TE OGH 1988/6/15 9ObA121/88

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Veröffentlicht am 15.06.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Leo Samwald als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wilhelm N***, Angestellter, Baden, Leesdorfer

Hauptstraße 73/2/5, vertreten durch Dr. Emmerich Fritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** O*** W***

reg. Genossenschaft mbH, Schrems, Hauptplatz 22 a, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 797.942,14 brutto sA und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Gesamtstreitwert S 801.942,14), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 1988, GZ 34 Ra 141/87-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. September 1987, GZ 15 Cga 19/87-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.022,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.511,10 Umsatzsteuer und S 2.400,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit zu verweisen (§ 48 ASGG). Den Revisionsausführungen, es habe sich herausgestellt, daß der Kläger an etwaigen Malversationen des Kreditkunden R*** auf keinen Fall mitgewirkt habe, so daß es an der für die vom Berufungsgericht angenommene Vertrauensunwürdigkeit erforderlichen vorwerfbaren, gegen seine Arbeitgeberin gerichteten Gesinnung gemangelt habe, ist ergänzend folgendes zu erwidern:

Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, reicht zur Verwirklichung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG dritter Tatbestand fahrlässiges Handeln des Angestellten aus; Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl. Martinek-Schwarz AngG6 598; Kuderna Entlassungsrecht 89; Arb. 9.091, 9.862, 10.072; JBl. 1981, 161; zuletzt 14 Ob A 69/87 sowie 9 Ob A 20/87). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise mit Rücksicht auf seine Beschaffenheit und seine Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis als so schwerwiegend anzusehen ist, daß dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (siehe Martinek-Schwarz aaO 604; Kuderna aaO 88 f; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht I2 228; Arb. 9.091, 10.072; zuletzt 9 Ob A 137/87). Hiebei ist an einen Angestellten in leitender Stellung regelmäßig ein strengerer Maßstab anzulegen als an einen Arbeitnehmer, der nur mit untergeordneten Aufgaben betraut ist (siehe Martinek-Schwarz aaO 605; Arb. 9.624; WBl. 1987, 281; zuletzt 9 Ob A 137/87).

Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann rechtfertigten die schwerwiegenden Pflichtwidrigkeiten, die sich der Kläger im Kreditfall R*** zuschulden kommen ließ, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Entlassung des bei der beklagten Partei als Geschäftsleiter tätig gewesenen Klägers wegen Vertrauensunwürdigkeit im Sinn des § 27 Z 1 AngG, auch wenn ihm nicht ein gegen die Interessen der beklagten Partei gerichtetes verwerfliches und damit ein die Schädigung seines Arbeitgebers zumindest in Kauf nehmendes vorsätzliches Verhalten anzulasten ist. Berücksichtigt man den Umfang der an die Firma R*** H*** Wien gewährten Kredite von mehr als S 20 Millionen und den Umstand, daß der Kläger von der Rechtsabteilung der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien auf die Notwendigkeit einer verstärkten Kontrolle der zur Sicherung dieser Kredite abgetretenen Forderungen des Unternehmens R*** H*** München gegen dessen Abnehmer in Richtung auf Warenlieferung und Eingang aus den Rechnungen hingewiesen wurde, wobei auch das Fehlen der nach den Richtlinien der beklagten Partei erforderlichen Drittschuldnerverständigungen bemängelt wurde, dann verletzte der Kläger anläßlich der am 1. und 2. September 1983 über ausdrücklichen Auftrag vorgenommenen Überprüfung bei R*** H*** München mit seiner nur oberflächlichen Kontrolle der zedierten Forderungen durch Prüfung der entsprechenden Rechnungen lediglich auf ihre rechnerische Richtigkeit und auf die Setzung der Vermerke über die stille Zession schwerwiegend seine Pflichten als für die Kreditabteilung zuständiger Geschäftsleiter der beklagten Partei. Obwohl dem Kläger bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt eine Reihe von Umständen auffallen mußte, die zu gravierenden Zweifeln an der Richtigkeit der abgetretenen Forderungen berechtigten - der Vergleich der dem Kläger zur Verfügung stehenden Listen der Kundenforderungen vom 28. Februar 1983 Beilage V und vom 2. August 1983 Beilage X ergibt, daß ein großer Teil der in der ersten Aufstellung enthaltenen Rechnungen auch in der fünf Monate später erstellten Liste als offen aufschien; auf die am 28. Februar 1983 offenen Kundenforderungen von insgesamt DM 365.781,46 waren nur DM 120.000 eingegangen; bezüglich der einen wesentlichen Teil dieser Forderung bildenden Rechnung an Karstadt München vom 15. Dezember 1982 über DM 125.136,20 war eine Gutschrift erfolgt - nahm der Kläger ungeachtet des ihm erteilten Auftrages keinerlei Kontrollen über den Bestand der den Rechnungen zugrundeliegenden Forderungen dahin vor, ob die verrechneten Waren tatsächlich verkauft und geliefert worden waren. Auch Differenzen zwischen den von R*** H*** Wien an die beklagte Partei abgetretenen Forderungen gegen R*** H*** München und den Buchungen bei R*** H*** München erwähnte der Kläger in seinem Bericht über die Prüfung in der Sitzung des Leitungsausschusses der beklagten Partei vom 14. September 1983 nicht, sondern bestätigte die Ordnungsmäßigkeit der zedierten Forderungen. Zieht man in Betracht, daß eine verläßliche Prüfung der Sicherheiten für Kredite für eine Bank existentielle Bedeutung hat, wurden durch die fahrlässige Vorgangsweise des mit der Leitung der Kreditabteilung betrauten Klägers bei Überprüfung der Sicherheiten für einen Großkredit die Interessen der beklagten Partei derart schwerwiegend verletzt, daß ihr schon wegen dieses Verhaltens allein eine weitere Beschäftigung des Klägers in seiner für Kreditvergaben maßgeblichen Stellung auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00121.88.0615.000

Dokumentnummer

JJT_19880615_OGH0002_009OBA00121_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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