TE OGH 1988/6/15 1Ob564/88

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Veröffentlicht am 15.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm Josef S***, Elektriker, geboren am 14. November 1937 in Mühlbach am Hochkönig, Mühlbach am Hochkönig, Sonnenhang 352, vertreten durch Dr. Ernst Blanke, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagte Partei Margarethe S***, Hausfrau, geboren am 16. April 1940 in Bischofshofen, Mühlbach am Hochkönig, Siedlung 224, vertreten durch Dr. Harald Heinrich, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Jänner 1988, GZ 1 R 63/87-76, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 29. Dezember 1986, GZ 2 Cg 111/82-63, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile, die österreichische Staatsbürger sind, schlossen am 24. September 1960 die Ehe. Dadurch wurden die Kinder Hildegard Brigitte, geboren 27. Juni 1957, und Wilhelm Ernst, geboren 5. Oktober 1958, legitimiert. Während der Ehe kamen Peter, geboren 28. September 1960, und Robert Gustav, geboren 14. Jänner 1963, zur Welt. In der Empfängniszeit für Robert Gustav brach die Beklagte die Ehe. Der Kläger verzieh den Ehebruch. Erst im Ehescheidungsverfahren stellte sich heraus, daß der Kläger nicht der Vater Robert Gustavs sein kann. Die Beklagte, die in der Empfängniszeit auch mit dem Kläger geschlechtlich verkehrt hatte, hatte bis zur Einholung des Gutachtens in diesem Verfahren keine positive Kenntnis, daß der Kläger nicht der Vater Robert Gustavs sei. Die Beklagte leidet seit 1963 an einer manisch-depressiven Gemütserkrankung. Sie ist geisteskrank. Sie befand sich seit 1963 17mal in stationärem Aufenthalt in der Landesnervenklinik. Im Juni 1978 lernte der Kläger die 1958 geborene Anita H*** kennen. Im März 1979 ging er mit ihr ein intimes Verhältnis ein. Seit damals ist die häusliche Gemeinschaft der Streitteile aufgehoben. Seit 22. Februar 1980 leben der Kläger und Anita H*** in Lebensgemeinschaft.

Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 3 EheG. Die Beklagte habe die wesentlichen Zerrüttungsursachen gesetzt. Sie habe ein intimes Verhältnis mit einem anderen Mann begonnen. Aus dieser Verbindung stamme das Kind Robert Gustav. Da der Kläger erst in diesem Verfahren Kenntnis erlangt habe, daß er nicht der Vater Robert Gustavs sei, sei die Verzeihung des Ehebruches der Beklagten mit einem Willensmangel behaftet gewesen. Der Ehebruch der Beklagten sei die Ursache für ihren geistigen Zusammenbruch. Äußerungen ließen darauf schließen, daß nicht nur Robert Gustav, sondern auch der Sohn Wilhelm Ernst einen anderen Vater habe. Der Kläger behalte sich ausdrücklich vor, einen diesbezüglichen Beweis zu führen. Die Beklagte beantragte den Ausspruch, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein oder überwiegend verschuldet habe. Sie selbst träfe wegen ihrer Krankheit an der Zerrüttung der Ehe keine Schuld.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile nach § 55 Abs 3 EheG. Es sprach aus, daß der Kläger die Zerrüttung der Ehe allein verschuldet habe. Die Zurechnungsfähigkeit der Beklagten für die ihr vom Kläger vorgeworfenen Eheverfehlungen sei zu verneinen. Der weit zurückliegende Ehebruch sei verziehen worden, ein vorsätzliches Unterschieben eines fremden Kindes könne nicht als erwiesen angenommen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es aussprach, daß der Kläger die Zerrüttung überwiegend verschuldet habe. Das Verfahren erster Instanz sei mängelfrei geblieben. Das Zerrüttungsverschulden im Sinne des § 61 Abs 3 EheG setze schuldhaftes Verhalten, das mit der Zerrüttung der Ehe im Zusammenhang stehe, voraus. Der gesamte Eheverlauf einschließlich verziehener Vorfälle sei zu beurteilen. Da nach dem vorliegenden Sachverhalt die geistige Erkrankung der Beklagten erst im Jahr 1963 ausgebrochen sei, habe die Beklagte die vor dem Jahr 1963 erfolgte Aufnahme intimer Beziehungen zu einem anderen Mann zu verantworten. Der Verschuldensanteil der Beklagten sei aber nicht hoch zu bewerten. Die Angelegenheit liege Jahrzehnte zurück. Das eheliche Verhältnis sei trotz Kenntnis des Mannes von den Vorfällen noch viele Jahre hindurch nicht entscheidend zerstört worden, so daß der Beitrag der Beklagten zum Scheitern der Ehe nur recht mäßig gewesen sei. Daß der Sohn Robert Gustav den außerehelichen Beziehungen der Beklagten entstamme, sei ebenfalls nicht hoch zu veranschlagen. Gewißheit darüber habe sich erst im Verlauf dieses Rechtsstreites ergeben. Vom Ehebruch selbst habe der Kläger ohnehin alsbald Kenntnis erlangt. Das Verschulden des Klägers überwiege das der Beklagten bei weitem. Erst als sich der Kläger einer jüngeren Frau zugewandt habe, habe er damit der Ehe den entscheidenden Schlag versetzt. Der voll verantwortliche Kläger habe den grundlegenden Beitrag zum Scheitern der Ehe geleistet. Sein überwiegendes Verschulden im Sinne des § 61 Abs 3 EheG liege damit vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er die Eliminierung des Ausspruches seines überwiegenden Verschuldens anstrebt, ist nicht berechtigt. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor.

