TE OGH 1988/7/4 11Os72/88

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Veröffentlicht am 04.07.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juli 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Doblinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alois S*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 129 Z 1, 130, zweiter Fall, und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alois S*** sowie die Berufung des Angeklagten Klaus O*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 14. Dezember 1987, GZ 18 Vr 1.681/87-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Richard Soyer (für Alois S***), jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Alois S*** und Klaus O*** zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Alois S*** und Klaus O*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch eine in Rechtskraft erwachsene Verurteilung des Daniel K*** enthält, wurden der am 16. November 1960 geborene Alois S*** und der am 12.Februar 1960 geborene Klaus O*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 2 und Abs 2, 129 Z 1 und 130, zweiter Fall, StGB - S*** zum Teil als Bestimmungstäter nach § 12, zweiter Fall, StGB, davon in einem Fall wegen einer beim Versuch gebliebenen Tat (§ 15 StGB) - schuldig erkannt. Darnach liegt Alois S*** die Bestimmung des Daniel K*** zu zwölf vollendeten Diebstählen und einer versuchten Diebstahlstat (Punkt B in Verbindung mit Punkt A) sowie die unmittelbare Täterschaft in dreißig Fällen (Punkte C I und III sowie D I) zur Last. Klaus O*** hat sechsunddreißig diebische Angriffe zu verantworten (Punkte C und D II).

Rechtliche Beurteilung

Nur der Angeklagte S*** bekämpft seinen Schuldspruch in jenem Umfang, in welchem ihm Bestimmungstäterschaft angelastet wird (Punkt B), mit einer auf Z 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Ferner fechten er und der Angeklagte Klaus O*** die Strafaussprüche mit Berufungen an. Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO liegt vor, wenn sich aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Für die vom Gesetz gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung eines solchen Beschwerdegrundes (§§ 285 Abs 1 und 285 a Z 2 StPO) sind daher Darlegungen notwendig, welche Tatsachenaussprüche des Erstgerichtes angefochten werden und welche aktenkundigen Umstände erhebliche Bedenken gegen die richtige Annahme dieser Aussprüche begründen sollen. Das vom Beschwerdeführer erstattete Vorbringen wird hier diesen Erfordernissen weitgehend nicht gerecht. Soweit der Angeklagte S*** zwei sachbezogene Verfahrensergebnisse ins Treffen führt - nämlich Angaben des Daniel K*** vor der Gendarmerie und vor dem Untersuchungsrichter - muß ihm erwidert werden, daß ihn K*** dort als denjenigen bezeichnete, der ihn unter Hinweis auf gute Verdienstmöglichkeit zur Begehung der Diebstähle drängte bzw animinierte (S 45 und 601/I), der als Auftraggeber fungierte (S 55 = 73/I) und ihn jedenfalls als jenen Mann charakterisierte, der teils mit und teils ohne direkte konkrete Aufforderung seine Tatentschlüsse herbeiführte (S 103 b/I). Alle diese Darstellungen stützen die vom Schöffengericht - auch mit Hinweis auf das vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung abgelegte Geständnis - festgestellte Bestimmungstäterschaft. Falls die Beschwerde jedoch meint, daß S*** nicht oder jedenfalls nicht immer von vornherein festgelegt hatte, aus welcher Kirche K*** welche Objekte stehlen sollte, wird damit - wie nachfolgend dargestellt - keine für den Schuldspruch entscheidende Tatsache aufgegriffen. Die Beschwerde vermag sohin insgesamt keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen zu erwecken. Entgegen der in der Rechtsrüge vertretenen Auffassung des Beschwerdeführers liegt ein der Anforderung der Tatindividualisierung entsprechendes Bestimmen im Sinn des § 12, zweiter Fall, StGB nicht nur dann vor, wenn der Anstifter eine durch Vorgabe des Tatortes und des Deliktsobjektes fixierte strafbare Handlung veranlaßt. Die Bestimmungshandlung muß zwar auf eine individuelle Tat gerichtet sein, jedoch braucht das angestrebte Delikt nur der Art nach und in groben Umrissen skizzenhaft zum Ausdruck zu kommen, ohne daß dabei nähere Umstände oder Einzelheiten der Tatverübung eine Rolle spielen (SSt 47/30; JBl 1978, 103; EvBl 1979/230). Daher stellen nach ständiger Judikatur etwa auch nicht näher präzisierte Aufforderungen, Heiligenfiguren (EvBl 1972/151) oder Autos (SSt 47/34) zu stehlen, dem § 12, zweiter Fall, StGB entsprechende Bestimmungshandlungen zu hinreichend individualisierten Diebstahlstaten dar.

