Beklagten bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, machen die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit des Berufungsurteils sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellen die Beklagten einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügen die Beklagten lediglich angebliche Verfahrensmängel erster Instanz und versuchen weiters - ebenso wie zum Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit - die Beweiswürdigung zu bekämpfen. Diese Revisionsgründe liegen daher nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Auf die Ausführungen der Rechtsrüge ist, soweit diese nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen, nicht einzugehen. Gesetzmäßig ist der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nur insoweit ausgeführt, als die Ansicht vertreten wird, der Alkoholisierung des Klägers sei nicht entsprechend Rechnung getragen worden, der Kläger hätte bei der Wahl seiner Fahrgeschwindigkeit auf die Beeinträchtigung durch Alkohol Rücksicht nehmen müssen, auch seine vom Berufungsgericht als "nicht ganz zweckmäßig" bezeichnete Reaktion sei ihm als Verschulden anzulasten, weil sie durch die Alkoholisierung bedingt gewesen sei.

Auch diesen Ausführungen kann aber nicht beigepflichtet werden. Gewiß ist dem Kläger eine beträchtliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anzulasten, dem Erstbeklagten muß aber eine noch schwerwiegendere Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen werden, weil er mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h gefahren ist. Der bedeutsamste, den Unfall auslösende Fehler des Erstbeklagten war es aber, daß er, der den Überholvorgang bei den eingehaltenen Geschwindigkeiten ohnedies nur mit einem Seitenabstand von etwa 1 Meter durchführte, während des Überholmanövers nach rechts lenkte, sodaß der Seitenabstand "nahezu auf Null" verringert wurde. Damit zwang er den Kläger zu einer sofortigen Reaktion, die entweder in einem Bremsen oder in einem Auslenken nach rechts bestehen konnte. Mag auch rückschauend betrachtet ein Abbremsen zweckmäßiger gewesen sein als das Verreißen nach rechts, das zu einem Abkommen des Fahrzeuges von der Straße führte, so kann es dem Kläger im Sinne der ständigen Rechtsprechung nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er auf die plötzlich und unvorhergesehen auftretende Gefahr unzweckmäßig reagierte. Das Auslenken nach rechts kann daher, auch wenn man berücksichtigt, daß der Kläger alkoholisiert war, nicht als Verschulden gewertet werden. Vorzuwerfen ist dem Kläger daher lediglich die überhöhte Geschwindigkeit, der wegen der Alkoholisierung erhöhtes Gewicht zukommt. Nimmt man darauf Bedacht, daß der Erstbeklagte eine noch wesentlich höhere Geschwindigkeit einhielt, einen schwerwiegenden Fehler beim Überholen beging und dadurch den Unfall auslöste, dann ergibt sich, daß sein Verschulden wesentlich schwerer wiegt als jenes des Klägers. Trotz der Alkoholisierung des Klägers ist daher die Verschuldensteilung von 2 : 1 zum Nachteil des Erstbeklagten berechtigt.

Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 393 Abs 4 und 52 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E14617

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00062.88.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19880614_OGH0002_0020OB00062_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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