Auch die Rechtsrüge versagt. Hat der Kläger die Zerrüttung allein und überwiegend verschuldet, ist dies nach § 61 Abs 3 EheG auf Antrag der Beklagten im Urteil auszusprechen. Das gesamte Verhalten der Ehegatten während der Ehe einschließlich verziehener und verfristeter Eheverfehlungen ist zu berücksichtigen (EFSlg. 51.668, 48.848). Trifft beide Ehegatten ein Verschulden, ist zu beurteilen, wer den entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, daß die Ehe unheilbar zerrüttet wurde (EFSlg. 51.667, 46.258). Ohne Vornahme subtiler Erwägungen ist überwiegendes Verschulden dann anzunehmen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile ganz augenscheinlich hervortritt (EFSlg. 51.665, 48.447, 46.253). Da auch verziehene und verfristete Eheverfehlungen beim Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG zu berücksichtigen sind, ist es bei einer nicht auf Verschulden gestützten Scheidungsklage rechtlich nicht von Bedeutung (RZ 1983/15), ob bei rechtzeitiger Erhebung einer auf den Ehebruch der Beklagten gestützten Scheidungsklage die Unkenntnis des Klägers anläßlich der Verzeihung, der Ehebruch der Beklagten habe deren Schwängerung zur Folge gehabt, für die Wirksamkeit der Verzeihung beachtlich wäre (EFSlg. 8623; Schwind, Eherecht2 244). Wesentlich ist vielmehr, daß der Kläger in Kenntnis des Ehebruches der Beklagten, bei dem er die Möglichkeit einer Schwängerung naturgemäß nicht ausschließen konnte, noch 17 Jahre die Lebensgemeinschaft mit der Beklagten fortsetzte und diese erst aufgab, als er mit einer jüngeren Frau ein intimes Verhältnis eingegangen war, das später zur Aufnahme einer seit 1980 andauernden Lebensgemeinschaft mit dieser Frau führte. Die Ehe war jedenfalls auch nicht vor Aufnahme der intimen Beziehungen des Klägers zu Anita H*** ungeachtet der vom Kläger behaupteten Streitigkeiten unheilbar zerrüttet. Eine solche Zerrüttung wird immer dann angenommen, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg. 51.601, 48.763, 43.629; Schwind aaO 202; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 49 EheG). Der Kläger setzte aber, ohne Vorbehalte zu machen, die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft mit der Beklagten bis zur Aufnahme seiner ehewidrigen Beziehungen ungeachtet des von ihm behaupteten Verhaltens der Beklagten fort. Er betrachtete ihr Verhalten daher nicht als ehezerstörend. Erst die Aufnahme ehebrecherischer Beziehungen des Klägers zu einer anderen Frau und die Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft mit der Beklagten führte zur Zerrüttung der Ehe. Der Kläger war es also, der den wesentlichen Beitrag zum Scheitern der Ehe setzte. Entgegen den Behauptungen der Revision trafen die Vorinstanzen keine Feststellung, der Ehebruch der Beklagten habe kausal ihre geistigen Störungen bewirkt. Das vom Kläger behauptete, von den Vorinstanzen aber nicht festgestellte Verhalten der Beklagten (wiederholte Beschimpfungen, Ein- und Aussperren, Drohungen und Verletzungen) kann, da es nicht auf verschuldete Eheverfehlungen beruhte, beim Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nicht berücksichtigt werden (vgl. EFSlg. 48.844). Das behauptete Verhalten der Beklagten würde auch nicht so schwer wiegen, daß der von ihr dennoch gestellte Verschuldensantrag als rechtsmißbräuchlich angesehen werden könnte. Dies behauptete nicht einmal der Kläger.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14585

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00564.88.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19880615_OGH0002_0010OB00564_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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