Aus dieser Sicht bieten bereits die Urteilsannahmen, daß der Angeklagte S*** dem K*** in Verbindung mit Kaufzusagen nahelegte, aus Kirchen Einrichtungsgegenstände zu "holen" oder zu "besorgen", und zwar erforderlichenfalls durch Einbruch (S 75, 79, 81/II), der rechtlichen Beurteilung als zulänglich determinierte Bestimmungshandlungen zum Diebstahl hinreichend Deckung. Bereits auf dieser Grundlage ist dem Einwand unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Erfolg zu versagen, ohne die Reichweite der vom Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang gänzlich vernachlässigten weiteren Urteilsfeststellungen über ein noch viel konkreteres, in einigen Fällen durch Nennung der betroffenen Kirchen und der wegzunehmenden Sakralkunstwerke gekennzeichnetes Anstiftungsverhalten näher prüfen zu müssen (S 77-79/II).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alois S*** war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten jeweils nach dem § 130, 2. Strafsatz, StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Alois S*** zu fünf Jahren und Klaus O*** zu zwei Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend bei beiden Angeklagten die mehrfache Qualifikation des Diebstahls zum Verbrechen, die Schadenshöhe (von mehr als 800.000 S bei S*** und von 382.000 S bei O***) sowie die Entziehung (für die Allgemeinheit) unersetzlicher Kulturgüter, bei dem (als "Haupttäter" eingestuften) Angeklagten S*** überdies die Tatwiederholung durch mehrere Jahre, die Beteiligung (durch Bestimmung und Beitrag) an den Tathandlungen des Daniel K***, und die Verleitung des Klaus O***, dem das Erstgericht auch seine einschlägigen Vorstrafen und die oftmalige Wiederholung der Diebstähle als erschwerend anlastete. Als mildernd hingegen wertete es bei Alois S*** das Geständnis und die Schadensgutmachung zum Faktum A I 1 des Schuldspruchs, bei Klaus O*** das volle, wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten jeweils eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen an, Klaus O*** überdies eine bedingte Strafnachsicht bzw den Ausspruch einer Geldstrafe an Stelle eines Teiles der Freiheitsstrafe gemäß § 43 a StGB.

Mögen auch die vom Erstgericht aufgezählten Strafzumessungsgründe dahin zu ergänzen sein, daß dem Angeklagten S*** zum Tatkomplex B in einem Fall (Faktum A/II) bloßer Versuch, Klaus O*** hinwieder (nach Maßgabe einer im Rechtsmittelverfahren neu beigeschafften Strafregisterauskunft nunmehr) Unbescholtenheit als weitere Milderungsgründe zustatten kommen, so erweisen sich im Ergebnis beide Berufungen als nicht berechtigt.

Im Rahmen der für die Straffrage maßgeblichen Erwägungen kommt zunächst dem Umstand dominierende Bedeutung zu, daß es sich bei den urteilsgegenständlichen Diebstahlsobjekten (aus früherer Zeit) größtenteils um dem Gottesdienst oder der religiösen Vereehrung gewidmete, mithin um Sachen handelte, die als Ausdruck jeweils zeitspezifischen Geistes- und Kunststrebens regelmäßig einen allgemeinen, zur transzendentalen Bedeutung hinzutretenden zeitlosen Kulturwert aufweisen und schon deshalb besonderen Schutz verdienen. Dieses Schutzbedürfnis wird noch dadurch erhöht, daß Objekte der in Rede stehenden Art widmungsbedingt Verwahrungsmodalitäten ausgesetzt sind, die eine wirksame Hintanhaltung verpönter Übergriffe (in Form von Beschädigungen oder Sachwegnahmen) weitestgehend ausschließen. Liegt es doch auf der Hand, daß eine entsprechend effiziente Absicherung vorwiegend weitläufiger und grundsätzlich der allgemein freien Zugänglichkeit gewidmeter sakraler Bauten schon aus wirtschaftlicher Sicht kaum praktikabel ist. Gerade damit aber kalkulierte der Angeklagte S*** ersichtlich bei der durch mehrere Jahre (unter Anwerbung von Komplizen) gewerbsmäßig organisierten Entziehung sakraler Kunstgegenstände und verwirklichte solcherart nicht nur eine das Gewicht durchschnittlicher Vermögensdelinquenz übersteigendes Tatunrecht, sondern ließ auch mit seiner methodisch bedenkenlosen Gewinnorientierung einen Persönlichkeitszug erkennen, der das im konkreten Fall besondere Sanktionserfordernis aus spezialpräventivem Blickwinkel unterstreicht. So gesehen kann aber dem Berufungsstandpunkt zuwider weder von einem (sonst) ordentlichen, im allgemeinen auf redlicher Erwerbstätigkeit aufbauenden Lebenswandel, noch davon die Rede sein, daß der Angeklagte S*** in gewisser Hinsicht als "Opfer" seiner Leidenschaft für Antiquitäten und seine Tathandlungen demgemäß in einem milderen Licht zu sehen wären. Der im Fall dieses Angeklagten am Mittelbereich der gesetzlichen Strafdrohung orientierte erstgerichtliche Strafausspruch erweist sich damit als der beantragten Korrektur nicht zugänglich.

Nichts anderes gilt im wesentlichen aber für die über den Angeklagten O*** verhängte Freiheitsstrafe. Auch dieser Angeklagte verübte durch einen Zeitraum von mehreren Jahren eine Vielzahl sogenannter Kirchendiebstähle, deren objektives Tatunrecht bzw Aussagewert in bezug auf die Täterperson sich aus dem Vorgesagten ergeben. Daß sich dabei der nachteilige Einfluß des Angeklagten S*** auswirkte, welcher noch dazu den Tatertrag überproportional für sich in Anspruch nahm, findet im Verhältnis der Freiheitsstrafen zueinander angemessene Berücksichtigung. Von einer untergeordneten Tatbeteiligung im Sinn des Berufungsvorbringens kann nach Lage des Falles ebensowenig gesprochen werden wie davon, daß die Abstandnahme von weiteren Diebstählen während des letzten Jahres vor der Verhaftung der Komplizen als strafmilderndes Wohlverhalten zu beurteilen wäre. In Anbetracht seiner jahrelangen Beteiligung an gewerbsmäßig organisierten Kirchendiebstählen kann sich der Angeklagte O*** auch nicht mit Grund dadurch für beschwert erachten, daß das Erstgericht die in § 43 Abs 2 StGB aF normierten Voraussetzungen für eine bedingte Nachsicht der ausgesprochenen Freiheitsstrafe für nicht erfüllt ansah. Dem auf § 43 a StGB gestützten Berufungsantrag schließlich steht schon der Umstand entgegen, daß mangels einer Strafneubemessung eine Anwendung der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 neu eröffneten Sanktionsmöglichkeiten hier nicht in Betracht kommt. Aus den dargelegten Erwägungen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E14533

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0110OS00072.88.0704.000

Dokumentnummer

JJT_19880704_OGH0002_0110OS00072_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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